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Coronavirus Sachsen-Anhalter akzeptieren Maskenpflicht

Wie genau nehmen es Sachsen-Anhalter mit der Maskenpflicht in Bus und Bahn? Wir haben genauer hingeschaut.

04.09.2020, 07:02

Magdeburg l 8.57 Uhr, Dienstagmorgen. An der Haltestelle Neustädter See beginnt meine kleine Reise quer durch Magdeburg. Ohne Ziel, dafür aber mit einer Mission: Ich will herausfinden, wie genau es die Magdeburger in der Bahn mit der Maskenpflicht nehmen. Gerade eingestiegen, ertönt die Durchsage: „Bitte schützen Sie sich und andere vor Infektionen durch das Tragen einer Mund- und Nadenbedeckung.“ Eine Erinnerung, die zumindest an diesem Morgen nicht nötig ist. 15 Personen steigen mit mir zusammen in die Linie 9 ein. Maskenmuffel? Fehlanzeige!

Alle Fahrgäste haben ihre Mund-Nasen-Bedeckung aufgesetzt. Ein Zufall, will man Alischa Kotschik glauben. Die 16-Jährige ist jeden Tag mit dem öffentlichen Personennahverkehr unterwegs. „Ich beobachte immer wieder, dass sich viele Menschen nicht wirklich an die Maskenpflicht in der Straßenbahn halten“, sagt die Schülerin.

Für eine ältere Dame, die an der AOK-Haltstelle in der Alten Neustadt auf ihre Bahn wartet, sind die Übeltäter schnell ausgemacht: „Es sind vor allem die jungen Menschen, die sich nicht daran halten und oft keine Maske dabei haben“, sagt sie. Deshalb nennt sie die Entscheidung, auch künftig kein Bußgeld beim Verstoß gegen die Maskenpflicht zu erheben, einen Fehler. „Ich glaube, diese Entscheidung wird Reiner Haseloff noch bereuen“, sagt die Frau, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „50 Euro Bußgeld wären gut gewesen, dann würden auch mehr Menschen eine Maske tragen.“

Zuletzt hatten sich die Ministerpräsidenten und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf ein Mindestbußgeld von 50 Euro für Masken-Verweigerer geeinigt. Als einziges Land will Sachsen-Anhalt das nicht einführen. Haseloff begründete sein Veto mit der geringen Zahl an Neuinfektionen und einer hohen Akzeptanz der Maskenpflicht.

„Ich finde, das ist im Moment der richtige Weg“, sagt auch Magdeburgs Oberbürgermeister Lutz Trümper (SPD) und kann sich eine kleine Spitze gen Süden nicht verkneifen: „Nur, weil Herr Söder das in Bayern macht, müssen wir das nicht auch so machen. Er soll erstmal die Infektionszahlen auf unser Niveau drücken.“ Bayern hatte zuletzt noch einmal verschärfte Bußgelder bei Verstößen gegen die Maskenpflicht eingeführt. So werden im Freistaat für Maskenmuffel 250 Euro fällig, bei wiederholtem Verstoß sogar 500 Euro.

Das Bild, das sich an diesem Dienstag in Bahn und Bus zeigt, gibt Haseloff mit seinem Alleingang offensichtlich recht. Auch in der Linie 10 in Richtung Sudenburg gibt es weit und breit keine Maskenverweigerer. „Die meisten Menschen halten sich an die Maskenpflicht“, sagt Christa Schütze, die gerade auf dem Weg zum Friseur ist. Deshalb sei es richtig, dass kein Bußgeld erhoben wird.

Immerhin müsse man nicht alle Bundesländer über einen Kamm scheren. Die 25-jährige Sarah H. sieht das etwas anders: „Eine bundesweit einheitliche Regelung wäre gut gewesen, denn vor allem zuletzt werden es immer weniger Menschen, die eine Maske tragen.“

Das hat auch Rosemarie Lehrmann beobachtet. Sie ist fast jeden Tag mit der Bahn in Magdeburg unterwegs. „Die Zahlen steigen wieder, deshalb sollte mehr kontrolliert werden“, sagt die 69-Jährige aus Rothensee.

Die MVB nehmen die Kontrolle im Rahmen der normalen Fahrausweiskontrolle. „Die Fahrausweisprüfer wurden zuvor gesondert zum Verhalten während der Corona-Pandemie geschult“, erklärte MVB-Sprecher Tim Stein. „Mehrere Teams sind täglich zu unterschiedlichen Zeiten im Einsatz.“ Wie viele Fahrscheinkontrolleure genau im Einsatz sind, wollte Stein nicht beantworten.

Da in Sachsen-Anhalt jedoch auch künftig kein Bußgeld bei Verstößen erhoben wird, sind die Konsequenzen für Maskenverweiger überschaubar. Das weiß auch Christian P., der gerade am Eiskellerplatz in die Linie 1 gestiegen ist. Es ist der erste Maskenverweigerer, den ich an diesem Tag sehe. „Ich muss gleich noch bei der Arbeit zehn Stunden eine Makse tragen, das reicht ja wohl“, erklärt der 42-Jährige. Er wurde in der Vergangenheit von anderen Fahrgästen bereits auf sein Maskenmuffel-Dasein angesprochen. „Aber was wollen die schon machen?“

Eine Haltung, die nicht von ungefähr kommt. Im schlimmsten Fall könnten die Fahrkartenkontrolleure Christian P. des Fahrzeugs verweisen. Das war‘s dann aber auch schon. Auch deshalb sagt MVB-Sprecher Stein: „Wir hätten uns ein Bußgeld gewünscht, das von den Ordnungsbehörden kontrolliert und durchgesetzt wird.“

Täglich sind rund 120 000 Menschen mit den Straßenbahnen und Bussen der MVB unterwegs. Im Tagesverkehr würden sich mehr als 95 Prozent aller Fahrgäste an die Tragepflicht halten, so Stein. „Im Abend- und Nachtverkehr merken wir jedoch ein deutliches Nachlassen.“

Mit der Linie 1 fahre ich zum Olvenstedter Platz. Dort warten gerade zwei ältere Damen, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen möchten, auf ihre Weiterfahrt. Auch hier wird deutlich, dass das Thema Maskenpflicht Potenzial für einen Generationenstreit hat. „Es sind meistens die jungen Menschen, die sich nicht an die Maskenpflicht halten“, sagt eine der Frauen. Andreas Poetzsch sieht das anders. Die meisten Menschen würden sich sehr wohl an die Maskenpflicht halten, „daher ist es nicht nötig, ein Bußgeld für Maskenverweigerer zu erheben“, sagt er.

Und was ist nun mit der Jugend? Ein 16-Jähriger, der anonym bleiben möchte und gerade auf dem Weg zum Praktikumsplatz ist, sieht seine Generation in der Pflicht: „Es stimmt schon. Die meisten älteren Menschen halten sich an die Maskenpflicht, es sind eher die jüngeren, die oft keine Maske dabei haben.“ Doch auch in der Linie 4, die in den Osten der Stadt führt, sind keine Maskenverweigerer in Sicht. Alle 16 Fahrgäste tragen eine Mund- und Nasenbedeckung.

Janine Schatz ist Erzieherin und fährt jeden Tag mit der Bahn zur Arbeit und wieder zurück. Sie sieht die Verantwortung nicht allein bei den Jugendlichen und sagt: „Es sind sowohl ältere als auch junge Menschen, die immer mal wieder ohne Maske in die Bahn steigen.“ Sie glaubt, ein Bußgeld von mindestesn 50 Euro wäre angemessen gewesen, „das würde einige etwas einschüchtern und dazubringen, die Maske immer zu tragen“.