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Bundestagswahl Steffi Lemke: "Aus der Braunkohle aussteigen"

Von Auto über Klimawandel bis Zuwanderung. Volksstimme-Leser fragten Sachsen-Anhalts Grüne Spitzenkandidatin Steffi Lemke.

Von Jens Schmidz und Ann-Kathrin Kerst 15.09.2017, 23:01

Andreas Gaube, Haldensleben: Warum kann man den Dieselmotor nicht verbessern, statt ihn zu verbieten? Ich kann mir kein Elektro-Auto leisten.
Steffi Lemke: Das E-Auto ist noch viel zu teuer, das stimmt. Es ist aber eine tolle Technologie, und ich hoffe, dass die deutschen Autobauer bald ausgereifte und bezahlbare Modelle auf den Markt bringen. Zudem: Wir wollen, dass neue Autos ab 2030 keinen Verbrennungsmotor mehr haben. Es geht also um Neuzulassungen und nicht um ein Verbot aller Benziner und Diesel. Aber die Industrie muss wissen, wohin die Reise geht. Und natürlich sind auch andere Alternativen wie Wasserstoff oder Brennstoffzelle denkbar. Wir machen da keine Vorschriften.
Was den Diesel angeht: Viele Lkw, Traktoren, Schiffe und landwirtschaftliche Maschinen werden sicher auch über 2030 hinaus noch auf den Diesel angewiesen sein. Daher ist es uns wichtig, dass auch der Diesel weiterentwickelt und sauberer wird.

Christfried Lenz, Apenburg: Die Zahl der überflutungsgefährdeten Grundstücke ist in Sachsen-Anhalt auf 17 000 gestiegen. Warum verschließen CDU und SPD die Augen vor den Gefahren des Klimawandels?
CDU und SPD scheuen die gesellschaftlichen Auseinandersetzungen, die eine Energie- und Verkehrswende mit sich bringt. Ich würde es als Feigheit bezeichnen. Wir Grünen scheuen diese Diskussionen nicht, obwohl wir manchmal dafür beschimpft werden.

 

Bernd Vaupel, Oebisfelde: Arbeiter sollen bis 70 arbeiten, Beamte aber zahlen nicht mal in die Rentenkasse ein. Ist das gerecht?
Nein, das ist es nicht. Daher wollen wir Renten- und Pensionskasse zu einer Bürgerversicherung zusammenführen. Da zahlen alle ein: Angestellte, Beamte, Politikerinnen. Aber das ist ein verdammt dickes Brett, das wir da bohren müssen.

 

Rosemarie Gruner, Rhoden (Osterwieck): Bei uns gibt es einige große Betrieben, in denen Tiere in Käfig- oder Kastenhaltung leben müssen. Was möchten Sie gegen die Haltungsbedingungen unternehmen?
Wir haben in vielen Industrie-Tierställen tatsächlich katastrophale Zustände. Unser wichtigster Vorschlag: Wir müssen die Tierhaltung an die Fläche binden. Das heißt, dass die Anzahl der gehaltenen Tiere mit der Betriebsgröße zusammenhängt. Etwa entsprechend den Hektar, die zur Futterproduktion zur Verfügung stehen. Werden die Tiere auf Gülle gehalten, kann auch relevant sein, ob der Betrieb die Masse an Gülle entsorgen kann. Damit würde eine ganz andere regionale Verteilung geschaffen werden. Wir brauchen eine Obergrenze für die Anzahl der Tiere in einem Stall.

Günther Kunert, Grieben: Welche Alternativen gibt es zu Windkraftanlagen? Wie viele sollen denn noch gebaut werden?
Wenn Windkraft rein theoretisch die gesamte nötige Energie in Deutschland liefern sollte, dann bräuchte man insgesamt maximal nur 1,3 Prozent der Landesflächen für Windkraftanlagen. Das ist aber eine rein theoretische Betrachtung. Wir wollen auch andere Energien, wie Photovoltaik oder Erdwärme, wieder stärker vorantreiben. Und falls in Zukunft neue Technologien wie Fusionskraftwerke funktionieren sollten, ist es auch kein Problem, Windräder wieder abzubauen. Mit einem Braunkohletagebau geht das nicht.

