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Eingebürgert Yogba Gregory ist jetzt Deutscher

In Sachsen-Anhalt werden jedes Jahr Dutzende Migranten eingebürgert. Wie der gebürtige Kameruner Yogba Gregory.

Von Steffen Honig 07.11.2017, 00:01

Kalbe/Milde l 21. September 2017, Salzwedel, Kreisverwaltung: Landrat Michael Ziche schreitet zu einem feierlich-fröhlichen Termin. Der CDU-Politiker überreicht acht Frauen und Männern aus fünf Ländern ihre Einbürgerungsurkunden. Von Stund an sind sie nach jahrelangen Bemühungen deutsche Staatsbürger – mit allen Rechten und Pflichten.

Ziche widmet den Neubürgern warme Worte, spricht von „einer gelebten Willkommens- und Anerkennungskultur in unserem Landkreis“ und fährt fort: „Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit ist ein ganz besonderer Schritt im Leben eines Menschen und ein Zeichen der Verbundenheit mit seiner neuen Heimat.“ Finale Steigerung: „Ich kann nur sagen: Herzlich willkommen!“

Anfang November, Kalbe/Milde, Stadtzentrum, Total-Tankstelle. Yogba Ngenjeh Gregory steigt aus einem betagten Kleintransporter. Er ist einer der acht neuen Salzwedeler Deutschen. Freundliche Begrüßung, dann ein paar Schritte bis zum einzigen örtlichen Eis-Café. Yogba Gregory kommt in Schwung. „Was wollen Sie wissen?“, fragt er, um zum Monolog übergehen, ab und zu durch Fragen unterbrochen und gewürzt durch Salven hellen Lachens.

„Ich lebe seit 13 Jahren in Deutschland und habe alles durch“, sagt der aus Kamerun stammende Gregory. Der 50-Jährige ist mit seiner deutschen Frau Juliane verheiratet und wohnt in einem Kalben-ser Ortsteil. „Deutschland ist ein Hochleistungsland“, sagt Yogba Gregory. Es sei schwer gewesen, Sprache und Kultur und überhaupt die Gepflogenheiten des Landes zu erfassen: „Schwierigkeiten ohne Ende!“, postuliert er und versucht, den Ernst der Sache ein bisschen wegzulachen. Doch hat er seit 2003 hartnäckig versucht, sich in der Bundesrepublik zu integrieren. Mit Erfolg, wie die Einbürgerung zeigt.

Integration – das kennt er schon aus Kamerun. Die frühere deutsche Kolonie in Westafrika ist heute zweisprachig: Englisch und Französisch. Gregory, im englischen Teil aufgewachsen, musste zum Jurastudium in die französische Region wechseln – in die einzige Universtät Kameruns.

Trotz aller Anpassungsbemühungen, sagt er, bewegten ihn die anhaltenden Auseinandersetzungen zwischen beiden Landesteilen dazu, sein Geburtsland zu verlassen.

In Deutschland wollte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge sein Asylgesuch aber nicht anerkennen. Gregory hätte beinahe resigniert und wäre in die Heimat zurückgegangen. Dann jedoch, lacht er, habe er seine heutige Frau kennengelernt. Nach drei Jahren – die beiden lebten damals im niedersächsischen Wendland – wollten sie heiraten.

Doch verging ein weiteres Jahr, ehe der Kameruner alle Papiere und Genehmigungen zusammen hatte und 2007 endlich Hochzeit gefeiert werden konnte. Eine große Leidenschaft teilen sie: die Musik. Endlich ist Gregory bei seiner Berufung: „Ich bin Künstler – Trommler, Sänger, Tänzer, Dichter  ...“ Als solcher ist er viel unterwegs gewesen, gerade in der Altmark, wo er heute lebt. Jahrelang war er mit anderen Afrikanern mit einer Band „Africa Melange“ auf Tour. Auch eingebunden in ein Projekt gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Seine Musikerkollegen sind jedoch nicht mehr in Deutschland, „auch wegen des Stresses mit den Papieren“, so Gregory. Doch in Belgien, den USA und Kanada sei es für Ausländer einfacher, sich zu integrieren, hätten sie ihm berichtet.

„Ich selbst fühlte mich lange Zeit hier nicht richtig angenommen“, sagt er, „dabei bin ich mit Deutschen in der Nachbarschaft in Kamerum aufgewachsen!“ Und doch hat er den Einbürgerungsantrag gestellt und sagt heute wie selbstverständlich: „Wir müssen als Deutsche daran arbeiten, dass sich die Leute angenommen fühlen.“

Womit verdient er sein Geld? „Ich bin Betreuungsfachkraft, habe aber jetzt keine Anstellung“, gibt er an. Mit Gelegenheitsjobs oder Saisonarbeit komme er über die Runden.

Und da ist natürlich die Musik! Wo ein Auftritt möglich ist, dahin reist Yogba Gregory an – von Staßfurt bis Salzwedel quer durch Sachsen-Anhalt. Eher unangenehme Erfahrungen verbindet der 50-Jährige mit Magdeburg. Nach einem Konzert sei er in eine Kneipe gegangen. Nicht wissend, dass dort bereits deutsch-afrikanische Probleme existierten. Plötzlich habe er einen ziemlichen Schlag an den Kopf erhalten. Eine schlimmere Verletzung blieb ihm erspart.

In der Altmark hat Gregory die Erfahrung gemacht, dass die rechte Szene in den vergangenen drei Jahren nicht so auffällig sei. „Ich hoffe, dass das so bleibt“. Wieder so ein kurzes Lachen zur Selbstermunterung. Um das mit der Integration in Deutschland hinzubekommen, hält Yogba Gregory gegenseitigen Respekt für unerlässlich: „Sonst wird da nichts Gutes draus.“

Gregory wundert sich über die Frage, ob es ihn nicht in eine größere deutsche Stadt ziehe, wo er sich als Künstler vielleicht besser entfalten könne. „Wieso? Hier ist es ruhig und man kommt überall hin. Wir müssen die Altmark nur so attraktiv machen“, meint er, „dass noch mehr Menschen hierher kommen.“

Die eingebürgerten Altmärker lösen zwar nicht die demografischen Probleme. Aber die fast 1300 Neubürger aus aller Welt seit 1992 allein im Altmarkkreis Salzwedel machen schon die Größenordnung einer lebensfähigen Gemeinde aus.