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Bundestagswahl Nur noch kurz die Welt retten

Hauptthema bei einem Landesparteitag von Sachsen-Anhalts Grünen in Magdeburg war der Kampf gegen die Klima­krise.

Von Michael Bock 21.08.2017, 01:01

Magdeburg l Bei den Grünen herrscht am Sonnabend prima Klima. Der Ort für den Landesparteitag ist ungewöhnlich – ein Ausflugsschiff, das nahe der Schleuse Rothensee in Magdeburg angelegt hat. Am Bug der MS Präsident flattern neben der Deutschlandfahne Flaggen der Grünen. Im Innenraum dominiert das leuchtende Gelb vieler Sonnenblumen.

Bei den Grünen herrscht also fröhliche Dampferfahrt-Stimmung. Doch sie machen sich Sorgen um die Erde. Im Leitantrag ist ein großes Ziel formuliert. „Welt retten, Zukunft schaffen!“

Steffi Lemke, Sachsen-Anhalts Spitzenkandidatin für die Bundestagswahl und leidenschaftliche Paddlerin, ist seit vielen Jahren eine engagierte Kämpferin für die Umwelt. „Bei der Bundestagswahl geht es um eine grundsätzliche Richtungsentscheidung“, sagt sie. „Wenn wir nicht in den nächsten drei bis fünf Jahren umsteuern, steuern wir auf die Klimakatastrophe zu. Und diese hat verheerende Auswirkungen auf die Menschen weltweit – auch auf die Menschen in Sachsen-Anhalt.“

Die Auswirkungen der Klimaveränderungen seien hautnah zu spüren – sei es durch Starkregen, Trockenheit, Hitze oder Baumsterben. Die Jahresdurchschnittstemperatur sei seit Beginn der Wetteraufzeichnungen um ein Grad gestiegen. Es gebe in Sachsen-Anhalt 16 Hitzetage mehr, 17 Frosttage weniger. In diesem Jahr sei der heißeste März zu verzeichnen gewesen, sagt Lemke. Im April habe es starken Frost gegeben und Sturmtiefs, die große Ernteausfälle und erhebliche wirtschaftliche Schäden in Sachsen-Anhalt verursacht hätten. Im Jerichower Land und in der Börde hätten Betriebe Ernteausfälle von bis zu 80 Prozent beklagt. Lemke warnt: „Wenn wir die Klimakrise nicht in den Griff bekommen, werden wir bald mit noch größeren Pro­blemen konfrontiert.“

Umweltministerin Claudia Dalbert hat sich zuletzt im Harz ein Bild über die Hochwasserfolgen gemacht. Starkregen werde in Sachsen-Anhalt weiter zunehmen: „Wir können den Klimawandel mit den Händen greifen.“ In dem von den Delegierten beschlossenen Leitantrag werden „unsinnige Bauprojekte wie in Schierke“ abgelehnt. „Den Neubau eines Skigebietes im Harz – während die Arktis schmilzt und wir auch in Sachsen-Anhalt mit immer stärkeren Wetterausschlägen zu kämpfen haben – können und wollen wir unseren Kindern und Enkeln nicht erklären müssen“, heißt es weiter. Die Ministerin sagt: „In Schierke gab es 1951 noch 120 Schneetage. Heute sind es nur noch 75.“ Dalbert ergänzt, Schierke gehöre zu den Erblasten, „wo Umweltrecht mit Füßen getreten wurde“. Die klare Positionierung der Grünen zu Schierke dürfte das Verhältnis zu den Koalitionspartnern CDU und SPD weiter belasten.

Neben der Klimadebatte bewegt die Grünen auf landespolitischer Ebene derzeit vor allem das Thema Kinderbetreuung. Der Grünen-Landesvorsitzende Christian Franke greift den Koalitionspartner SPD scharf an. Das Vorpreschen der Sozialdemokraten sei ein „Rohrkrepierer“, sagt er. Dieses wichtige Thema dürfe nicht „Schnellschüssen im Wahlkampf geopfert werden“.

Hintergrund ist, dass Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) in der vorigen Woche Eckpunkte für ein neues Kinderförderungsgesetz vorgelegt hatte. Die Vorschläge hatte sie mit den Koalitionspartnern CDU und Grüne nicht abgestimmt, was diese sehr verärgerte. Grimm-Benne hatte unter anderem vorgeschlagen, dass Eltern ab dem 1. August 2018 nicht mehr für das zweite Kind zahlen sollen. Auch die Grünen wollen Eltern entlasten, allerdings über eine Staffelung der Elternbeiträge.

Kritische Worte in die eigenen Reihen findet nur Robin Luge, Sprecher des Grünen-Nachwuchses. Ihm geht es um das Thema Diesel, konkret: den im Schiff. „Den Diesel, den wir so schlecht finden, verheizen wir massenweise, um unsere Technik am Laufen zu halten.“ Im Internet ist zu lesen, dass die MS Präsident mit zwei 240 PS starken Dieselmotoren angetrieben wird. Das prima Klima auf dem Schiff wird durch diese Kritik nicht beeinträchtigt.

Später, zum Sommerfest der Grünen, legt das Schiff für eine einstündige Rundfahrt auf dem Mittellandkanal ab. Mit an Bord: Jürgen Trittin. Der Mann war mal Bundesumweltminister (1998 bis 2005).