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Fehlschlag Keiner will’s gewesen sein

Dritter Anlauf, dritte Pleite: Nils Leopold wird nicht oberster Datenschützer in Sachsen-Anhalt. Über die Gründe wird im Landtag gerätselt.

24.05.2018, 23:01

Magdeburg l Sie waren sich alle so sicher. Diesmal klappt es. Vier Fraktionen hatten klar signalisiert: Wir wählen Nils Leopold zum neuen Datenschutzbeauftragten. Der Mann ist ausgewiesener Datenschutzexperte – warum also auch nicht?

Doch die Frage nach dem Warum stellt sich gestern wieder einmal. Als das Ergebnis bekannt gegeben wird – 48 der 83 gültigen Stimmen reichen nicht für die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit – trägt es Leopold mit Fassung. Acht Stimmen fehlen im dritten Anlauf. „Tja“, raunt der 49-Jährige auf der Besuchertribüne und breitet ratlos die Arme aus.

Neben ihm sitzt Harald von Bose, dessen Amtszeit als oberster Datenschützer schon vor 14 Monaten ausgelaufen ist. „Ich werde das Amt weiter führen, bis ein Nachfolger bestellt ist“, sagt er jetzt. Aber auch: „Irgendwann hört die Kraft auf.“

Leopold verlässt kurz nach Wahlausgang die Tribüne – Gespräch mit Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU). Das Ergebnis ist auch eine persönliche Niederlage für den Regierungschef. Er hat Leopold auf Vorschlag der Grünen zum Kandidaten der Regierung gemacht.

Haseloff habe „angefasst und betroffen gewirkt“, sagt Leopold später. Die abermals gescheiterte Wahl kommentiert er so: „Ich bedauere das sehr. Das ist bitter für den Datenschutz.“ Leopold wird nicht noch mal antreten. Er twittert am Nachmittag: „Ich erkläre mein Abenteuer in Sachsen-Anhalt für beendet.“

Nach der Wahl setzt das große Rätseln ein, wie es zu der Pleite kommen konnte. Da neben den Koalitionsfraktionen auch die Linke angekündigt hat, zustimmen zu wollen, hätte Leopold 61 Stimmen erhalten müssen. Wer also sind die 13 Abweichler?

Kamen die Abtrünnigen aus der CDU-Fraktion? Dort sind die Grünen für nicht wenige ein rotes Tuch. Oder hat die Linke mit gezinkten Karten gespielt?, wie etwa SPD-Fraktionsvize Andreas Steppuhn mutmaßt.

Am Ende will es keiner gewesen sein. Alle versuchen, die Deutungshoheit zu gewinnen.

Drei CDU-Parlamentarier hatten zunächst erklärt, den Mann der Grünen nicht wählen zu wollen. CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt beteuert, er habe sie nach persönlichen Gesprächen wieder eingefangen. Er ist „felsenfest“ überzeugt, dass die Koalitionsmehrheit gestanden hat.

Die zu den Abweichlern gezählten Ex-Landtagspräsidenten Hardy Peter Güssau und Detlef Gürth wollen ebenfalls alle Zweifel beseitigen. „Ich habe Herrn Leopold gewählt“, sagt Güssau, der sich über „Unterstellungen“ ärgert. Gürth spricht von „kindlichen Spekulationen“. „Ich habe keinen Grund, ihn nicht zu wählen.“ In seiner Fraktion habe es auch gar „kein Grummeln“ gegeben. „Ich würde wetten, dass die Linke nicht mitgemacht hat. Warum sollte die Opposition auch die Regierung stabilisieren?“

Doch den Schwarzen Peter will sich die Linke nicht zuschieben lassen. Deren Fraktionschef Thomas Lippmann sagt, es habe Warnungen gegeben, dass „größere Teile der Koalition“ dem Kandidaten der Landesregierung ihre Unterstützung verweigern. Doch Haseloff habe ihn „erneut ins Feuer geschickt und damit endgültig verbrannt“.

Wieder einmal hätten „mindestens ein Dutzend Koalitionäre die Gefolgschaft verweigert“, sagt Lippmann. Sie seien wegen eigener Interessen bereit, „die Handlungsfähigkeit der Koalition immer wieder zu untergraben und damit deren Fortbestand aufs Spiel zu setzen. Dem Parlament und dem Land wird dadurch immer größerer Schaden zugefügt.“ Haseloff müsse nun klären, ob er für seine Politik noch die Unterstützung der eigenen Leute habe.

Petra Grimm-Benne (SPD), Sozialministerin und stellvertretende Regierungschefin, ist enttäuscht, da „uns vier Fraktionsvorsitzende versichert haben, dass es diesmal eine Mehrheit gibt“.

CDU-Mann Borgwardt versucht nach der Wahl noch zu retten, was zu retten ist. Er lässt den Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags prüfen, ob das Abstimmungsergebnis nach der Landesverfassung nicht doch irgendwie ausreicht, um Leopold auch mit weniger Stimmen ins Amt zu bringen. Doch da machen die Juristen ihm schnell einen Strich durch die Rechnung.“

Wie geht es nun weiter mit Leopold? „Ich habe um 12 Uhr einen Termin“, sagt er und lächelt verschmitzt. „Ich muss jetzt zur Arbeit.“ Nach Berlin. In sichere Gefilde.