Die beschämende Ehrlichkeit des Mr. Lee
Magdeburg l Asiaten ticken etwas anders als Europäer, klar. Wie groß aber die Unterschiede in der Lebensweise tatsächlich sind, hat Südkoreas Präsident Lee Myung Bak gestern unter Beweis gestellt. Vor laufenden Fernsehkameras entschuldigte er sich gesenkten Hauptes bei der Bevölkerung für seinen korrupten Bruder, der wegen Bestechlichkeit in Haft sitzt. Donnerwetter! Eine entschuldigungstechnische Großtat.
Wenn es bei uns mal - ganz, ganz selten natürlich - den Verdacht oder den Nachweis der Vorteilsnahme in bedeutenden Positionen gibt, ist man mit Entschuldigungen wesentlich zurückhaltender. Diese Fälle haben in der Regel drei Stufen.
Zunächst wird die Offensive gesucht und alles schlankweg abgestritten - Frechheit könnte ja siegen. Unvergessen ist etwa das Victory-Zeichen, das der Herr Ackermann, Ex-Chef der Deutschen Bank, mal grinsend im Gerichtssaal zeigte. Oder nehmen wir Herrn Wulff, der gut anderthalb Jahre Bundespräsident war. Er setzte für den Amtserhalt eine richtige Reinwaschungsmaschinerie in Gang - allerdings ohne Erfolg.
Stufe zwei ist, die Sache auszusitzen zu versuchen. In dieser Phase befindet sich gerade der Herr Mappus, der zusammen mit einem Banker-Kumpel das Land Baden-Württemberg mächtig geschädigt haben soll. Am vergangenen Wochenende hätte er sich beim CDU-Parteitag in aller Offenheit erklären können, ohne gleich vor den Delegierten aufs Parkett zu fallen. Nichts da.
Die dritte Stufe, die möglichst erfolgreiche Bewältigung unschöner Korruptionsaffären weist eine große Formenvielfalt auf. Sie reicht von exklusiven Talkshow-Auftritten über die Veröffentlichung der Memoiren (Arbeitstitel: Mein Name war immer Hase) bis zum Rückzug aus der Öffentlichkeit, siehe Herr Hartz, bekannter Sozialreformer und Betriebsratsbestecher.
Eine öffentliche Entschuldigung vor dem Volk gehört in Deutschland nicht zum Repertoire der Erwischten und Bestraften.
Die Asiaten sind da ein beschämendes Stück demütiger. Gratulation Mr. Lee, mehr als nur das Gesicht gewahrt.