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Ministerpräsident Haseloff erläutert, warum er Birgitta Wolff entlassen hat und wie Möllring ihr Nachfolger wurde "Das war ein ganz schwieriges Telefonat"

25.04.2013, 01:18

Magdeburg. Kürzungspläne bei den Hochschulen, Rauswurf der Wissenschaftsministerin, empörte Reaktionen. Über das und mehr sprach Michael Bock mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU).

Volksstimme: Herr Ministerpräsident, die Entlassung von Wissenschafts- und Wirtschaftsministerin Birgitta Wolff schlägt nach wie vor hohe Wellen. Sie beklagen ein gestörtes Vertrauensverhältnis. Wie ist es dazu gekommen?

Reiner Haseloff: Dem ist eine monatelange Entwicklung vorangegangen. Es hat schon lange Kritik aus der Wirtschaft gegeben. Letztlich hat sie aber gemeinsame klare Vereinbarungen mit mir und dem Kabinett nicht umgesetzt.

Volksstimme: Was hat das Fass zum Überlaufen gebracht?

Haseloff: Vor gut einer Woche, am Mittwoch, erschien ein Interview in der Volksstimme, in dem Frau Wolff den einstimmig im Kabinett beschlossenen Sparkurs öffentlich in Frage stellte. Schon um 6.47 Uhr hatte ich die erste E-Mail eines Kabinettsmitglieds auf dem Blackberry, das sich über das unsolidarische Verhalten der Ministerin beschwerte. Andere, ähnliche Reaktionen von Staatssekretären und Ministern folgten später. Die Kabinettssolidarität drohte zusammenzubrechen.

"Ich habe gemerkt, dass Frau Wolff nicht mehr beeinflussbar ist."

Volksstimme: Was passierte dann?

Haseloff: Ich habe Frau Wolff in die Staatskanzlei einbestellt. Gemeinsam mit Staatsminister Rainer Robra haben wir gegen 9 Uhr ein Sechs-Augen-Gespräch geführt. Nicht zum ersten Mal übrigens.

Volksstimme: Mit welchem Ergebnis?

Haseloff: Ich habe gemerkt, dass Frau Wolff nicht mehr beeinflussbar ist. Sie hat überhaupt nicht eingesehen, dass sie aus einer im Kabinett getroffenen Vereinbarung ausgebrochen ist. Ich habe keine Rückbewegung in die vereinbarte Solidarität gesehen. Nach dem etwa einstündigen Gespräch war mir klar, dass ich handeln muss. Ich habe das als Schlusspunkt gesehen. Am Abend habe ich mit meinem Stellvertreter, Finanzminister Jens Bullerjahn von der SPD, in Quedlinburg am Rande einer UNESCO-Veranstaltung gesprochen. Wir waren uns einig darin, dass wir den Laden zusammenhalten müssen.

Volksstimme: Das Gespräch mit Frau Wolff haben Sie als Schlusspunkt von was gesehen?

Haseloff: Es war der Schlusspunkt einer Debatte, die wir seit langem mit Frau Wolff geführt haben. Die Entlassung war keine Ad-hoc-Entscheidung, sondern das Ende eines monatelangen Prozesses. Ich habe mir das sehr, sehr lange überlegt. Das ist nicht spurlos an mir vorbeigegangen. Schließlich habe ich Frau Wolff lange gefördert.

Volksstimme: Und dann?

Haseloff: Ich habe nach personellen Alternativen gesucht, im Land, auch außerhalb. Ich wusste: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Am Donnerstagabend habe ich gegen 18 Uhr Hartmut Möllring, den ehemaligen niedersächsischen Finanzminister, auf dem Handy angerufen. Ursprünglich wollte ich von ihm nur einen Hinweis haben. Ich habe ihm mein Anforderungsprofil für das Ministeramt erklärt und dann gesagt: Eigentlich brauche ich einen wie Sie. Aber Sie sind ja jetzt in Pension...

