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Digitalisierung Leich fordert Umdenken in Chefetagen

Digitalisierungs-Experte Thomas Leich leitet ab August das neue Kompetenzzentrum Mittelstand 4.0 in Magdeburg.

24.07.2017, 23:01

Herr Leich, wie kann es dem etablierten Mittelstand in Sachsen-Anhalt gelingen, beim digitalen Wandel Schritt zu halten?

Thomas Leich: In den Chefetagen der hiesigen Unternehmen muss ein Umdenken stattfinden. Vor allem in kleineren Firmen gibt es Manager, die sich zwar in der alten Welt bestens auskennen, aber mit der neuen Welt noch nicht so richtig Kontakt aufgenommen haben. Die Firmen im Land brauchen aber heute zwangsläufig Entscheider, die in der Lage sind konkrete Geschäftsfelder zu erkennen, mit denen künftig Geld zu verdienen ist.

In Sachsen-Anhalt ist das in vielen Firmen auch eine Frage des Alters. Ein Großteil der Unternehmer hat in den Neunzigerjahren im Alter von 40 Jahren gegründet. Heute sind viele nicht mehr bereit, über die Digitalisierung nachzudenken und auch entsprechende Investitionen anzuschieben. Sachsen-Anhalts Vorteil kann sein, dass bald ein Generationswechsel stattfindet und neue Chefs dann die Weichen für den digitalen Wandel stellen.

War der Druck, diesen Weg konsequent zu gehen, bislang noch nicht groß genug?

Ja, aber der Druck wird zunehmen und das sehr, sehr schnell. Als Mittelständler muss ich heute die Antworten von morgen finden und erahnen, wo sich etwas bewegt und wie das Unternehmen davon betroffen sein könnte. Und wenn eine Firma darauf keine Antworten hat, kann es sein, dass der Kunde sehr schnell woanders ist. Innovationen sind freilich nicht erst durch die Digitalisierung ein Thema. Aber der digitale Wandel hat die Innovationszyklen so verkürzt, dass sich die Unternehmer viel intensiver mit neuen Ideen beschäftigen müssen als noch vor einigen Jahren.

Sind Unternehmen in Sachsen-Anhalt behäbiger als anderswo auf der Welt?

Das ist keine Frage des Standorts. Auch die Amerikaner in Kalifornien haben Angst, dass sie von Trends aus anderen Teilen der Welt überrollt werden. Es kann jedes Unternehmen treffen. Die Auktionsplattform Ebay ist ein gutes Beispiel: Die spielte mal ganz vorne mit, ist immer noch gut, spielt aber mittlerweile nicht mehr in der ersten Liga.

Sachsen-Anhalt hat es schwerer, weil die Wirtschaft sehr viel kleinteiliger strukturiert ist. Deswegen fehlt das Kapital, um schnell auf Veränderungen reagieren zu können. Ein weiteres Problem ist die geringere Wertschöpfungstiefe als in anderen Bundesländern. Das führt dazu, dass sich Unternehmen an anderen Standorten schon viel früher mit Problemen beschäftigen können, die Firmen in unserem Bundesland erst später erreichen.

Wie schwer wiegt der Fachkräftemangel?

Die Frage ist doch, ob wir später genügend Leute haben, die auch bereit sind, in einem IT-nahen Umfeld zu arbeiten. Andere Länder sind Sachsen-Anhalt dabei voraus. Das beginnt schon in der Schule. In einem Alter, in dem Kinder ersten Kontakt aufnehmen zur digitalen Welt, verlieren wir schon. Dabei geht es beim digitalen Wandel vor allem um Köpfe.

Wie wichtig ist eine gute Infrastruktur?

Viele sagen, es sei eine notwendige Bedingung, dass wir überall schnelles Internet haben. Doch selbst wenn wir jeden Zipfel in Sachsen-Anhalt mit Breitband ausgebaut haben, werden wir nicht schlagartig bei der Digitalisierung vorne dabei sein. Entscheidend sind die Köpfe.

Einigen Jung-Unternehmern im Bundesland ist es bereits gelungen, innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln und damit erfolgreich zu sein. Was können etablierte Firmen von den Startups lernen?

Den jungen Firmen ist es gelungen, bei der Geschwindigkeit der Digitalisierung mitzuhalten und Veränderungen schnell umzusetzen. Diese Agilität können etablierte Unternehmen erlernen. Auf Kundenwünsche zu reagieren, sich anzupassen und Lösungen zu schaffen sind Schlüsselkonzepte für erfolgreiche Geschäftsmodelle.

Wie kann Sachsen-Anhalt dafür sorgen, dass noch mehr digital erfolgreiche Startups das Licht der Welt erblicken?

Gründungen lassen sich mit Geld nicht kaufen. Wenn ich eine Milliarde Euro über Sachsen-Anhalt gießen und sagen würde, wir machen jetzt Digitalisierung, wäre der Effekt nicht so groß. Das Land kann ein bisschen die Umgebung dafür ebnen. Aber das wird ja auch schon gemacht. Viele Startups siedeln sich rund um Forschungseinrichtungen an, weil es dort Know-How und junges Personal gibt. Für die Politik bedeutet das, mehr in Köpfe zu investieren. Doch Sachsen-Anhalt hat auch ein strukturelles Defizit: In einigen Regionen strömen jedes Jahr bis zu 10.000 Absolventen von den Hochschulen auf den Arbeitsmarkt. Einige gründen auch. Hier im Land haben wir auch ein Mengen-Problem.

Die Randbedingungen für Gründer in Sachsen-Anhalt sind aber nicht schlecht. Bei dem einen oder anderen Förderkonzept fehlt auch die Agilität, um schneller auf Entwicklungen reagieren zu können. Aber da muss die Politik generell agiler werden. Vielleicht wäre es gar nicht schlecht, wenn Politiker von jungen Unternehmern lernen und auch in dieser Geschwindigkeit Entscheidungen treffen würden. Das ist eine Sache, wo wir noch mehr erreichen könnten.