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Volksstimme-Streitgespräch mit dem Stadtwerke-Chef Helmut Herdt und dem SPD-Bundestagsabgeordneten Burkhard Lischka Disput: Wer treibt den Strompreis in die Höhe?

14.09.2013, 01:14

Die Strompreise schießen nach oben. Nach der kräftigen Erhöhung dieses Jahr droht ein weiterer Aufschlag 2014. Ist der Ökostrom zu teuer? Oder sind die Energieversorger schuld? Die Fragen stellten die Volksstimme-Reporter Jens Schmidt und Matthias Stoffregen.

Volksstimme: Die Preise an der Strombörse sind gesunken, die Energierechnung aber ist saftig. Herr Herdt, stopfen Sie sich die Taschen voll?
Helmut Herdt: Nein. Die Politiker haben nicht Recht. Der Staat ist es, der die Kosten in die Höhe treibt. Dafür tragen Politiker die Verantwortung und nicht wir.

Burkhard Lischka: Wind- und Solarstrom bewirken, dass die Preise an der Strombörse gefallen sind. Das ist Fakt. Der Strompreis ist für die Verbraucher zwar insgesamt um 14 Cent pro Kilowattstunde in den letzten Jahren gestiegen. Aber nur 5,3 Cent netto davon entfallen auf die EEG-Umlage. Da würde mich interessieren, worauf die übrigen Preissteigerungen beruhen. Sind möglicherweise Kostenvorteile nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben worden?

Herdt: Die EEG-Umlage ist für den Verbraucher um 6,3 Cent je Kilowattstunde gestiegen, weil auch für Umlagen Umsatzsteuer zu zahlen ist. Daneben sind in dem Zeitraum Steuern erhöht worden - wie die Mehrwertsteuer; und es sind neue Steuern und Umlagen eingeführt worden.

Herr Lischka, die Erneuerbaren produzieren nicht billiger, sie produzieren oft mehr Strom, als zu bestimmten Zeiten benötigt wird. Also am Bedarf vorbei. Dieser Effekt wirkt an der Strombörse stark preissenkend. Was uns aber teuer zu stehen kommt. Die Kosten, die mit dem Ökostrom verbunden sind, liegen viel, viel höher, als der Preisvorteil, den wir beim Einkauf an der Börse haben.

Volksstimme: Wie kommt das?
Herdt: Das liegt an der Mechanik des EEG. Denn: Wer Ökostrom einspeist, bekommt das deutlich über Marktpreis vergütet. Gesetzlich garantiert 20 Jahre lang. Viele Solardachbesitzer haben einen Vergütungssatz von 40 Cent je Kilowattstunde. Liegt der Börsenpreis etwa bei 5 Cent, zahlen alle Stromkunden die Differenz. Sinkt der Börsenpreis, steigt die Umlage, die wir alle bezahlen müssen. Das ist doch das Absurde.

"Der Staat ist es, der die Kosten in die Höhe treibt. Dafür tragen Politiker Verantwortung." Helmut Herdt

Volksstimme: Herr Lischka, diese EEG-Förderung wurde vor 13 Jahren von Rot-Grün erfunden. Ein Fehler?
Lischka: Nein. Vor 13 Jahren war das ein Anschub, damit Windräder, Solardächer und Biogasanalgen überhaupt eine Chance bekommen. Die Grundidee war auch richtig, damit wir langfristig von Kohle, Öl und Gas loskommen. Das letzte Fass Öl wird das teuerste sein. Jetzt aber muss das EEG verändert werden.

Volksstimme: Der Strompreis hat sich seit 2000 nominell verdoppelt. Selbst inflationsbereinigt stieg er immerhin um mehr als 50 Prozent.
Lischka: Heizöl ist um 144 Prozent gestiegen, Gas um 102 Prozent, Diesel um 67 Prozent. Ich will die Strompreisentwicklung nicht kleinreden. Aber dass sich die Erneuerbaren so entwickeln konnten, ist ein Erfolg - der übrigens in Deutschland 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen hat.

Dass die Umlagen steigen, obwohl der Börsenpreis sinkt, ist natürlich kein Zukunftsmodell. Deshalb müssen wir das EEG umbauen. Nicht mehr derjenige muss gefördert werden, der Strom aus erneuerbaren Energien produziert, wenn ohnehin ein Überangebot besteht, sondern derjenige, der seinen Strom zur Verfügung stellt, wenn dieser auch gebraucht wird. Das fördert beispielsweise Investitionen in Speichertechnologien.

Volksstimme: Das ist Aufgabe der Politik - also Ihre Sache. Schieben Politiker die Verantwortung auf die Versorger?
Lischka: Nein. Aber wir wollen schon wissen, was die Großkonzerne mit den Kostenvorteilen machen. Wir wollen, dass sie das offenlegen.

Herdt: Die SWM Magdeburg sind ein regionaler Versorger, kein Großkonzern. Im Übrigen machen wir das schon. Es gibt wohl keine andere Branche, die so offenlegt, wie die Preise zustandekommen.

