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Ferienzeit KiEZ Arendsee: Vom Pionierlager zur Oase

Wie aus dem Pionierlager „Maurice Thorez“ in Arendsee, einem Prestigeobjekt der DDR, ein Erholungszentrum für Kinder und Jugendliche wurde.

Von Janette Beck 20.07.2018, 01:01

Arendsee l Die schmale Straße durch den schattigen Wald. Vogelgezwitscher. Der Geruch von Harz, Kienäpfel unter den Sandalen. Stimmengewirr und Lachen von Kindern. Handtücher auf den Wäscheleinen vorm Bungalow. Sofort werden Erinnerungen wach: Internationales Pionierlager „Maurice Thorez“ in Arendsee – irgendwann Ende der 1970er Jahre ...

Zu einer Kindheit in der DDR gehörte für Millionen im Sommer auch das Ferienlager. Trotz aller Ideologie – die meisten verbinden den Blick zurück weniger mit dem obligatorischen Fahnenappell sowie Pionierbluse und -halstuch im Gepäck, sondern eher mit jeder Menge Ferienspaß. Seien es Nachtwanderung, Neptunfest oder Diskos, die in Erinnerung geblieben sind, oder die erste kleine Romanze am Lagerfeuer inklusive bitterer Tränen zum Abschied – schön war‘s allemal.

Schön ist es ganz offensichtlich auch heute. Und es sind die gleichen, coolen Highlights, die die Kinder und Jugendlichen aus dem Ferienlager in Arendsee als prägende Eindrücke mit nach Hause nehmen, weiß KiEZ-Geschäftsführerin Irmela Spöttle: „Nachtwanderung, Neptunfest oder Herzklopfen am Lagerfeuer sind nach wie vor angesagt.“ Und nicht selten verdrücken die Kids beim Abschied die eine oder andere Träne, weil es so schön war und sie sich nicht von den neugewonnenen Freunden trennen wollen. „Viele verabreden sich für den nächsten Sommer. Für uns ist das ein Zeichen, dass sich die Kinder im KiEZ wohlfühlen und wir mit unserem Konzept richtig liegen.“

Dass sich trotz grundlegender gesellschaftlicher Veränderungen viele Parallelen zu früher ziehen lassen, mag daran liegen, dass es den Trägerverein „Kinder- und Jugenderholungszentrum Arendsee e.v.“ mit viel Fingerspitzengefühl gelungen ist, eine Brücke zum Heute zu schlagen. So bietet das neun Hektar große Erholungszentrum Ferienspaß – ganzjährig und auf hohem Niveau. Und dennoch hat sich dieser Ort einen gewissen Teil Nostalgie und den typischen Ferienlager-Charme bewahrt. Denn mitten im Kiefernwald, wo sich vor über 50 Jahren die schlichten Bungalows mit je acht Doppelstockbetten und Spinden sowie die Gemeinschafts-Waschräume und die Großküche befanden, stehen auch heute noch zahlreiche Holz-Bungalows und Sommerhütten. Allerdings viel moderner, heller, heimeliger.

Und mit einer komfortablen Ausstattung, die auch ohne Luxus keine Wünsche offen lässt – Fernseher inklusive. „Das muss sein, wenn wir schon kein WLAN haben. Was die Internetversorgung in Arendsee anbelangt, sind wir hier leider immer noch hinterm Mond“, macht die KiEZ-Chefin auf den für sie kleinen, für einige Teenager allerdings nahezu lebendsbedrohlichen „Schönheitsfehler“ aufmerksam.

Bei der anschließenden „Führung“ durch die Anlage blüht die Chefin regelrecht auf. Die Wangen röten sich. Das KiEZ kann sich sehenlassen: Drei Festhäuser, Bungalows, thematisch gestaltete Clubräume, Freizeithaus, Bowlingbahn, Bolzplatz, Fitnessraum, Sport- und Spieltenne mit Kletterwand, Freilichtbühne, Squash Court, Kreativwerkstatt, Spielzimmer ...

Ja, sogar ein Kaminzimmer, die Sauna mit heißem Stein und ein kleiner Wellness-Tempel hat das Erholungszentrum zu bieten – Ferienherz was willst du mehr?! „Nichts“, beantwortet Danny Fischer die rhetorische Frage. Der Verbandsjugendwart der Feuerwehr im Ohrekreis ist zum dritten Mal mit über 300 Kindern und Betreuern zu Gast im KiEZ. „Hier wird einem jeder Wunsch von den Lippen abgelesen. Alle fühlen sich sehr wohl hier, besser könnte es nicht sein.“ Und seine Tochter pflichtet ihm bei: „Ich will jedes Mal gar nicht wieder weg.“

Das hört Irmela Spöttle gerne. Und sie ist stolz auf das, was nach dem Abriss der meisten Gebäude neu entstanden ist und von 29 ganzjährig angestellten Mitarbeitern plus zehn Saisonkräften mit viel Herzblut in Schuss gehalten wird. „Ich habe ein tolles Team. Alle packen mit an und ziehen an einem Strang. Aber anders funktioniert das Ganze auch nicht.“

Doch wer, wenn nicht die Chefin selbst kann einschätzen, wie viel Kraft und Mühe es gekostet hat, diese Wohlfühl-Oase für Kinder und Jugendlichen zu schaffen. Sie kennt jede Ecke, jeden Winkel des ehemaligen Pionierlagers aus dem Effeff, gehört die gestandene Landfrau doch quasi „zum Inventar“ wie sie selbst sagt. Schon zu DDR-Zeiten, in den 1980er Jahren, hatte sie hier als Objektleiterin den Hut auf, arbeitete eng mit dem Träger, dem Magdeburger Schwermaschinenbaukombinat „Karl Liebknecht“ zusammen.

Der Altmärkerin sei es auch zu verdanken, meint nach Ansicht von Hans-Jürgen Ostermann, Vorsitzender des Trägervereins, dass das Ex-Pionierlager nicht unter die Räder der Abwicklungswut der Treuhand geriet: „Auf ihre Initiative hin gründete sich Ende 1992 der KiEZ-Verein, der das Gelände zwei Jahre später pachtete und 1998 erwerben konnte – für 850.000 D-Mark.“

Der damals genommene Kredit ist längst abbezahlt, denn es lief von Anfang an gut. Die Investitionen von geschätzt 4 Millionen Euro, der Großteil gefördert durch das Sozialministerum, haben sich ausgezahlt: Das KiEZ gilt inzwischen als größter Bettenanbieter der Altmark. 550 stehen zur Verfügung, davon 300 Betten ganzjährig. „Mit 50.000 Übernachtungen und 15.000 Gästen im Jahr sind wir gut gebucht. Die Auslastung liegt bei 34 bis 39 Prozent – das ist super in Vergleich zu anderen“, strahlt Irmela Spöttle. Die „schwarze Null“ am Jahresende und die leuchtenden Kinderaugen geben ihr das Recht dazu ...