Warum es sich lohnt, sich nicht verführen zu lassen Der Kampf mit dem inneren Schweinehund
Magdeburg l Ein perfekter Nachmittag fürs Lauftraining. Die Kinder sind mit meiner Frau zur Oma unterwegs. "Gleich hole ich meine Schuhe aus dem Keller", denke ich und lasse mich noch mal kurz in die Couch plumpsen. Da höre ich sie, die säuselnde Stimme. "Bequem hier, nicht wahr?" Hä? "Hmm, wie gemütlich es hier ist, wir sollten uns einkuscheln." Draußen trommeln Regentropfen gegen die Fensterscheiben. Neben mir auf der Couch hat er Platz genommen. Er, der sonst nur mit einer Stimme in meinem Kopf spricht.
Der personifizierte Schweinehund sitzt neben mir. Fett ist er, feist. Er verstrahlt wohlige Gemütlichkeit und flötet: "Wie wär\'s mit einem leckeren Kakao?"
Nein! Ich muss laufen! Die letzte Trainingseinheit vor dem Harzgebirgslauf in Wernigerode steht an. Ein paar Kilometer noch nach der Schinderei der zurückliegenden Monate. Morgen für Morgen habe ich mich aus dem Bett gequält. Der Schweinehund hat sich noch mal umgedreht. "Lauf doch, wenn\'s dir Spaß macht", murmelte er schlaftrunken und kuschelte sich an meine Frau. Dieses Schwein!
Jetzt hockt er hier mit mir auf der Couch. Die Äuglein funkeln. Mit diebischer Freude erinnert er mich an eine Tafel Schokolade, versteckt ganz hinten im Kühlschrank. Na gut, ein Schokostückchen kann nicht schaden. Ob ich nun eine Stunde früher oder später loslaufe ... Der Regen prasselt.
Doch halt! Wie habe ich mich gequält. Bin gerannt, bei Wind und Wetter. Es war oft verdammt schwer, ja. Aber wenn ich wiederkam, ging es mir richtig gut. Ich hatte gesiegt - und wenn es nur für eine Stunde war. Der Schweinehund rollt mit den Augen. Dann geh doch! Ich raffe mich auf. Als ich die Schuhe anziehe, startet der Feiste mit dem schokoladenverschmierten Mäulchen noch einen Versuch: "Brrr, der eisige Wind!"
Pah, ich laufe. Wenn ich in die Fenster schaue, sehe ich viele Schweinehund-Brüder hinter den Scheiben. Sie sehen missmutig aus. Ich grüße Läufer, die mir entgegenkommen.
Beim Start im Harz steht der Dicke neben mir. Sehr übellaunig. Schrumpelig ist er geworden. Es ist sein Abschied. Die Startpistole knallt. Alle laufen alle los. Alle haben ihn besiegt, den Schweinehund!