Volksstimme: Was sagte Möllring?

Haseloff: Der sagte sofort: Das muss ja nicht so bleiben. Wir sind so verblieben, dass Herr Möllring noch mal mit seiner Frau über die Angelegenheit spricht.

"Ich war durch die Schnelligkeit der Medien in Zugzwang."

Volksstimme: Welche Rolle spielte Finanzminister Bullerjahn bei der Personalsuche?

Haseloff: Wir waren an diesem Abend gemeinsam in Freyburg bei der Verabschiedung des Rotkäppchen-Geschäftsführers. Gegen 22 Uhr habe ich Jens Bullerjahn über meine geplante Entscheidung informiert.

Volksstimme: Wie hat Bullerjahn auf den Vorschlag reagiert?

Haseloff: Er war erst sehr überrascht, dann aber grundsätzlich einverstanden.

Volksstimme: Herr Möllring kam dann am Freitagvormittag in die Staatskanzlei nach Magdeburg ...

Haseloff: Ja, und dann haben die Dinge leider eine Eigendynamik bekommen. Die Personalie war irgendwie durchgesickert. Ich wollte sofort Frau Wolff in die Staatskanzlei bitten. Sie war aber im Süden des Landes unterwegs. Ich habe sie dann angerufen, weil sie die Nachricht nicht übers Radio erfahren sollte. Das war ein ganz schwieriges Telefonat.

Volksstimme: Eine Entlassung per Anruf - das wird jetzt scharf kritisiert. Haben Sie Verständnis dafür?

Haseloff: Ja. Ich bedauere das zutiefst, daran habe ich am meisten zu knabbern, weil es nicht meine Art ist. Aber es ging nicht anders. Ich war seit diesem Zeitpunkt durch die Schnelligkeit der Medien im Zugzwang.

Volksstimme: Hat Sie die massive Kritik nach Ihrer Entscheidung überrascht?

Haseloff: Das Ausmaß ja, obwohl ich weiß, dass gerade der Hochschulbereich sehr sensibel auf Veränderungen reagiert und ein großes Mobilisierungspotenzial hat. Wer das Thema anfasst, muss wissen, dass er sich auf schwieriges Terrain begibt. Mit Sparvorschlägen bei den Hochschulen macht man sich keine Freunde.

Volksstimme: Sie und ihre Familie sind sogar bedroht worden.

Haseloff: Ja, es gab persönliche Beleidigungen und auch Bedrohungen bis in den familiären Bereich. Das lässt einen nicht unbeeindruckt. Das hat schon eine besondere Qualität angenommen.

"Ich bin kein Masochist, der sich Dinge auflädt, nur um Stress zu haben."

Volksstimme: Der Sparkurs steht dennoch?

Haseloff: Natürlich. Wir sind bei den Ausgaben pro Kopf ans Schlusslicht aller Länder gerückt. Wir müssen in allen Bereichen sparen, um auch in Zukunft handlungsfähig zu bleiben. Wir haben zu viele Jahre zu viel und zu lange aus dem Vollen geschöpft.

Bislang war es so, dass der Haushalt immer irgendwie glattgezogen wurde - und zwar meistens über Schulden. Wir haben im Bundestag, Bundesrat und in der Landeshaushaltsordnung die Schuldenbremse beschlossen. Strukturen müssen angepasst werden, es darf keine Tabus geben. Das müssen wir machen, weil es einfach notwendig ist, um die Zukunft des Landes nicht zu verspielen. Ich bin schließlich kein Masochist, der sich Dinge auflädt, nur um Stress zu haben.

Beim Sparen müssen alle Kabinettsmitglieder mitwirken. Dazu gehört eine intensive Diskussion, wie ich sie immer praktiziert habe, mit allen damit verbundenen Kompromissmöglichkeiten. Dass jemand aber die Grundsolidarität verlässt, kann ich auch künftig nicht dulden.