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EU-Gelder 257 Millionen Euro verfallen

Mit EU-Mitteln werden Schulen saniert, Kanäle gebaut oder Arbeiter qualifiziert. Allerdings bleibt in Sachsen-Anhalt auch viel Geld liegen.

Von Jens Schmidt 31.03.2017, 01:01

Magdeburg l Am Freitag müssen die Bundesländer ihre mit EU-Milliarden geförderten Projekte der Jahre 2007 bis 2015 bei der EU-Kommission in Brüssel endgültig abrechnen. Sachsen-Anhalt hat 3,2 Milliarden Euro ausgegeben. Getrübt wird die Bilanz durch den Fakt, dass 257 Millionen Euro europäischer Fördergelder verfallen. Dass es trotz Brüsseler Bürokratie anders geht, zeigt das Nachbarland Thüringen. Dort wurden bei der Wirtschafts- und Sozialförderung alle Gelder bis auf den letzten Cent genutzt.

Am meisten hakt es hier im Bereich Arbeitsmarkt und Soziales. Gut 100 Millionen Euro bleiben liegen. Das Finanzministerium resümiert: Viele Projekte waren zu kleinteilig. Betroffen war vor allem die betriebliche Weiterbildung: Vielen kleineren Betrieben war der Aufwand zu hoch. Doch an den Vorgaben könne das Land nichts ändern, die EU-Richtlinien müssen penibel eingehalten werden.

Für die Linke sind das zum großen Teil Ausreden. Das Land hätte zum Beispiel die Bürgerarbeit fortführen können, sagt deren Europapolitiker Wulf Gallert. Da bekamen Langzeitarbeitslose Jobs in der Gemeinde oder in Vereinen. Außerdem hätte man die Schulsozialarbeit aufstocken können.

Auch bei der Wirtschaftsförderung blieben gut 100 EU-Millionen Euro ungenutzt. Und auch hier gab es neben Großprojekten viel Klein-Klein. Ein Blick in die Empfängerliste zeigt das: Da steht der Neubau einer Sekundarschule in Gardelegen (5,9 Millionen Euro) neben eine ganzer Reihe von Autohäusern, die für ihr „Risikomangement“ ein paar Tausender überwiesen bekamen. Oder Firmen mit Millionenumsätzen erhalten ein paar EU-Tausender für ihren Messe-Auftritt. Jeder einzelne Fall durchläuft das hochkomplexe EU-Förderverfahren. Da stellen sich Effizienzfragen. Das Wirtschaftsministerium verteidigt das Vorgehen: Auch künftig wolle man Firmen den Zugang zu Messen erleichtern. Und es sei „immer sinnvoll“ EU-Gelder einzuplanen, um Landesmittel zu sparen.

Nahezu ausgeschöpft wurde lediglich der Topf fürs Ländliche. Sachsen-Anhalt nutzt daraus Gelder, um Schulen auf dem Lande zu modernisieren.

Es kann sein, dass Sachsen-Anhalt auch noch etliche Millionen Euro zurückzahlen muss. Aus Sicht der Kommission in Brüssel waren einige Projekte nicht förderwürdig. Im Fokus stehen die inzwischen eingestellte Landeskampagne „Wir stehen früher auf“ sowie einige Schulsanierungen. In Rede stehen 110 Millionen Euro.

Werden die Mittel künftig besser abfließen? Das ist ungewiss. Die neue Förderperiode (2014 bis 2022) ist zu einem Drittel herum, doch erst wenige Gelder sind investiert. Im Sektor Wirtschaft sind es magere 3,5 Prozent, im Sozialen 12,5 Prozent. Fürs Ländliche sind immerhin 26 Prozent der Mittel bewilligt. Das Finanzministerium macht zwei Ursachen aus: Voriges Jahr hatten die Ministerien noch zu viel mit den Vorhaben aus der alten Periode zu tun. Und: Es gibt noch mehr Bürokratie.

Die Kommission hat die Daumenschrauben weiter angezogen. Eingeweihte in Brüssel erklären, warum: Vor allem in Ost- und Südeuropa lief zu viel schief. Stichworte: Korruption, Vetternwirtschaft. Ausbaden müssen das nun alle. Wer etwa EU-Gelder aus dem Sozialfonds will, muss sich durchleuchten lassen, all seine Bücher offenlegen. Sachsen-Anhalts Förderexperten schreiben: „Hinzukommt, dass auch datenschutzrechtlich sensible Angaben zur Haushaltslage der Teilnehmer verpflichtend erhoben werden müssen.“ Für jedes einzelne Vorhaben müssen 113 Datenkomplexe erfasst werden – früher waren es 40. Meinung