Und es ist ja nicht allein die EEG-Umlage, die Strom für Kunden teuer macht. Hinzu kommt eine Vielzahl weiterer Umlagen. Aber auch die Netzentgelte in Sachsen-Anhalt liegen bedingt durch den erheblichen Ausbau an erneuerbaren Energien deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Auch dafür trägt Politik Verantwortung. Beispiel Sachsen-Anhalt: Da werden in der dünn besiedelten Altmark riesige Mengen Windstrom produziert, die dort vor Ort nie und nimmer verbraucht werden. Künftig sollen nun große Leitungs-Trassen quer durch Deutschland gezogen werden, um den Strom in den industriestarken Süden zu transportieren. Dabei könnte Windstrom auch dort vor Ort erzeugt werden. Daher sollten die Betreiber von EEG-Anlagen auch einen Beitrag zum Netzausbau leisten.

Lischka: Da gehe ich ja mit. Der Strom muss dort produziert werden, wo er auch verbraucht wird. Ein Solarmodul auf dem Dach eines städtischen Hochhauses ist besser als ein Solarpark auf einem Acker an der polnischen Grenze. Das spart schon Milliarden-Investitionen für den Ausbau von Netzen.

Aber das besser zu steuern, wäre Aufgabe der schwarz-gelben Bundesregierung gewesen. Und da ist ja das Gegenteil passiert. Sie hat immer mehr Firmen von den Umlagen befreit. Das kostet vier Milliarden Euro und macht allein einen Cent pro Kilowattstunde aus, den die Verbraucher bezahlen müssen. Wir würden die Befreiung auf den Kern zurückführen - also auf die energieintensiven Firmen, die international konkurrieren müssen ...

Volksstimme: Welche?
Lischka: Aluminiumhersteller zum Beispiel. Aber eben keine Golfplätze, das ZDF oder Großflughäfen. Zudem schlagen wir vor, die Stromsteuer um 25 Prozent zu senken.

Volksstimme: Das wäre ein halber Cent ...
Lischka: ... und wir würden die Haftung für Offshore-Windanlagen nicht auf die Verbraucher abwälzen. Alles in allem könnten wir also die EEG-Umlage um fast zwei Cent und damit auf den Stand des Jahres 2011 absenken, als Frau Merkel angekündigt hat, die Umlage würde nicht weiter steigen.

"Wir wollen wissen, was die Großkonzerne mit den Kostenvorteilen machen." Burkhard Lischka

Volksstimme: Gehen Sie da mit, Herr Herdt?
Herdt: Gegen Steuersenkungen habe ich nichts. Bei der Umlagebefreiung sollte man aber behutsam vorgehen. Ich bin froh, dass Deutschland ein Indus-trieland ist. Es gibt Firmen, die vor allem nachts Strom abnehmen - auch Windstrom, den Haushalte da nicht benötigen. Diese Firmen stabilisieren also unsere Netze. Das sollten wir honorieren.

Lischka: Wir brauchen stärkere Anreize für die Entwicklung von Stromspeichern; das ist der größte Flaschenhals bei den Erneuerbaren.

Herdt: Das ist noch viel Zukunftsmusik. Deutschland braucht vor allem einen Masterplan. Momentan haben wir zu viel Wildwuchs. Und: Die flächendeckenden Subventionen für die Erneuerbaren müssen beendet werden, auch die Ökostromerzeuger müssen jetzt marktgerecht produzieren.

Lischka: Wir dürfen aber die Energiewende dabei nicht gefährden. Nochmals: Sich nicht von den endlichen fossilen Energieträgern unabhängig zu machen, ist die teuerste Option. Aber uns ist auch klar: Wir benötigen noch für einige Jahrzehnte auch fossile Energie als strategische Reserve. Dazu gehören moderne Gaskraftwerke und - dazu steht die SPD - auch moderne Kohlekraftwerke.

Volksstimme: Herr Lischka, sind da die Grünen der richtige Koalitionspartner?
Lischka: Ich glaube, dass auch die Grünen erkannt haben, dass der Wildwuchs beendet werden muss, da andernfalls die Strompreise durch die Decke schießen. Und dann wäre die Energiewende gefährdet.

Volksstimme: Die Grünen wollen bis 2030 von der Kohle weg.
Lischka: Das ist noch ein Dissens zwischen uns. Aber der ist klein im Vergleich zu dem Chaos, das diese Bundesregierung in der Energiepolitik verursacht hat. Erst ging es 2010 wieder rein in die Atomenergie - was falsch war - dann 2011 wieder raus. Alles hopp, hopp und ohne Konzept.

Volksstimme: Wie teuer wird uns Strom in den nächsten Jahren kommen?
Herdt: In diesem Jahr erwarten wir eine erhebliche Erhöhung der EEG-Umlage, die im kommenden Jahr im Preis wirksam wird. Die weitere Entwicklung hängt von politischen Entscheidungen ab. Andernfalls erwarten wir noch 30 Prozent Steigerung bis 2020. Ich sage klipp und klar: Die SWM wird von sich aus nichts draufschlagen, um die Gewinnmarge zu steigern.

Lischka: Preissteigerungen sind kein Naturgesetz. Die EEG-Umlage hat sich unter dieser Bundesregierung nahezu vervierfacht. Wenn wir stattdessen die besprochenen Vorschläge umsetzen, ist es machbar, die Umlage auf dem jetzigen Niveau zu halten und trotzdem bei der Energiewende voranzukommen.