Im Bundestag hat sich der SPD-Politiker einen Namen gemacht Burkhard Lischka: Bereit zum Regieren
Magdeburg l Er besucht seine Wähler mit Kuchen, twittert pausenlos und spannt für seinen Wahlkampf sogar den CDU-Patriarchen Wolfgang Böhmer ein. Doch in Burkhard Lischka steckt auch ein nachdenklicher Parlamentarier, der sich fragt, was er im Bundestag noch verantworten kann.
Schweren Schrittes trottet der Elefant durch sein Gehege. Auf einer Bank gegenüber hat der Bundestagsabgeordnete Burkhard Lischka Platz genommen: kurze Pause im Wahlkampf. Seit seiner Kindheit zieht es ihn in Tierparks. Im vergangenen Herbst hat er hier sogar mit angepackt und Ställe ausgemistet. Zwei Tierpfleger-Kollegen von damals kommen vorbei, winken Lischka zu. Wenig später kommt der Marketingchef angeradelt, auch er erkennt den Politiker. Durch das kalte Frühjahr sehen die Besucherzahlen nicht gut aus, sagt er, "wir bräuchten im Herbst noch mal einen schönen Sommer." "Dafür sorgen wir!", ruft Lischka.
Typisch. Beim Wetter, da muss man nicht im Grundgesetz nachschlagen, hat ein Bundestagsabgeordneter gar nichts zu melden. Lischka schert sich darum ebenso wenig wie bei den anderen Themen, für die eigentlich andere zuständig sind. Wer Sorgen hat, kann ihn ansprechen.
Im vergangenen Jahr etwa hat er 50000 Haushalten in seinem Wahlkreis per Postkarte einen "Kuchenbesuch" angeboten: Der Abgeordnete brachte Bienenstich oder Mohnkranz, die Gastgeber kochten Kaffee. 150 Einladungen hat er abgearbeitet und viele Wünsche gehört. "Ich sage allen, dass ich nicht der Ministerpräsident bin und nicht auf einem Sack voll Geld sitze. Aber ich spiele den Türöffner und bleibe dran."
Im Bundestag kümmert sich Lischka um Themen wie Abgeordnetenbestechung, Sicherungsverwahrung, Warnschussarrest. Gleichzeitig kommen die Anfragen aus dem Wahlkreis: Vereine, Kommunen, Behörden freuen sich, wenn ein Abgeordneter kommt. Warum stellt sich Lischka auch noch mit dem Grill an den Bruno-Taut-Ring in Olvenstedt? "Wenn man die Menschen kennt, um die es geht, kämpft man im Bundestag mit ganz anderem Engagement", sagt er.
Etwa beim Thema Flut: Nach den Eindrücken an der Elbe, den Gesprächen mit Menschen, die ihr Zuhause verloren haben, ist Lischka überzeugt, dass es Zeit ist für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Und unbedingt müssten Planungen für Deiche schneller vorangehen. "Das nehme ich auf jeden Fall mit in die neue Legislaturperiode."
Darum, dass er auch künftig mitmischt in Berlin, muss er sich nicht sorgen: Die Sozialdemokraten haben ihn auf Platz 1 ihrer Landesliste gesetzt. Vor vier Jahren kandidierte Lischka erstmals für den Bundestag, damals landete er beim Kampf um das Magdeburger Direktmandat nur auf Platz 3.
In die große Politik kam der 1,93-Meter-Mann durch einen nächtlichen Anruf von Jens Bullerjahn. Der brütete um Ostern 2006 gemeinsam mit Wolfgang Böhmer über der Kabinettsliste. Lischka, der Jurist mit Prädikatsexamen, war damals Präsident der Notarkammer Sachsen-Anhalt und saß für die SPD im Magdeburger Stadtrat. Für Bullerjahn passte das - und nach fünf Minuten Bedenkzeit hatte Sachsen-Anhalt einen neuen Justiz-Staatssekretär.
Lischka kümmert sich um eine Gerichtsstrukturreform und muss die Sozialgerichte für die Flut von Hartz-IV-Klagen verstärken. Allerdings: Gestalten kann man auf dem Posten nur eingeschränkt. Ähnlich sieht es ab 2009 auf den harten Oppositionsbänken im Reichstagsgebäude aus. Aber der Abgeordnete aus Magdeburg hat verinnerlicht, was SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier predigt: Opposition ist die Vorbereitung aufs Regieren.
Positionen, die die Fraktion jetzt erarbeitet, muss sie im Fall einer Regierungsbeteiligung nicht mühsam auskämpfen. "Ich hoffe, dass ich die Früchte meiner Arbeit einmal einfahren kann", sagt er und meint sein Ackern auf dem Themenfeld Rechtspolitik. Erste Stufen auf der Berliner Karriereleiter hat er aber auch erklommen. Als einfacher Abgeordneter startete der Bundestagsneuling. 2011 wurde er rechtspolitischer Sprecher, einige Monate später gelang ihm der Sprung in den Fraktionsvorstand.
"Ich hoffe, dass ich mich mit meiner Skepsis zu Afghanistan irre."
Lischka ist ein öffentlicher Mensch wie kaum ein anderer. Rund 2000 Termine hat er in den vergangenen vier Jahren absolviert, in Magdeburg, Barby, Schönebeck, Calbe und der Gemeinde Bördeland. Er ist Gastgeber einer Talkshow-Reihe, für die er auch Gerhard Schröder und Franz Müntefering nach Magdeburg holt.
Kein Tag verstreicht, ohne dass er per Twitter die Bundesregierung attackiert oder von seinen politischen Terminen berichtet. Im Wahlkampf fordert er auch schon mal, den G-8-Gipfel nach Sachsen-Anhalt zu holen. Dennoch gibt es neben dem Lautsprecher auch den zweifelnden Parlamentarier, der darüber grübelt, was er noch verantworten kann. Bei der Euro-Rettung etwa, die die SPD mitgetragen hat. "Da stößt man als Abgeordneter an Grenzen, eigentlich bräuchte ich neben Jura auch noch ein BWL-Studium. Für die Euro-Rettung gibt es kein Vorbild, erst in ein paar Jahren wissen wir, ob wir es richtig gemacht haben."
Schwer fielen ihm die Entscheidungen zum Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Zweimal war Lischka dort, seine Skepsis ist gewachsen. Bei der letzten Verlängerung des Mandats gehört er zu den acht Sozialdemokraten, die sich enthalten. Lischka glaubt nicht mehr, dass der Milliarden Euro teure Einsatz am Hindukusch dem Land eine bessere Zukunft bringt. "Ich hoffe, dass ich mich irre", sagt er und denkt an die afghanischen Schüler, die ihm von ihren Lebensträumen erzählt haben.
Jetzt läuft Lischkas Wahlkampfmaschine. Die bedient sich auch beim politischen Gegner. In einem Video auf seiner Homepage ist der CDU-Übervater Böhmer zu sehen. Von Lischka halte er "sehr viel", sagt Böhmer da und lobt dessen Bemühungen, Politik transparent und interessant zu machen. Dem Magdeburger CDU-Kandidaten Tino Sorge, der am 22. September gegen Lischka bestehen will, gefällt das weniger. "Wenn Lischka denkt, dass er mit solchen Sachen arbeiten muss, ist das seine Sache", sagt Sorge knapp. Bei der SPD dürfte man feixen über Lischkas Chuzpe.
Das Böhmer-Lob belegt jedoch auch: Berührungsängste gegenüber der CDU hat Lischka nicht. Vielleicht braucht die SPD nach der Wahl solche Leute.
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