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Eine Woche lang "versorgen" an der Universität Halle angehende Mediziner kranke Kuscheltiere Die Teddy-Klinik will Kindern die Angst vorm weißen Kittel nehmen

Von Petra Buch 09.06.2011, 04:33

Halle (dpa). Ob Bär, Elefant oder Pferdchen aus Plüsch: In der Teddy-Klinik an der Universität in Halle versorgen Medizinstudenten seit diesem Montag das Kuscheltier und die Lieblingpuppe von Kindern. So soll den Knirpsen die Angst vor dem Arzt genommen und Wissen vermittelt werden.

Auf dem OP-Tisch in der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg liegt auf einem weichen Kissen der "Patient" Herr Bär mit einer Sauerstoffmaske. Ganz gespannt und mucksmäuschenstill verfolgen zehn kleine Mädchen in grünen Kitteln und Häubchen auf dem Kopf das, was der Teddy-Arzt Christian Blodan mit dem Holzspatel ganz akkurat macht. Damit schneidet der Medizinstudent symbolisch dem Teddybär den Kullerbauch auf. In Wahrheit öffnet er an dem Demonstrationsobjekt einen Reißverschluss, und einzelne Organe wie ein rotes Herz aus Plüsch kommen zum Vorschein.

Eifrig beantworten sogleich die Mädchen die Fragen des angehenden Mediziners, etwa was sich im Bauchraum eines Menschen befindet. Wie sich bei der simulierten Operation herausstellt, hat es den "Patienten" arg getroffen, der Blinddarm ist entzündet. Aus dem Lehrteddy wird ein gelber Wurmfortsatz per Klettverschluss und Holz-Spatel abgetrennt, der Bauch wieder zugemacht. Die Kinder atmen hörbar auf und ziehen dann mit ihrem eigenen Spielzeug unterm Arm in die weiteren Räume der Station, um ihre Lieblinge einem anderen der etwa zehn Medizinstudenten vorzustellen – ob wegen eines gebrochenen Rüssels beim Elefanten oder Rückenschmerzen einer Puppe.

Die künftigen Ärzte aus dem zweiten und dritten Studienjahr betreuen in dieser Woche in den ehemaligen Räumen der Hals-Nasen-Ohren-Klinik der Universität in der Teddy-Klinik täglich etwa fünf Gruppen mit je 20 bis 25 Jungen und Mädchen aus Kindergärten der Region. Im Vorjahr kamen mehr als 1000 Kinder in das zeitweilige Teddy-Krankenhaus, wie Juliane Beckmann, eine der Organisatorinnen, erklärte. Neben Sprechzimmern und einer symbolischen Röntgenabteilung gibt es dort auch eine Apotheke, wo Tabletten für den Teddy Bonbons sind. In einem anderen Raum für den Zahnarzt erklärt Studentin Luise Wilke den Kindern spielerisch die Mundhygiene.

Die Angst nehmen

"Wir wollen mit der Teddy-Klinik den Kindern die Angst vorm weißen Kittel nehmen und zugleich Wissen vermitteln", sagte die angehende Medizinerin Christin Luther, die bei der Bärchen-OP assistierte. Gleichzeitig wollen die Studenten lernen, wie man mit Kindern angemessen kommuniziert, wie man ihnen etwas erklärt und sie dabei mit ihren Sorgen und Ängsten um ihr Kuscheltier oder die Puppe auch ernst nimmt. "Wir zeigen hier alles, was ein Hausarzt macht, schauen dem Teddy ins Ohr, horchen ihn ab, legen einen Verband an oder schicken ihn zum Röntgen", sagte die junge Frau. "Das macht mit den Kindern aber auch unglaublichen Spaß, sie sind voll bei der Sache", sagte "Operateur" Blodan, dessen Berufswunsch Kinderarzt sei.

Der weiße Teddy von Linn hat Glück gehabt, er muss nicht auf den OP-Tisch. Eine weiße Binde hat er am Arm, es ist nur eine Prellung, so die Diagnose. Die Fünfjährige drückt ihren Teddy ganz vorsichtig an sich und geht wie andere der Gruppe mit ihren Betreuern zum Rettungswagen vor das Klinikgebäude, um sich dort den Ernstfall von einer angehenden Notärztin erklären zu lassen.

Bereits zum achten Mal öffnete das spielerische Krankenhaus an der Uni. Die Idee dafür reifte laut den Organisatoren bereits vor mehreren Jahren in Halle. Im mitteldeutschen Raum haben den Angaben zufolge unter anderem Magdeburg und Leipzig den Einfall mit den kuschligen Patienten kopiert.