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Delegiertentag Allein unter Frauen

CDU-Landeschef Webel kam zum Treffen der Frauen-Union nach Magdeburg. Überzeugen konnte er nicht.

Von Michael Bock 20.11.2017, 00:01

Magdeburg l Salon Stuttgart, Maritim-Hotel in Magdeburg. Leitwort des Treffens: „Frauen reden Tacheles.“ CDU-Chef Thomas Webel sitzt vorn rechts im Raum, neben ihm der Landesgeschäftsführer. Die Veranstaltung bei der Frauen-Union ist für Webel ein Pflichttermin mit stark eingeschränktem Spaßfaktor. Webel sieht das so: „Ich gehe auch dahin, wo es wehtut.“

Als Frauenversteher gilt der Parteichef – zumindest in der Frauen Union – nur bei den allerwenigsten. Hier haftet ihm eher ein Macho-Image an. Das Verhältnis zur Führung der Frauen Union ist arg getrübt. Vor genau einem Jahr zettelte Landeschefin Sabine Wölfer eine kleine Revolte an. Sie forderte beim Landesparteitag: 50 Prozent der Frauen sollen Parteiämter bekommen – beginnend ab der Kreis­ebene. Daraus wurde nichts. Die CDU-Landessatzung sieht bis heute vor, dass Frauen an Parteiämtern mindestens zu einem Drittel beteiligt sein sollen.

Im Mai dieses Jahres der nächste Zoff: Wölfer beklagte die Diskriminierung von Frauen. Grund: die Landesliste für die Bundestagswahl. Unter den ersten zehn Kandidaten befanden sich nur zwei Frauen. Wölfer warf dem Landesvorstand vor, gegen die eigene Satzung zu verstoßen. Danach soll unter drei aufeinander folgenden Listenplätzen jeweils mindestens eine Frau vorgeschlagen werden.

Webel ließ Wölfer abblitzen. Vorn auf der Liste stünden stets die Direktkandidaten der neun Wahlkreise: „Das ist ein ungeschriebenes Gesetz.“

Im neuen Bundestag sitzen neun Abgeordnete aus Sachsen-Anhalt. Davon mit Heike Brehmer nur eine Frau.

Und jetzt ist Webel in der Höhle der Löwinnen. Vorn steht Ingrid Petzold, Vize-Bundeschefin der Frauen-Union. „Wo werden wir gebraucht?“, fragt sie in den Saal. Raunen. „Als Schriftführerinnen“, schallt es zurück. Gelächter. „Frauen wollen auf allen Ebenen mitentscheiden“, wir fordern eine Partnerschaft auf Augenhöhe, sagt Petzold. Die Forderung nach mehr Frauen in der Politik werde „manchmal als Bedrohung empfunden, nicht als Bereicherung“.

Webel schaut immer wieder auf sein Handy. Dann wieder macht er sich Notizen auf seinem Sprechzettel. Er hält eine knappe Rede. Kernbotschaft an die Frauen: Entscheidungen in den Wahlkreisen werden vor Ort getroffen. „Da mischt sich der Landesvorstand nicht ein.“ Basta. Eine Mutmacher-Rede für die Frauen hört sich anders an.

„Kontraproduktiv“, wird Webels Auftritt später genannt. Da ist der Parteichef längst zu einem privaten Termin entschwunden. Anfragen seien, bitteschön, an den Landesgeschäftsführer zu richten. Der fordert eine „konstruktivere und offenere Zusammenarbeit“ – und hört sich geduldig geballte Kritik an. „Nur die gewollten Frauen werden aufgebaut“, sagt etwa Britta Klobe (Anhalt-Bitterfeld). „Die ruhigen, die lieben.“ Sie selbst sagt von sich: „Ich bin laut.“

„Mir ist der Geduldsfaden gerissen“, erregt sich Carmen Niebergall, zu Beginn der 90er-Jahre Staatssekretärin in Sachsen-Anhalt. „Mit reicht es mit dieser Partei. Wir haben erfahrene, hoch qualifizierte Frauen. Wir dürfen uns nicht verstecken. Wir müssen den Mund aufmachen.“

In Sachsen-Anhalt wird die CDU überproportional von Frauen gewählt. Frauen machen hierzulande mehr als die Hälfte der Bevölkerung aus. Im Vergleich dazu sind Frauen in der Union deutlich unterrepräsentiert. Die Landes-CDU hat 6755 Mitglieder. Davon sind 1965 Frauen. Das entspricht einem Anteil von 29,1 Prozent. Zwei Frauen bekleiden derzeit Spitzenpositionen im Land: Gabriele Brakebusch (Landtagspräsidentin) und Anne-Marie Keding (Ministerin für Justiz und Gleichstellung). In der 31-köpfigen Landtagsfraktion sitzen nur drei Frauen. Eine von ihnen ist Eva Feußner. Die Parteispitze mache sich nicht allzu viel Gedanken um die Nachwuchsgewinnung junger Frauen“, kritisiert sie.

Andere in der Frauen Union sehen die Debatte gelassener. Wie Bettina Lange, Kreisvorsitzende in Wittenberg. Ihr Credo ist: „Durch solide Arbeit kann man in der CDU was erreichen.“ Sie betont das „Miteinander“ in der Kreis-CDU. Lange hat sich beruflich in einer Männerdomäne durchgesetzt. Als eine der ganz wenigen Frauen bundesweit ist sie technische Leiterin in einem Krankenhaus.

Das zurückliegende Jahr hat auch in der Frauen-Union für Debatten gesorgt. Nicht jede ist mit dem Konfrontationskurs Sabine Wölfers einverstanden. Zwei ihrer Stellvertretinnen traten aus Protest über das Vorgehen zurück.

Bis zum Sonnabend ist noch offen, ob es eine Gegenkandidatin gibt. Letztlich tritt keine gegen Wölfer an, sie wird mit 75 Prozent wiedergewählt. „Ich bin sehr persönlich angegriffen worden“, sagt die 55-jährige Unternehmerin rückblickend. Aber: „Ich verändere meine Haltung nicht.“