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Bundespräsident Julia Lier auf Wahl-Mission im Reichstag

Kompetent und authentisch für das Land - so wünscht sich Julia Lier aus Halle den Bundespräsidenten. Sie wird ihn am Sonntag mitwählen.

Von Steffen Honig 11.02.2017, 12:30

Halle l Alles begann am Bootshaus in Merseburg. Das führten die Eltern von Lisa, Julia Liers Freundin in Kindertagen. Unter der Gaststätte lagen die Boote eines Ruderklubs. „Auf der Saale habe ich meine Ruderschläge getan“ erzählt die 25-Jährige. Heute ist Julia Lier Oympiasiegerin im Rudern, ein sportliches Idol in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus.

Von Star-Allüren ist bei der im brandenburgischen Ludwigsfelde geborenen Ruderin jedoch nichts zu spüren. Gewiss selbstbewusst, aber vor allem leger und freundlich tritt sie auf im Olympiastützpunkt Halle, ihrem angestammten Terrain. Sie flachst mit Leistungssportchef Harry Gnewuch herum. Der ist selig mit der Zugnummer des Stützpunktes: „Julia ist ein Goldstück – nicht nur als Sportlerin.“

Das ist in der Politik wohl nicht verborgen geblieben. In der Landes-CDU ist man auf die Idee gekommen, sie in die eigene Mannschaft zur Wahl des Bundespräsidenten einzureihen.

Beim Sommerfest der Landesregierung wurde die Olympionikin von Ministerpräsident Rainer Haseloff und CDU-Landeschef Thomas Webel gefragt, ob sie als Wahlfrau zur Verfügung stehen würde. „Es ist gute Tradition bei der CDU, nicht nur Politiker, sondern auch andere Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu entsenden“, sagt Haseloff zur Begründung. „Durch den Gewinn der Goldmedaille hat sie sehr viel für die Reputation unseres Landes getan.“

„Das hat mich schon gefreut“, erklärt Julia Lier. Sie sagte zu, betont aber: „Ich gehe parteilos an den Start. Ich bin kein Aushängeschild für die CDU.“ Im Zweifel wäre sie auch für eine andere Partei in die Bundesversammlung gegangen.

Nun ist kaum daran zu zweifeln, dass Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier das Rennen machen wird. Julia Lier gibt aber keine Auskunft darüber, wen sie wählen wird. „Ich habe mich belesen“, erklärt sie nur knapp. Die Rolle des Bundespräsidenten ordnet sie als die eines „Notars von Deutschland“ ein – seriös, kompetent und authentisch für das Land.

Nunmehr 13 Jahre trainiert Julia Lier im Hallenser Leistungszentrum, hat sich sommers wie winters gequält, um das Maximale in ihrem Sport zu erreichen. Seit sechs Jahren ist Julia Lier Bundeswehrangehörige und ist „abkommandiert“ von der Sportfördergruppe Frankfurt (Oder) nach Halle.

Als Vertreterin der Bundeswehr und als „Fahnenträgerin“ für Deutschland liegen für die Ruderin Politik und Sport eng beieinander: „Ich sehe für den Sport auch einen Schlüssel in der Politik. Wir vernachlässigen zurzeit den Sport, dabei hat er viele positive Effekte“, kritisiert die Stabsunteroffizierin. In Wahlergebnissen mit hohem AfD-Stimmenanteil spiegele sich die Unzufriedenheit der Bevölkerung wider, so Julia Lier. „Viele sind ohne Aufgaben und nicht ausgelastet. Das führt zu Frust bis zur Gewalt.“ Da könne die sportliche Betätigung Abhilfe schaffen.

Zu ihren Erwartungen an den neuen Bundespräsidenten sagt sie: „Natürlich wäre es schön, wenn er sich bei den nächsten Olympischen Spielen blicken lässt“.

Zurzeit lässt sie es etwas ruhiger angehen, konzentriert sich auf die Ausbildung als Physiotherapeutin. „Im Herbst will ich wieder voll loslegen“, erklärt die Athletin. Das neue Ziel ist die erfolgreiche Teilnahme an den Olympischen Sommerspielen 2020 im japanischen Tokio.

Dann wäre sie, wie schon so oft, wieder eine sportliche Repräsentantin Deutschlands in der Welt. Noch frisch sind die Eindrücke aus Brasilien. Wie ging es ihr, als bei der Siegerehrung die deutsche Fahne hochgezogen wurde? „Da habe ich schon die eine oder andere Träne verdrückt“.

Leicht getrübt wird der Stolz der Olympiasiegerin und Weltmeisterin aber doch: Noch immer hat Julia Lier keinen Sponsor gefunden, der ihr finanziell unter die Arme greifen könnte. Vielleicht helfen der 25-Jährigen ein paar schöne Bilder aus der Bundesversammlung, das bestehende Sponsoren-Manko auszugleichen.

Für die Nachfolge von Joachim Gauck sind 2017 erstmals wieder fünf offizielle Kandidaten im Rennen. Das letzte Mal standen 1994 so viele Namen auf der Liste. Frank-Walter Steinmeier geht als Kandidat von SPD und Union als haushoher Favorit ins Rennen. Der frühere Außenminister war in Umfragen außerdem oft der beliebteste deutsche Politiker.

Mit dem Kölner Armutsforscher Christoph Butterwegge schickt die Linkspartei einen Kandidaten ins Rennen, der als scharfer Kritiker der Agenda 2010 einen Kontrapunkt zu Steinmeier setzen, soll der als Mitarchitekt der Agenda-Politik gilt.

Als Kandidat der Piratenpartei geht Engelbert Sonneborn, der Vater des EU-Abgeordneten und Satirikers Martin Sonneborn, ins Rennen. Die Aktion soll das Vorgehen der etablierten Parteien aufs Korn nehmen.

Der 75-jährige frühere CDU-Kommunalpolitiker Albrecht Glaser tritt für die AfD an. Er ist Vizechef der Rechtspopulisten. Einst war er Stadtkämmerer in Frankfurt am Main, heute prägt er die islamfeindliche Ausrichtung der AfD. 

Der als Fernsehrichter bekannt gewordene Jurist Alexander Hold wird von den Freien Wählern ins Rennen um das höchste Staatsamt geschickt. „Man sollte sich für ein demokratisches Amt nicht nur bewerben, wenn sicher ist, dass man es auch bekommt“, bekundet der 54-Jährige trotzig.