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Deutschlandatlas Sachsen-Anhalt hängt hinterher

Der vergleichende Blick auf die Lebensverhältnisse in der Republik ist für Sachsen-Anhalt ernüchternd.

Von Steffen Honig 23.07.2019, 01:01

Magdeburg l „Karten zu gleichwertigen Lebensverhältnissen“ ist der Deutschlandatlas untertitelt. Insgesamt enthält das Kompendium 56, fünf davon sollen hier als Beispiel stehen. Der Atlas ist im Resultat aber eher eine Dokumentation der höchst ungleichen Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik.

Dabei verlaufen die Trennlinien vielfach genau dort, wo bis vor 30 Jahren die innerdeutsche Grenze Bundesrepublik und DDR spaltete – meist zum Nachteil des Ostens. Ausnahmen, wie bei der Kleinkindbetreuung, bestätigen die Regel. Es hat den Anschein, als wäre die Grenze noch immer da.

Dennoch belegt die Grafiksammlung, dass auch Westdeutschland in den 70 Jahren seit Gründung der Bundesrepublik einige Wohlstandsverschiebungen erlebt hat, insbesondere zugunsten der Südländer Bayern und Baden-Württemberg. Das bestätigt die Auftraggeber der Studie in ihrer Absicht, Fördermittel künftig nicht mehr nach Himmelrichtung – also in den Osten – sondern nach Bedürftigkeit auszureichen (siehe Infokasten)

Wie leben nun die Sachsen-Anhaltiner laut Deutschlandatlas? Bescheiden ist wohl die passende Beschreibung.

Das beginnt natürlich bei den Einkommen, wo Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern flächsendeckend nicht über den 20.000-Euro Durchschnitt hinauskommen.

Die Steuereinnahmen liegen in Sachsen-Anhalt in ländlichen Gebieten unter 600 Euro pro Einwohner. Das Land befindet sich hier in Gesellschaft mit Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen Rheinland-Pfalz und Brandenburg, wobei dort das Berliner Umland weit besser dasteht. Auch einige Gemeinden Bayerns und Nordniedersachsens gehören zu den Schlusslichtern.

Sachsen-Anhalt macht zudem die Überalterung der Bevölkerung zu schaffen. Der Anteil der über 65-Jährigen liegt bei um die 30 Prozent, der Bundesdurchschnitt beträgt gut 21 Prozent. Das Missverhältnis findet am unteren Ende der Alterspyramide seine Entsprechung: In Gesamtdeutschland sind 13,5 Millionen Menschen (16,4 Prozent) Jugendliche unter 18 Jahren. Weit geringer ist der Anteil in ostdeutschen Regionen fern von Städten. In diesem Hinterfeld liegt der Landkreis Mansfeld-Südharz mit rund 13,5 Prozent unter 18-Jährigen.

Das Wohnen ist in Sachsen-Anhalt hingegen günstig. Für das Land wird eine Spanne von 5 bis 6,50 Euro Kaltmiete pro m2 ausgewiesen. Deutscher Spitzenreiter ist München, wo 17,73 Euro der Durchschnitt sind. Auch bei Bauland liegen die Preise in Sachsen-Anhalt wie in den meisten Teilen Ostdeutschlands weit unter Westniveau, durchschnittlich sind es laut Deutschlandatlas unter 100 Euro pro m2.

Verbunden mit den guten Möglichkeiten der Kinderbetreuung macht dies Sachsen-Anhalt für Familien attraktiv. Allerdings ist die gute Versorgung mit Kitas in Sachsen-Anhalt einen Schönheitsfehler: Ein Erzieher muss sich im Schnitt mehr zehn Kinder kümmern, in Westdeutschland kommen durchschnittlich nur 8 Mädchen und Jungen auf einen Betreuer.

Die Arbeitslosigkeit ist in den zurückliegenden Jahren in Sachsen-Anhalt wie im gesamten Bundesgebiet deutlich gesunken.

Überdurchschnittliche Quoten gibt es in ehemaligen westdeutschen Industriestädten und in ländlichen Regionen abseits großer Städte. Davon betroffen ist mit über zehn Prozent Arbeitslosender Kreis Mansfeld-Südharz An der Qualifikation kann es nicht liegen: Sachsen-Anhalt hat einen hohen Anteil von Beschäftigten mit Berufsausbildung (mehr als 70 Prozent) und gehört zur deutschlandweiten Spitze. Auch bei akademischer Bildung gibt es eine solide Basis.

Interessant ist ein Blick auf die Minijobs: Sie sind in Westdeutschland – und hierbei besonders deutlich stärker verbreitet als im Osten. In den bayerischen Landkreisen Emmendingen, Aichach-Friedberg, Erding und Dachau gehen zehn bis zwölf Prozent aller Erwerbstätigen einer geringfügigen Beschäftigung nach, im Salzlandkreis und in Mansfeld-Südharz sind es nur etwas mehr als zwei Prozent.

In der Gesundheitsversorgung wird in Sachsen-Anhalt der Landesnorden immer mehr abgehängt. Der Weg zum Hausarzt kann über 30 Fahrminuten mit dem Auto betragen – der Mittelwert für Deutschland liegt bei sechs Minuten. Auch das nächste Krankenhaus zu erreichen, ist im Altmark-Raum häufig beschwerlich und zeiitaufwändig.

Im Internet-Zeitalter ist eine flächendeckende Breitbandversorgung unerlässlich. Auf dem Land in Sachsen-Anhalt gibt es jedoch weiterhin digitale Wüsten statt Datenautobahnen. Der Deutschlandatlas erwähnt hier ausdrücklich das Jerichower Land. Dort sind bei einer Siedlungsdichte von 57,4 Einwohnern pro km2 gerade mal 27 Prozent der Haushalte mit Breitband-Internet versorgt. Im Landkreis Neustadt an der Waldnaab mit 66 Einwohner pro km2 beträgt der Abdeckungsgrad 80 Prozent.

Wie also steht es um Sachsen-Anhalts Zukunftschancen zu bewerten? Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) hat die aktuellen Atlas-Erkenntnisse im Grunde bereits im Mai 2018 bei einem Forum der „Zeit“ vorweggenommen. Bei vielen Indikatoren bleibe die alte DDR-Grenze bis heute „komplett abgebildet“, sagte Haseloff damals. „Und das ist auch in den nächsten 100 Jahren nicht glatt zu streichen.“

Infos im Internet unter: www.heimat.bund.de