In dem Projekt "Schülergremium" des Anti-Gewalt-Zentrums Harz reden Schülerund Schülerinnen mit jungen Straftätern über deren Tat Eine Begegnung auf Augenhöhe: Wenn "Schülerrichter" urteilen
. Den strengen Blick ersetzen die Schülerinnen lieber durch ein freundliches Lächeln. Und auch eine altmodische Richterrobe sucht man in ihrem Kleiderschrank vergeblich: Die 16-jährige Lisa Hesse und die 14-jähr
als vor einem Gericht. "In unserem Projekt geht es darum, straffälligen Jugendlichen auf Augenhöhe zu begegnen", erklärt Lisa.
Geeignete Fälle vermitteln Polizei und Staatsanwalt - doch statt einer Anklage oder einesGerichtsentscheids erwartet die jugendlichen Straftäter im Alter von 14 bis 17 Jahren im Schülergremium ein Gespräch mit Gleichaltrigen.
"Die Straftäter setzen sich so viel intensiver mit ihren Taten auseinander. Außerdem kommt man mit anderen Jugendlichen leichter ins Gespräch, als mit Erwachsenen", sagt Sophia. Und am Ende des Tages kämen sie gemeinsam mit dem Täter eigentlich immer zu einem guten Ergebnis, finden die Schülerinnen der Thomas-Müntzer-Sekundarschule.
Im November wurden insgesamt elf neue Schülerrichter am Anti-Gewalt-Zentrum Harz (AGZ) ausgebildet. Lisa und Sophia waren zwei von ihnen. Ein ganzes Wochenende wurden sie mit ihrer neuen Aufgabe vertraut gemacht. Nach der Theorie- und Praxislehre endete die Ausbildung mit der "Vergatterung" - da ist es dann doch wie vor einem echten Gericht: Die Schweigepflicht gehört eben zum "Berufsstand".
"Danach wurden wir sofort ins kalte Wasser geschmissen. Vor meiner ersten Verhandlung war ich total nervös", erinnert sich Lisa. Seitdem war sie schon bei sechs Verhandlungen mit dabei. "Am Anfang mache ich immer dasselbe: Einmal tief Luft holen - Und los geht\'s! Aber am Ende ist jede Verhandlung doch anders. Man muss sich immer wieder neu auf die jeweilige Person einstellen", sagt die Schülerin. Und genau hier liegt für Lisa und Sophia der Reiz an ihrem Hobby.
Ein bestimmter Fall ist den beiden Mädchen besonders im Gedächtnis geblieben: "Vor uns saß einmal ein Junge, der seine Mutter geschlagen hatte. Als wir die blauen Flecken auf den Fotos sahen, hat es uns kurz die Sprache verschlagen", sagt Lisa. Die Mädchen können nur hoffen, dass ihre Empathie am Ende bei dem Jugendlichen gefruchtet hat.
Die einzelnen Sanktionen fallen im Schülergremium zumeist kreativ aus: Die Strafe für einen Ladendieb lautet da schon mal einen Comic zum Thema "Macht Geld glücklich?" zu zeichnen oder gleich einen ganzen Aufsatz über das Thema "Diebstahl" zu verfassen.
"Jugendliche sind sehr kreativ. Wenn sie etwas umsetzen, was ihnen Spaß macht, denken sie viel gründlicher über ihre Tat nach. Das vergessen normale Richter oft", sagt Sophia.
Freunde und Familie der Schülerinnen sind begeistert, dass sich die Mädchen in ihrer Freizeit engagieren. "Meine Eltern sind sehr stolz auf mich", sagt Lisa. Sophia ergänzt: "Wir lernen hier etwas fürs Leben. Durch meine Arbeit als Schülerrichterin bin ich viel selbstbewusster geworden."
Ob sie später tatsächlich Jura studieren und am Gericht arbeiten wollen, wissen die Schülerinnen noch nicht sicher. Aber ihr Rechtssinn sei durch die Arbeit im Gremium in jedem Fall verstärkt worden. Beide Mädchen hätten auch im Alltag ein echtes "Helfersyndrom" entwickelt. "Ich glaube ich kann heute besser zwischen zwei Streithähnen vermitteln oder unnötigen Streit vermeiden. Aber meinen impulsiven Charakter bewahre ich mir trotzdem", lacht Lisa.