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Brisantes Gutachten entzweit Bund und Land Falsche Zahlen? Saalekanal-Streit spitzt sich zu

Von Jens Schmidt 15.08.2012, 05:21

Das neueste Gutachten des Bundes rät von einem Bau des Saalekanals wegen zu geringer Tonnagen ab. Land und Wirtschaft halten die erhobenen Zahlen für falsch. Wegen der Brisanz wird die seit Juli vorliegende Expertise unter Verschluss gehalten.

Magdeburg l Das alles entscheidende Gutachten sollte eigentlich schon im Februar vorliegen, wurde dann aber Monat um Monat verschoben. Diese Wirtschaftlichkeitsexpertise soll nach langem Hin und Her klären, ob der Saalekanal je gebaut wird. Mit ihm sollen der Hafen Halle sowie etliche Großunternehmen in Bernburg den seit 20 Jahren verprochenen Zugang zu den Binnenwasserstraßen erhalten, um Zement, Soda, Salz oder Kies kostengünstig mit dem Schiff abfahren zu lassen. Ohne Kanal sind Schiffstransporte so gut wie unmöglich, da die Saale zwischen Calbe und Barby nicht ausgebaut ist und die Schiffe auf Grund laufen würden.

Seit ein paar Wochen ist das Papier fertig; nun ist durchgesickert, warum solch ein Geheimnis darum gemacht wird. Gutachter Planco aus Essen kam auf ein verheerendes Ergebnis: Gerade mal zwischen 240 000 und 560 000 Tonnen Fracht wurden für den Kanal prognostiziert. Damit das 100 Millionen Euro teure Projekt als rentabel gilt, müssten es wenigstens gut eine Million Tonnen sein.

Als die Zahlen in der Branche die Runde machten, war das Entsetzen groß. "Wir waren geschockt und erzürnt", sagt einer aus der Binnenschifffahrts-Lobby. Hatten doch die Firmen aus der Region stets gut drei Millionen Tonnen avisiert.Freude dürfte das Gutachten bei Umweltverbänden auslösen. Allen voran Ernst-Paul Dörfler vom BUND hat den Kanalbau seit Jahren mangels Wirtschaftlichkeit abgelehnt.

Sachsen-Anhalts Verkehrsministerium hat daraufhin die Unternehmen erneut befragt. Und kommt dem Vernehmen nach auf gut 2,4 Millionen Tonnen Fracht pro Jahr. Diese Zahl soll nun von einem Gutachterbüro in Dresden überprüft werden.

Bis Ende des Monats wollen sich Bund und Land einigen, welche Zahlen stimmen.

Bis Ende August versuchen Magdeburg und Berlin sich zu einigen, welche Zahlen nun stimmen. Die Verkehrsministerien wollten sich gestern nicht äußern.

Der Bund hat seit geraumer Zeit kein großes Interesse erkennen lassen, den Kanalbau voranzutreiben. "Die Gelder sind begrenzt. Andere Projekte treten in Konkurrenz dazu", sagte Bundes-Verkehrsstaatssekretär Klaus-Dieter Scheurle bereits 2011 der Volksstimme. Ganz oben steht eine neue Schleuse im Nord-Ostsee-Kanal.

Binnenschiffer und Unternehmer äußern hinter vorgehaltener Hand den Verdacht, dass die Expertise jene Zahlen lieferte, die es dem Bund einfach machen, das Projekt zu beerdigen. So wollte der Gutachter dem Vernehmen nach von den Firmen wissen, welche Fracht sie jetzt auf die Saale bringen würden. Da ohne Kanal kaum etwas transportiert werden kann, fiel das Resultat entsprechend mau aus. Bei den Bernburger Zement-, Soda- und Salzfirmen sei die Tonnage in der Expertise gar mit Null angegeben worden. Seite 5