 

Herr Trodewig: Unter den Flüchtlingen sind doch auch Ärzte und Ingenieure. Werden die in ihren Ländern nicht viel dringender gebraucht?
Natürlich muss das die Perspektive sein, dass sie wieder in ihre Heimat zurückkehren, sobald dort Frieden ist. Aber ich habe auch Verständnis dafür, wenn etwa eine Ärztin mit ihren Kindern aus einem Kriegsgebiet nach Deutschland flieht. Im Zweiten Weltkrieg sind auch viele hochqualifizierte Deutsche vertrieben worden und ins Ausland geflohen. Viele kamen danach wieder zurück und haben Deutschland mit aufgebaut.

Heinz Eschwege, Magdeburg: Wer soll den ganzen Flüchtlingswahnsinn bezahlen?
Was meinen Sie mit Flüchtlingswahnsinn? In Sachsen-Anhalt leben vergleichsweise wenige Zugewanderte.
Sie wollen mir nicht antworten.
Doch. Aber Sie müssen mir erst erklären, was Sie mit Wahnsinn meinen?
(Anrufer legt auf.)

 

Hajo Schulz, Magdeburg: Ist es möglich, ein gemeinsames Sozialversicherungssystem für alle einzuführen?
Wir schlagen seit einiger Zeit eine Bürgerversicherung vor, in die auch Beamte und Abgeordnete einzahlen. Beide Berufsgruppen sind derzeit nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung. Dasselbe gilt für Selbstständige. Wir wollen die Zwei-Klassen-Medizin zurückdrängen. Wir sprechen hier nicht von einer Einheitskasse. Die unterschiedlichen Krankenkassen können durchaus bestehen bleiben, aber zu den gleichen Konditionen.

Bernd Wunderlich, Magdeburg: In Sachsen-Anhalt fehlen Abwasser-Entsorgungsstellen für große Hausboote.
Ich kenne das Problem nicht im Detail, werde aber meine Grünen-Fraktion im Landtag informieren, damit sie bei der Regierung nachhakt.

 

Stefan Mertens, Magdeburg: Was wollen Sie tun, damit der Klimawandel gemildert wird?
Als erstes wollen wir den Braunkohleausstieg bis 2030 anpacken. Die zehn schadstoffreichsten Werke müssen schnellstens vom Netz. Außerdem muss die Ausbau-Bremse bei Solarenergie und Windenergie wieder weg. Und Drittens: Langsam aber sicher müssen wir aus dem Verbrennungsmotor aussteigen. Andere Länder machen uns das bereits vor. Wir wollen den Ausstieg bis 2030 so weit vorbereiten, dass dann keine Verbrennungsmotoren mehr zugelassen werden. Es ist also genug Anpassungszeit vorhanden.



Detlef Rothart, Wernigerode: Wie ist der Stand des Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland wegen der Abgasmanipulation?
Ich kann Ihnen keinen aktuellen Stand nennen, weil sich das Verfahren gegen die Bundesregierung richtet. Die Stellungnahme und die Entgegnung macht die Bundesregierung ohne das Parlament. Das finde ich bedauerlich. Aber es ist faktisch so, dass das Parlament in Vertragsverletzungsverfahren gar nicht involviert wird.

 

Jörg Dahlke, Magdeburg: Wie wollen die Grünen den Kohleausstieg und den Strukturwandel in Sachsen-Anhalt vorantreiben?
CDU und SPD wollen zwingend an der Braunkohle festhalten. Ich war damals an den Koalitionsverhandlungen beteiligt und es war schon schwer zu vereinbaren, dass keine neuen Tagebauen aufgeschlossen werden. Mit den gut fünf Prozent, die wir bei der Landtagswahl erreicht haben, konnten wir nicht mehr erreichen. Wir sollten den Menschen im Süden Sachsen-Anhalts aber heute schon sagen, dass Braunkohle nicht die Zukunft ist. Sachsen-Anhalt muss seine Ansiedlungspolitik schon heute danach ausrichten, damit im Süden neue Arbeitsplätze abseits der Braunkohle entstehen.