1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Sachsen-Anhalts Telefonseelsorge hilft

Coronakrise Sachsen-Anhalts Telefonseelsorge hilft

Plötzlich ist das Leben völlig anders. Viele Menschen fühlen sich verlassen, ratlos oder auch überfordert.

28.03.2020, 08:55

Magdeburg/Halle (dpa) l Die Telefonseelsorge verzeichnet wegen der Ängste und Sorgen um das Coronavirus deutlich mehr Anrufe. Dies seien Menschen jeden Alters. "Denn alle möglichen Themen, die jetzt auf die Leute geballt einströmen, das Leben verändern, landen bei uns", sagte Anette Carstens, Leiterin der Telefonseelsorge in Magdeburg, der Deutschen Presse-Agentur. 70 Ehrenamtliche kümmern sich um die Anrufer anonym aus dem Norden des Landes. "Sehr viele Menschen fühlen sich einsam, viel stärker als sonst", sagte Carstens mit Blick auf das weitreichende Kontaktverbot wegen des Coronavirus.

Krisen könnten auch eine Chance sein. "Wenn in der Nachbarschaft jemand erkrankt ist, bekommt man das vielleicht auch künftig mehr mit und hilft einander", sagte die Seelsorgerin. Bis zu 50 Gespräche täglich führt unterdessen in Halle die Telefonseelsorge zur Zeit, wie die Leiterin Dorothee Herfurth-Rogge sagte. Das sei angesichts der gestiegenen Sorge um das Coronavirus ein Drittel mehr als im Januar und Februar. "Viele möchten über ihre Angst reden", sagte sie. Einsamkeit und Unsicherheit seien ebenso die beherrschenden Themen.

Dies erfahren auch die ehrenamtlich tätigen, speziell ausgebildeten Helfer der Telefonseelsorge bundesweit. Während sich Anfang März rund 5 Prozent aller Anrufe um das neuartige Virus drehten, seien es zum Monatsende hin inzwischen mehr als 60 Prozent, wie die Herfurt-Rogge als Vorstandsvorsitzende der Evangelischen Konferenz für Telefonseelsorge weiß.

Seelische Unterstützung sei besonders für diejenigen wichtig, die pflegebedürftige Angehörige haben, die es so schon sehr schwer im Leben haben. "Und die Menschen, die in Heimen sind und keine Besuche bekommen dürfen, Menschen, die Angst davor haben, womöglich von Familienmitgliedern auch nicht Abschied nehmen zu können", sagte die Leiterin der Magdeburger Telefonseelsorge.

Auch Familien, deren Alltag plötzlich ganz neu geregelt werden müsse, gerieten in eine Krise, sagte eine Sprecherin der Franckeschen Stiftungen in Halle. Normalerweise seien auf dem Areal täglich Tausende Menschen in Bildungs- und Sozialeinrichtungen anzutreffen, die unter anderem im direkten Gespräch mit Fachleuten um Rat wie in Erziehungsfragen suchen. Nun ist es wie überall im Land, allein die Schulen sind wegen des Coronavirus dicht. "Wir versuchen zu helfen und können kurzfristig Telefontermine vereinbaren", sagte sie. Einkaufshilfen werden mit Partnern wie der Freiwilligenagentur koordiniert, Lernpatenschaften organisiert.

In der Krise gelte es auch den Blick für Positives im Miteinander zu schärfen. So geben Mitarbeiter der Telefonseelsorge den Angaben nach Ratsuchenden Hilfe zur Selbsthilfe, wie sie moderne Technik für Videogespräche mit Freunden und Angehörigen nutzen können – oder auch alte Hobbys neu zu entdecken – oder wieder auf Papier einen Brief zu schreiben und so einem anderen eine Freude zu bereiten, sagte die Leiterin der Telefonseelsorge in Halle.

Angesichts der Kontaktbeschränkungen erfahren auch mehr Menschen als sonst wie es ist, wenn sie plötzlich mit sich allein im Home Office arbeiten muss, niemanden im Beruf direkt zum Austausch gegenüber hat. Andererseits müssen Menschen nun auch damit zurechtkommen, dass alle Familienmitglieder womöglich zu Hause sind und rund um die Uhr miteinander auskommen müssen, sagte ihre Kollegin in Magdeburg.

"Das Gefühl, seinen Alltag und sein Leben nicht mehr selbst planen zu können so wie bisher, das auszuhalten ist wohl das Schlimmste für Viele", sagte Carstens. Denn bisher sei die Gesellschaft so geprägt, dass nahezu alles durchgeplant werd und fast jeder einen vollen Terminkalender habe. "Das ist jetzt weg und keiner weiß wie lange. Und wie sich das Ganze entwickeln wird", sagte die Seelsorgerin.