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Computerspiele Süchtig nach Internet

Bei einer Fachtagung haben mehr als 100 Experten in Magdeburg über das Suchtpotential von Computerspielen diskutiert.

Von Janette Beck 17.10.2018, 01:01

Magdeburg l Stundenlanges Daddeln am Computer oder Handy: Normal? Ein Grund zur Sorge? Oder gar krankhaft? Nur bei einem geringen Teil ist Letzteres der Fall, meinen die Experten der Tagung am Dienstag. Dennoch, auch darüber bestand Einigkeit, ist das Problem „Computer-Spielsucht“ ernst zu nehmen. Nicht umsonst hat die Weltgesundheitsorganisation WHO „Gaming Disorder“ (Online- und Video-Spielsucht) offiziell in ihren Katalog der Krankheiten aufgenommen.

Rund 34 Millionen Deutsche spielen Computer- oder Videospiele, aber nur auf einen kleiner Teil spielt exzessiv - sprich fällt in die Kategorie „Gaming-Disorder“. Aus Sicht der Experten sind die Grenzen zwischen normalem Spielen und Spielsucht fließen, was die Diagnose um so schwerer macht. Klare Kriterien für eine Erkrankung an „Gaming Disorder“ sind: Wachsende Priorität des „Onlinesein“ vor anderen Aktivitäten, Weitermachen auch bei negativen Konsequenzen, entgleitende Kontrolle bei Häufigkeit und Dauer des Spielens, Rückzug aus dem Sozialleben, psychische Entzugssymptome wie Gereiztheit, Unruhe, Traurigkeit.

Der Schwellenwerte zwischen Normalität und Sucht liege bei einer Mediennutzung von 4,5 Stunden – alles darüber sei für Eltern alarmierend.

Für Sozialpädagoge Christian Krüger von der Drogenberatungsstelle (Drobs) Hannover ist jemand spiel- oder onlinesüchtig, „wenn er Freunde und Familie vernachlässigt, der keinen normalen Schlafrhythmus mehr hat, sich wegen der exzessiven Mediennutzung schlecht ernährt oder sportliche Aktivitäten sausen lässt“. Dem „digitalen Junkie“ ist im Netzt gefangen, das mache ihm zuletzt auch keinen Spaß mehr, aber er komme nicht davon los und können die Dauer des Spielens nicht mehr kontrollieren. „Ein Teufelskreis, der vor allem junge Menschen betrifft.“

Was die Online- oder Spielsucht mit sich bringt, bekommen die Krankenkassen immer mehr zu spüren. „Übermäßiger Medienkonsum birgt aus unserer Sicht ein großes Suchtpotenzial mit weitreichenden negativen Folgen für die Gesundheit von Körper und Geist“, erklärt Jens Hennicke, Leiter der Techniker-Krankenkasse in Sachsen-Anhalt. Im Durchschnitt klagt jeder 7. Jugendliche über Kopfschmerzen.

22 Prozent der 12- bis 17-Jährigen fühlen sich ruhelos, launisch oder gereizt, wenn sie ihre Internetnutzung reduzieren sollen. Etwa jedes zehnte Kind nutze das Internet, um vor Problemen zu fliehen. „Adipositas, Haltungsschäden, Vereinsamung ... das sind alles Folgen einer exzessiven Mediennutzung“, erklärt Hennicke, warum die Kasse so viel Geld in die Prävention investiert.

Christian Krüger hält bei der Vorbeugung von „Gaming Disorder“ das frühzeitige Erlernen von Medienkompetenz für das A und O. Der Sozialpädagoge sieht das direkte Umfeld der Kinder gefordert – Erzieher, Lehrer, vor allem aber die Eltern: „Wenn wir internetmündige Kinder wollen, brauchen wir Eltern, die das dementsprechend vorleben.“ Wichtig dabei sei es, so Krüger, dass es familiäre Bindungen gibt und feste Regeln.

Das Problem: 70 Prozent der Eltern sind Umfragen zufolge unsicher, wie der richtige Umgang mit Medien aussehen könnte. Abstinenz oder strikte Verbote sind keine Option, darin stimmten die Tagungsteilnehmer grundsätzlich überein. Ihr Tenor: Es gilt, eine „digitale Balance“ zu finden.

 

Lehrfilm der Techniker Krankenkasse zum Thema „Medienkompetenz“ unter www.tk.de (Webcode 657894), weitere Infos und Beratung unter www.ls-suchtfragen-lsa.de