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28-Jährige wegen schwerer Körperverletzung verurteilt Drei Jahre Freiheitsstrafe im Babyraub-Prozess

Von Andreas Stein 17.11.2011, 05:23

Nicole E. muss für drei Jahre ins Gefängnis. Die Schwurgerichtskammer des Landgerichts Magdeburg sah es als erwiesen an, dass die 28-Jährige beim Versuch, einen Säugling aus einer Wochenstation zu entführen, dessen Mutter schwer mit einer Schere verletzt hat.

Magdeburg l Einen versuchten Mord, wie ihn Oberstaatsanwalt Sebastian Staufenbiel in seinem Plädoyer am Montag für bewiesen hielt, sah die Vorsitzende Richterin Claudia Methling in ihrer Urteilsbegründung zwar "objektiv". Der Tötungsversuch sei jedoch wie die versuchte Kindesentziehung unvollendet geblieben, Nicole E. habe letztendlich vom Opfer Hadia H.-M. abgelassen und sei nicht bis zum Äußersten gegangen.

Bleibt die gefährliche Körperverletzung, für die zwischen sechs Monate und zehn Jahre Freiheitsstrafe möglich sind. "Für Nicole M. sprechen ihre Reue und Geständigkeit", so Methling. Außerdem habe sie keine einschlägigen Vorstrafen und fügte der Geschädigten nur relativ geringfügige Verletzungen zu. Andererseits sei sie "mit einer Tatmotivation auf denkbar niedrigster Stufe" in den vermeintlich völlig sicheren Raum der Wochenstation eines Krankenhauses eingedrungen und habe Hadia H.-M. hinterlistig mit einer Schere angreifen wollen. Am Ende lautete das Urteil auf drei Jahre Freiheitsstrafe ohne Bewährung.

Nicole M., die aus einem Dorf bei Egeln (Salzlandkreis) kommt, blieb bei der Verkündung ohne sichtbare Regung. Ein Gutachter hatte ihr zuvor attestiert, voll zurechnungsfähig zu sein, bei der Tat weder im Affekt noch in einer Psychose gehandelt zu haben. Trotz des Förderschulbesuchs sei sie nicht schwachsinnig und weise eine gute praktische Intelligenz, aber wenig Allgemeinbildung auf. Gleichwohl leide sie unter einer Persönlichkeitsstörung, die sich durch Geltungsbedürfnis und mangelndes Einfühlungsvermögen äußere. Rechtsanwalt Ulrich Köhler, der als sogenannter Adhäsionskläger zivilrechtliche Ansprüche auf Schmerzensgeld für das Opfer Hadia H.-M. geltend machte, konnte das Urteil akzeptieren. "Die Begründung ist überzeugend", so Köhler.

"Maßvoll, im Grunde okay", fand das Urteil auch Nicole E.s Verteidiger Dieter-Jürgen Schulze. Er hatte wegen versuchter Kindesentziehung und fahrlässiger Körperverletzung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung beantragt. "Zwei Jahre hätten angesichts der positiven Sozialprognose meiner Mandantin, inzwischen selbst Mutter, ausgereicht", sagte Schulze zum Urteil. Eine Revision beim Bundesgerichtshof schloss er aus "prozesstaktischen Gründen" nicht aus.

Die Verurteilte war im September 2009 ins Magdeburger Klinikum Marienstift gefahren, um von der dortigen Wochenstation ein Kind zu entführen. Unter dem Vorwand, ihr Baby-Pflegeprodukte schenken zu wollen, hatte sie das Zimmer von Hadia H.-M. betreten, scheinbar wieder den Raum verlassen und sich dann mit einer Schere von hinten genähert, der Mutter den Mund zugehalten und auf Hals und Rücken eingestochen. Die junge Mutter wehrte sich jedoch heftig und konnte die Entführung vereiteln.

Nicole E. hatte eine Schwangerschaft erfunden, um ihren Ex-Freund zurückzugewinnen und aus Angst vor ihm keinen anderen Ausweg gesehen, als sich wirklich ein Kind zu besorgen.