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Felgner-Affäre Riss durch die Koalition

Sachsen-Anhalts Wirtschaftsminister musste sich im Finanzausschuss erklären.

Von Jens Schmidt 15.09.2016, 01:01

Magdeburg l Der Finanzausschuss des Landtags hat sich am Mittwoch drei Stunden mit fragwürdigen Beraterverträgen befasst. Wirtschaftsminister Jörg Felgner (SPD) räumte erneut Fehler ein. Als Finanzstaatssekretär hatte er 2013 am Parlament vorbei einen 6,3-Millionen-Euro-Vertrag mit der Investitionsbank unterzeichnet. Der Finanzausschuss hätte informiert werden sollen, sagte er reumütig. Den Vertrag hätte er erst nach Verabschiedung des Landeshaushalts unterschreiben sollen. Felgner: „Ich habe den dritten vor dem zweiten Schritt gemacht. Der rechtlich noch mögliche Weg war politisch nicht der klügste.“

In der Bewertung der Angelegenheit geht ein tiefer Riss durch die Koalition. Andreas Schmidt (SPD) gab Felgner volle Rückendeckung. Dieser habe nachvollziehbar dargelegt, dass er „keine Strategie verfolgte, die darauf abzielte, den Landtag zu umgehen“. Der Vertragsabschluss sei auf Grundlage einer Vorlage erfolgt, „die die Rechtmäßigkeit und Zulässigkeit des Vertrages begründete“.

CDU-Politiker nahmen Felgner in die Mangel. Eva Feußner sagte: „Es wurden bei weitem nicht alle Vorwürfe ausgeräumt. Die Art des Verfahrens bleibt strittig.“ Es gebe einen „Vertrauensverlust gegenüber dem Parlament“. Auf die Frage, ob Felgner zurücktreten solle, antwortete sie: „Die Regierung ist gefragt, insbesondere der Ministerpräsident.“ Guido Heuer sagte: „Herr Felgner konnte die Vorwürfe nicht entkräften.“ Daniel Szarata ging noch einen Schritt weiter: Es seien sogar neue Fragen aufgetaucht. So müsse genau beleuchtet werden, warum es vor einer Ausschreibung Gespräche mit genau dem Institut, dem isw, gab, welches danach tatsächlich einen 4,4-Millionen-Euro-Auftrag erhielt.

Robert Farle (AfD) forderte Felgners Rücktritt: „Die Fakten dafür sind alle gegeben.“ Felgner habe den Vertrag unter Bruch geltenden Haushaltsrechts am Landtag vorbei unterschrieben. Die AfD erwägt einen Untersuchungsauschuss.

Linke-Fraktionschef Swen Knöchel rückt den früheren Finanzminister in den Fokus. Er sprach vom „System Bullerjahn“. Es sei zu erkennen, dass Felgner „nicht der Verantwortliche war, sondern Teil einer Verantwortungskette“. Fraktionskollegin Kristin Heiß sagte: „Felgner ist nicht unschuldig, aber er sollte nicht den Kopf für alles hinhalten.“

Der Rechnungshof prüft ab sofort alle Beraterverträge von 2014 bis 2016. Auch die Geschäftsbesorgungsverträge mit der Investitionsbank sollen unter die Lupe genommen werden.

Seit 2005 müssen Ministerien Beraterverträge ab 20 000 Euro dem Finanzausschuss vorlegen. Dieser entscheidet, ob es grünes Licht gibt. Die verschärfte Regel wurde eingeführt, weil das Land bereits damals von einer Beratervertrags-Affäre überschattet worden war. Von 1994 bis 2004 wurden etliche millionenschwere Aufträge freihändig vergeben. „Dass danach die aufgestellten Regeln dennoch missachtet wurden, hat uns sehr überrascht“, sagt Rechnungshofpräsident Kay Barthel. „Das zeigt, dass keine Lehren gezogen wurden.“