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E-Mobilität Ab geht er, der elektrische Treter

Die E-Scooter stehen in den Startlöchern und sollen endlich die Straße erobern. Unsere Volksstimme-Reporterin macht den Test.

Von Janette Beck 17.05.2019, 01:01

Magdeburg l Sie sind angesagt und gelten als zukunftsweisende Lösungen für die urbane Mobilität. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) sieht in E-Scootern – ergänzend zum öffentlichen Nahverkehr – eine „echte zusätzliche Alternative zum Auto“. Bisher sind die elektrischen Tretroller, die Tempo 20 und mehr erreichen, auf deutschen Straßen verboten. Doch weil sich das ändern und die lautlosen Stadtflitzer endlich von der Leine, besser gesagt vom Stromkabel gelassen werden sollen, sind sie derzeit in aller Munde.

Mit der Order des Chefredakteurs in der Tasche, einen E-Tretroller - quasi im Leserauftrag – einmal zu testen, fing das Problem jedoch an. Wer leiht so ein Teil für eine Testfahrt aus? Fahrradhändler schienen am Naheliegendsten. Doch denkste Puppe! In Magdeburg hoben alle Kontaktierten der Reihe nach die Hände: Sorry, aber nicht mit uns. Die Erklärungen reichten von „Zu gefährlich“, „Haben wir gar nicht im Sortiment“, über „Da sind noch zu viele Fragen offen, was Rechten und Pflichten betrifft“, „Bieten wir so lange nicht an, wie die Teile im öffentlichen Verkehr nicht zugelassen sind“, bis hin zu „Wir haben die Teile geordert, aber die kommen aus China, da gibt es leider Lieferschwierigkeiten.“

Vermutlich stehen neben Sicherheitsbedenken vor allem wirtschaftliche Gründe im Vordergrund für die vornehme Zurückhaltung der Fahrradhändler: Wer möchte bei der gesetzlich wackeligen Lage auf den zwischen 230 und 2500 Euro liegenden Modellen für Erwachsene schon sitzenbleiben?

Woher also einen Test-Roller nehmen, wenn nicht stehlen? In einem Elektrodiscounter nachfragen! Der Tipp kam vom Sprecher des Verkehrsministeriums, das die gleichen Probleme hatte und bei seinem Rad-Aktionstag den geplanten E-Scooter-Test mangels Modell absagen musste. Ein Anruf bei Media-Mark – schon wurde mir geholfen. Schön blöd, hätte ich auch selbst drauf kommen können: E – wie Elektro, natürlich sind die Akku-betriebenen Stadtflitzer, die sich an jeder normalen Haushaltssteckdose aufladen lassen, bei einem Elektrofachhandel im Angebot.

Und das in reichlicher Auswahl. Die Angst vor Ladenhütern scheint in der Filiale am Pfahlberg nicht vorhanden. Warum auch? „Die Nachfrage ist groß – Tendenz steigend“, erklärt Nico Wolf. Er ist Abteilungsleiter E-Mobilität und zeichnet auch für den Verkauf von E-Bikes verantwortlich. „Im Schnitt verkaufen wir derzeit um die 20 E-Scooter im Monat - das ist im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung um rund 200 Prozent. Und das, obwohl die Dinger noch gar nicht für den öffentlichen Straßenverkehr zugelassen sind und nur auf Privatgelände gefahren werden dürfen.“

Noch aber, so Wolfs Erfahrung, sei die Kundschaft vom Typ „Jung, dynamisch, flexibel sucht für kurze Strecken trendige und spaßorientierte Alternative zum Auto“ zögerlich: „Wir erwarten einen regelrechten Boom, wenn die entsprechende neue gesetzliche Verordnung endgültig verabschiedet wird. Alle Vertreiber sind vorbereitet, sitzen in den Startlöchern und warten nur darauf, dass es endlich losgeht.“

Ich auch. Die Wahl fällt auf einen E-Scooter aus dem günstigen Segment (City Blitz 048/379 Euro) und der „Mittelklasse“ (E-Roller Ninebot/Segway/549 Euro). Der Blick von Nico Wolf geht zu den Hackenschuhen. „Soll doch stilecht und praxisnah sein“, behaupte ich. Schließlich wird damit geworben, dass mit dem E-Roller die „last mile“ (letzte Meile) – von Auto, Bus oder Bahn zum Büro und zurück – zum Vergnügen wird. Ohne verschwitzte Klamotten anzukommen oder sich umziehen zu müssen – alles kein Problem mit dem E-Treter, dank vollelektrischen Antriebs.

