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Diener der Königin Wie ein Orgelbauer seine Liebe fand

Johannes Hüfken geht einem seltenen Beruf nach. Der Halberstädter ist Orgelbauer. Seine Ausbildung führte ihn zu seiner großen Liebe.

22.12.2016, 23:01

Halberstadt l Was das Feuer nicht vernichtete, ruinierte die Zeit. Verkohlt und mit morschen Tasten steht sie zwischen Brettern und Maschinen – die Röver-Orgel aus der Alsleber Cäcilienkirche. 1972 war es, als ein Brand sie fast zerstörte. Nach Jahrzehnten im Dämmerschlaf hat es das Instrument nun gerade noch rechtzeitig in die Halberstädter Werkstatt des Orgelbauers Johannes Hüfken geschafft.

„Der Lack ist ab, aber es ist kein Motorschaden“, sagt der 36-Jährige und lacht. Er freut sich über den Großauftrag. Bis 2019 will er die Orgel mit seinen Kollegen in mehreren Bauabschnitten wieder zum Klingen bringen.

Hüfken ist einer von ganz wenigen Orgelbauern im Land. Ganze neun Betriebe zwischen Arendsee und Zeitz widmen sich der Königin der Instrumente, nur zwei – darunter das Unternehmen Hüfken – werden von Meistern geführt. Der Betrieb der Hüfkens hat sich dabei auf die Rekonstruktion der in Mitteldeutschland verbreiteten romantischen Röver-Orgeln spezialisiert.

Für Johannes, eines von drei Kindern eines Orgelbauers, war früh klar, dass er den Beruf ergreifen würde. „Schon als Junge bin ich in der Werkstatt meines Vaters herumgesprungen und habe Klötzer zerhauen“, erzählt er mit leuchtenden Augen. „Ein anderer Beruf als dieser kam für mich nie infrage.“

Sein Werdegang war dann auch geradlinig. Als Jugendlicher verdiente sich Hüfken sein Taschengeld mit der Reparatur von Harmonien, den kleinen Schwesterinstrumenten der Orgel.

Nach der Schule absolvierte er im baden-württembergischen Ludwigsburg erst die Gesellenprüfung im Orgelbau, dann den Meister. Dass er seine Heimat für die Ausbildung zumindest vor-übergehend verlassen musste, hat Hüfken nicht bereut. „Den modernen Orgelbau hätte mir mein Vater nie beibringen können“, sagt der 36-Jährige.

Wie viel er von der Welt sehen würde, hatte Hüfken zunächst wohl selbst kaum vermutet. Mit seiner Ausbildungsfirma Glatter Götz war er am Bau der Orgel für die Walt Disney Concert Hall in Los Angeles beteiligt, hatte Aufträge in Italien und Norwegen. 2006 lernte er während eines Praktikums beim britischen Unternehmen Harrison & Harrison die voluminöse Klanggewalt englischer Orgeln kennen.

Sein wohl wichtigster Auslandsaufenthalt führte Hüfken allerdings nach Moskau. Im Zentrum der russischen Hauptstadt sollte sein Team die Instrumente gleich zweier Kirchen reparieren. Ein komplizierter Auftrag, zumal das Team kein Russisch konnte. Die Dolmetscherin Natalja sorgte dafür, dass die Verständigung trotzdem klappte. Zwischen Johannes und Natalja funktionierte sie so gut, dass Natalja schließlich mit nach Deutschland kam. Elf Jahre ist das her. Inzwischen sind die beiden verheiratet und haben fünf Kinder.

Seine zweite große Liebe hat Johannes Hüfken aber im Beruf gefunden. „Er ist ein Abenteuer“, schwärmt er. „Nur in der Orgel treffen so verschiedene Systeme wie Musik und Handwerk auf so faszinierende Weise aufeinander“.

Bei aller Ästhetik der Königin der Instrumente sei der Beruf aber nichts für Leute, die nicht schmutzig werden wollen. Beim ersten Öffnen eines Instruments finden Hüfken und seine Kollegen unter Staub und Weihrauchruß auch schon mal Skelette von Tauben oder Eulen. „Vor ein paar Wochen haben wir in der Kirche in Barleben sogar Fledermäuse gefunden“, erzählt Hüfken.

Im nächsten Jahr will Vater Reinhard nun mit 66 Jahren in den Ruhestand gehen. Er war es, der den Betrieb 1978 gegen die Widerstände der DDR-Führung allein mit einem Werkzeugkistchen gegründet hatte. Auf Johannes kommt damit die Übernahme der Familienfirma mit ihren fünf Angestellten zu. Die Zeiten für Orgelbauer sind nicht einfach. Seit 2004 die Meisterpflicht abgeschafft wurde, dürfen auch andere Handwerksbetriebe Aufträge annehmen.

„Die machen unschlagbar billige Angebote, bewältigen die Aufträge aber oft nicht“, sagt Hüfken. Im schlechtesten Fall seien die Handwerker überfordert, die Gemeinden enttäuscht und die Orgelbauer bleiben ohne Aufträge.

Doch der 36-Jährige ist Optimist, er liebt seinen Beruf. Um die Zukunft macht er sich wenig Sorgen. „Am schönsten ist es doch, wenn alte Leute mit Tränen in den Augen erzählen, wie berührt sie sind, dass die Orgel wieder erklingt, die sie zuletzt als Konfirmanden gehört haben“, sagt er.

Die Orgel aus der Cäcilienkirche könnte in einiger Zeit wieder für einen solchen Moment sorgen. Dann allerdings nicht in Alsleben, sondern in der Sankt-Marien-Kirche der Talstraßengemeinde im 13 Kilometer entfernten Bernburg. Nach der Rekonstruktion wollen Johannes Hüfken und seine Kollegen das Instrument dort in das leere Gestell einer verschwundenen Röver-Orgel einbauen.

Ohne dass der Erbauer es geplant hätte, passen die beiden Orgelteile auf wenige Zentimeter genau ineinander, schwärmt Hüfken. Bloßer Zufall, meint er und: „Ein echtes Special“. Da ist es wieder, das Leuchten in seinen Augen.