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Arbeitnehmer und Opposition kritisieren Regierungspläne, Privatisierung von Uni-Kliniken zu prüfen / Personalratsvorsitzender des Magdeburger Uniklinikums: "Die Mitarbeiter in unserem Haus sind von den Plänen schockiert"

Von Martin Rieß 15.06.2011, 06:35

Magdeburg. Die Privatisierung der Unikliniken im Lande ist eine Option, die geprüft werden soll. Das Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium bestätigte gestern entsprechende Berichte. Diese Pläne sorgen für Unverständnis in den Einrichtungen und für Kritik von Gewerkschaften und Opposition.

Markus Schulze ist Vorsitzender des Personalrates am Universitätsklinikum Magdeburg und berichtet von der Stimmung bei den Beschäftigten: "Die Mitarbeiter in unserem Haus sind von den Plänen schockiert, dass eine Privatisierung geprüft werden soll." Jetzt griffen wieder jene Zukunftsängste um sich, die es bereits bei der rechtlichen Trennung von medizinischer Fakultät und Uniklinikum im Jahr 2006 gegeben habe. Um die Einrichtung damals zu sichern, habe die Belegschaft auf Gehalt verzichtet. "Bis heute liegen die Gehälter nach unserem Haustarifvertrag 15 Prozent unter denen anderer Landesbediensteter", so Schulze. Man sei zur Zukunftssicherung damals in Vorleistung gegangen. "Und das ist nun also der Dank dafür."

Lange: Gefahr für unrentable Bereiche

Dass die Mitarbeiter zu einem privaten Betreiber wechseln würden, hält Schulze für unwahrscheinlich. Er nennt das Beispiel Gießen und Marburg. Mit zwei Standorten agiere dort das einzige privatisierte Universitätsklinikum Deutschlands. Schulze: "Inzwischen gibt es ein Urteil vom Bundesverfassungsgericht, dass diese Privatisierung nicht rechtsmäßig gewesen ist."

Zweifel am Sinn der Privatisierung auch von Gewerkschaftsseite. "Bisher gibt es keinerlei Beweise, dass private Uniklinika ideelle oder materielle Gewinne für die Länder bringen, dafür aber viele Risiken für die Beschäftigten. Nur Aktionäre reiben sich später die Hände", lässt Thomas Lippmann, Sachsen-Anhalts Vorsitzender der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaften (GEW), wissen. Für inakzeptabel halte die Gewerkschaft den Schaden, der für die Einheit von Forschung, Lehre, medizinischer Versorgung und Wissenschaftsfreiheit auf das Land zukomme. Die GEW werde nicht zulassen, dass das Hochschulsystem gegen Kommunalfinanzen eingetauscht werden. "Wir lassen Kindergärtnerinnen nicht gegen Ärzte, Wissenschaftler, Krankenschwestern und medizinisch-technische Assistenten ausspielen", so Lippmann.

Hendrik Lange ist wissenschafts- und hochschulpolitische Sprecher der Links-Fraktion im Landtag und sieht die Gefahr, dass privatisierte Kliniken der öffentlichen Daseinsvorsorge nicht mehr gerecht würden. "Die Privatisierung ist mit nicht vertretbaren Risiken verbunden. Wirtschaftlich unrentable Klinikbereiche drohen dem Rotstift zum Opfer zu fallen." Landesregierung und Koalition sollten von den Plänen öffentlich Abstand nehmen. Lange verweist auf das Wahlprogramm der SPD, in dem es heißt: "Mit uns wird es keine Privatisierung der Universitätsklinika geben." Falls es dennoch zu einer Privatisierung komme, sollte die Partei die Koalition verlassen, so der Ratschlag des Linken-Politikers an die Sozialdemokraten.

Diese treibt indes nicht die Angst vor einem Glaubwürdigkeitsverlust um. SPD-Fraktionschefin Katrin Budde erklärt: "Die SPD ist und bleibt weiterhin dagegen, die Universitätsklinika zu privatisieren, um einmalige Erlöse zu erzielen. Da gilt das Wahlprogramm."

Budde: Keine Mehrheit für eine Privatisierung

Im Koalitionsvertrag sei ohnehin nicht von einer Privatisierung, sondern höchstens von einer Kooperation die Rede. "Unabhängig davon löst das allerdings nicht das Problem, wie wir in Sachsen-Anhalt in Zukunft die Universitätsklinika aufstellen und finanzieren", so Budde. Hier sei es auch an den Einrichtungen selbst, "zum Teil noch erhebliche Hausaufgaben zu machen". Budde: "Auf der anderen Seite sehen wir das Wissenschaftsministerium in der Pflicht, eine tragfähige Lösung vorzulegen." Wie in der Vergangenheit gebe es überdies keine Mehrheit im Landtag für eine Privatisierung der Einrichtungen, so die SPD-Fraktionschefin.

Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, André Schröder, erklärt, dass es schon immer Privatisierungsdebatten auch mit Blick auf die Klinika gegeben habe. "Über die Eckpunkte zum Haushalt will sich die Fraktion am 21. Juni in ihrer Sitzung durch den Finanzminister informieren lassen." Die Unikliniken besäßen unabhängig von der Trägerschaft eine große Bedeutung für das Land. Einer Qualitätsdebatte müssten sich die Standorte aber auch ohne Privatisierung stellen. Mit Blick auf die Opposition sagte Schröder: "Die Linke betreibt klassische Angstmacherei!"

Regierungssprecher Franz Kadell erklärte indes, dass auch über andere Bereiche nachgedacht wird: Auch Privatisierungen der Forstwirtschaft und des Landesgestüts seien denkbar.