Die Einweisung für den App-gesteuerten Ninbot (hat den Vorteil, dass er diebstahlsicher abgestellt und übers Handy gesperrt werden kann) ist kurz und bündig: Anschalten per Display, rechter Daumenschalter Gas geben, linker Schalter bremsen. Fertig.

Das Herz klopft. Die Angst, sich bei der angeblich „kinderleichten Angelegenheit“ zu doof anzustellen, sitzt im Nacken. Die Tretroller-Zeiten als Kind liegen fast ein halbes Jahrhundert zurück und das letzte Mal mit dem Rad unterwegs war ich, zugegebenermaßen, gefühlt ebensolange nicht mehr.

Langsam antreten, um in Schwung zu kommen, und Gas geben. Anfangs ist das Ganze noch ziemlich wackelig. Die hohen Schuhe, hintereinander auf der schmalen Trittbrettfläche, tun ihr Übriges. Die Bordsteinkante in der Kurve vermeide ich nur durch beherztes Abspringen.

Doch so langsam komme ich in Fahrt, kriege ein Gefühl für Lenkbarkeit, Schnelligkeit und Wendigkeit des E-Scooters. Die 7,8 Zoll Hartgummiräder vermitteln trotz allem einen guten Grip und drehen sich immer schneller. Huiii! Ich werde mutig, das Display zeigt 16 km/h. Ab geht er, der E-Treter! Das macht ja richtig Spaß! Und ist in der Tat schon nach kurzer Eingewöhnungszeit kinderleicht. Nur die hintere mechanische Rücktritts-Bremse ist irgendwie nicht mein Ding.

Auch der günstigere City Blitz mit „normaler“ Handbremse am Lenker und rückwärtiger Scheibenbremse (Höchstgeschwindigkeit 24 km/h, 8,5-Zoll-Räder, Ladezeit 2-3 Stunden) macht Geschmack auf mehr. Er bringt einen ebenso fix und sicher von A nach B und ist vor allem für Einsteiger eine runde Sache. Auch der City Blitz hat einen kleinen Seitenständer, ist zusammenklappbar, mit unter 15 Kilo leicht zu tragen und zu verstauen. Der Akku lässt sich wie beim Ninebot in zwei bis drei Stunden aufladen. Gibt es irgendwo einen Haken, den ich auf Anhieb nicht entdecke? Nico Wolf ist ehrlich: „Vielleicht die Reichweite. Die liegt bei den meisten E-Tretrollern bei nur 25 Kilometern.“ Zudem hat der Experte eine klare Meinung zum Thema Helm: „Mich stört generell, dass es in Deutschland bei den Fahrrädern und E-Bikes keine Helmpflicht gibt, dabei werden die auch fix mal über 25 km/h schnell.“

Und, was ich mir nach meinem kindlichen Übermut beim Test auch nachvollziehen kann, ist die kontroverse Diskussion um die Frage, wo und ab welchem Alter Kinder mit dem E-Scooter fahren dürfen sollen. Verkehrsminister Andreas Scheuer hatte zwar angesichts verbreiteter Sicherheitsbedenken aus den Reihen der Bundesländer angekündigt, langsame Roller nun doch nicht auf Bürgersteigen zu erlauben. Davon, jene mit einer Höchstgeschwindigkeit von 12 km/h bereits für Jugendliche ab 12 Jahren freizugeben, rückte das Bundesverkehrsministerium bislang nicht ab.

Viele fragen sich angesichts der ewig langen, hitzigen und kontrovers geführten Diskussion um die geplante neue Verordnung (typisch deutsch) , ob es nicht einfacher gewesen wäre, sich der Forderung von TÜV Deutschland anzuschließen: E-Scooter sollen mit E-Bikes gleichgesetzt, die Höchstgeschwindigkeit auf 25 km/h angehoben werden. Fahren auf Radwegen und notfalls auf der Straße ist erlaubt.

Der Fußweg ist tabu. Keine Kennzeichnungspflicht.