Projekte sollen Studenten fit machen, mit eigenen Ideen am Markt zu bestehen. Von Martin Rieß ego.Inkubatoren: Sachsen-Anhalts Hochschulen brüten Unternehmer aus
An den Hochschulen werden Experten ausgebildet. Doch den Weg von der Idee bis hin zum marktreifen Produkt ist lang. Im ego.Inkubator können sich Studenten jetzt ausprobieren.
Magdeburg l Ein bisschen sieht das nach einem Science-Fiction-Film aus. Christian Wilke richtet den Laserstrahl auf den Tisch. Am Scanner in der Hand des Maschinenbaustudenten sind rechts und links große Linsen angeordnet. Sie scheinen wie zwei Augen auf das Objekt zu blicken, in der Mitte ein kleines drittes Auge. Ein futuristisches Spiel ist dies aber nicht: Der Arbeitsplatz mit 3D-Scanner an der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität gehört zum ersten von vier ego.Inkubatoren.
"Sollen Raum bieten, bis Menschen fit sind für das Leben außerhalb"
Prof. Dr. Rüdiger Bähr, Uni Magdeburg
Ein Inkubator - bislang glaubte man, darunter eine Gerätschaft zu verstehen, in der Frühgeborene oder schwache Neugeborene wohlbehütet aufgepäppelt werden. Hochschulprofessor Rüdiger Bähr ist Experte für Gießereitechnik - und treibende Kraft hinter der neuen Einrichtung an der Magdeburger Otto-von-Guericke-Universität. Er erklärt: "Die Bezeichnung ist kein Zufall - das Ganze ähnelt irgendwie schon einem Gerät, das wir zur Versorgung von Frühchen kennen: Inkubatoren sollen nämlich einen geschützten Raum bieten, bis die Menschen fit sind für das Leben außerhalb. Und so ist es mit dem ego.Inkubator auch: Er soll die Studenten vorbereiten, eigene Produkte auf den Markt zu bringen." Der neue Inkubator ist also eine Art Unternehmerbrutkasten. Chris Rehse betreut den ersten Inkubator und erklärt: "Natürlich sind unsere Absolventen Fachleute für die einzelnen Fachbereiche. Allerdings fehlt ihnen oft die Erfahrung, ein Produkt bis zur Marktreife weiterzuentwickeln." Freiwillig und zusätzlich zum Studienalltag können sie diese Erfahrungen sammeln. Im Idealfall mit Projekten, mit denen sie sich selbständig machen könnten.
Brutpflege in Form von fachlicher Beratung gibt es daher nicht allein von den Ingenieuren vom Institut für Fertigungstechnik und Qualitätssicherung. Auch die Wirtschaftswissenschaftler der Otto-von-Guericke-Universität helfen mit: Zu einer ausgeklügelten Technik gehört ein ebenso ausgeklügeltes Marketing.
Christian Wilke am 3D-Scanner führt mit ruhiger Hand den Laserstrahl über das mit weißen Punkten beklebte Werkstück - einen Fahrradsattel. Auf einem Bildschirm zeichnen sich nach und nach die Sattel-Konturen ab.
Mit von der Partie sind drei weitere Maschinenbaustudenten: Georg Heinicke, Sebastian Hichert und Jan Pietras. Georg Heinicke sagt: "Der Sattel ist nur ein Thema für uns. In erster Linie haben wir uns mit Fahrradpedalen beschäftigt. Klar: Die gibt es ebenso wie den Fahrradsattel schon längst."
Allerdings nicht als Gussstück. Heinicke sagt: "Unsere Idee: Wenn es gelingt, ein Fahrradpedal zu gießen, lassen sich die Bauteile wesentlich günstiger produzieren." Bislang nämlich werden Pedale im Wesentlichen gefräst: Dabei bleibt viel Material in Form von Metallspänen ungenutzt. Mit einem gegossenen Pedal könnten Ressourcen ebenso geschont werden wie die Geldbeutel der Käufer.
Nach dem 3D-Scanner ist der Rechner an der Reihe: Hier wird das Modell der Vorlage digital optimiert. Auch der nächste Schritt erinnert ein wenig an Büroarbeit: Die Prototypen werden weder am Schraubstock noch an der Fräs- oder Drehmaschine hergestellt, sondern kurzerhand gedruckt. Und zwar in einem Spezialgerät. Das ist die Aufgabe von Jan Pietras: "Nach und nach werden dabei die Werkstücke in Schichten aufgebaut." Ein wenig Geduld ist beim Drucken von Bauteilen gefragt, für ein Fahrradpedal, haben die Maschinenbaustudenten erfahren, darf\'s dann auch schon einmal mehr als eine halbe Stunde sein.
Mit dem Drucken ist das Bauteil allerdings längst nicht fertig. Denn so richtig fest ist es noch nicht. Im Fall der Pedal-Gießer hält Sebastian Hichert für die nächste Aufgabe die Zügel in den Händen: Infiltration nennt sich das Verfahren, mit dem die gedruckte Vorlage stabilisiert wird. Zum Einsatz kommt dabei eine besondere Art von Sekundenkleber. In der benachbarten Werkstatt können nun die Pedale gegossen und sogar in Kleinserien produziert werden.
Wie Betreuer Chris Rehse berichtet, sind für diesen ego.Inkubator 300 000 Euro investiert worden: Angeschafft wurden neben dem 3D-Scanner eine 3D-Rapid-Prototyping-Anlage und der Formstoffdrucker. Moderne Gerätschaften, die ihren Preis haben. Ebenso wie die Verbrauchsmaterialien, die von dem Budget für die kommenden drei Jahre mitfinanziert wurden. "Wir haben in Stationen integriert, die bereits vorhanden waren: Dazu gehören die Einrichtungen zum Konstruieren ebenso wie Möglichkeiten zum eigentlichen Gießen."
"Nach und nach werden die Werkstücke in Schichten aufgebaut"
Birgitta Wolff, Wissenschaftsministerin
Wirtschafts- und Wissenschaftsministerin Birgitta Wolff erklärt, warum der Unternehmerbrutkasten so wichtig ist: "Der Anteil innovativer Gründungen bei uns im Land ist vergleichsweise gering. Durch die Förderung wollen wir Gründungen dort stimulieren, wo das Schaffen neuen Wissens die Entstehung von Innovationen begünstigt", sagt sie. Der besondere Nutzen: Gründungen aus der Wissenschaft schaffen rund siebenmal mehr Arbeitsplätze als herkömmliche, so Birgitta Wolff.
Ganz so weit sind die Magdeburger Pedalgießer allerdings noch nicht. "Natürlich haben wir aus der Vorlage ein gutes Pedal entwickelt. Mit seiner breiten Trittfläche wäre es hervorragend für das Mountainbiking geeignet. Jetzt könnten wir das Pedal erproben", erklärt Heinicke. Die Studenten sind sich aber darüber bewusst, dass ein besonders günstiges Fahrradpedal als einziges Produkt längst nicht für den Erfolg eines Unternehmens ausreichen würde. "Außerdem wollen wir erst noch ein Masterstudium absolvieren", sagt Heinicke.
Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Auch als Master-Ingenieure hätten vier einen Wissensvorsprung gegenüber vielen anderen Absolventen in Sachen Produktentwicklung - dank dem Unternehmerbrutkasten.