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Finzelberg-Prozess Urteil überraschend vertagt

Der Korruptionsprozess zum Müllskandal im Jerichower Land geht in die nächste Runde. Es werden weitere Beweise geprüft.

06.04.2017, 10:10

Magdeburg l Der Korruptionsprozess gegen den früheren Landrat des Jerichower Landes, Lothar Finzelberg (parteilos), hat entgegen aller Erwartungen am Donnerstag nicht sein Ende gefunden. Eigentlich sollte der Angeklagte bei der Verhandlung am Magdeburger Landgericht das letzte Wort sprechen. Doch der Vorsitzende Richter Gerhard Köneke will erneut in die Beweisaufnahme eintreten. Die Schlussvorträge von Staatsanwaltschaft und Verteidigung hätten gezeigt, dass in dem Fall viele Details eine Rolle spielten, sagte er. Die Verhandlung wird am 27. April fortgesetzt.

Finzelberg ist wegen Bestechlichkeit und Steuerhinterziehung angeklagt. Die Staatsanwaltschaft sieht es als erwiesen an, dass er im Zuge des Müllskandals im Jerichower Land Geld und andere Vorteile im Wert von 250.000 Euro von Unternehmern angenommen hat.

Ende April soll nun ein neues Beweismittel unter die Lupe genommen werden. Der Richter hatte einen Beamten des Landeskriminialamtes vor der Verhandlung am Donnerstag beauftragt, erneut Bild- und Videomaterial zu sichten. Dabei soll ein neues Foto aufgetaucht sein, dass die Kammer prüfen will.

Hintergrund ist eine Geldübergabe auf einem "Hochsitz" in der Nähe von Finzelbergs Grundstück in Genthin - so hat es zumindest der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft, Uwe S., dargestellt. Dort will er dem damaligen Landrat mehrere zehntausend Euro übergeben haben. Die Verteidigung weist diesen Vorwurf zurück. Finzelbergs Anwalt Andreas Meschkat sagte der Volksstimme nach der Verhandlung am Donnerstag: "Das ist eine Lüge von Herrn S. Dort hat es nie einen Hochsitz gegeben." Die Ermittlungen der Behörden seien "schlampig".

Auch ein Jäger hat während des Prozesses bestätigt, dass es in der unmittelbaren Nähe von Finzelbergs Wohnhauses zwischen 2005 und 2008 keinen Hochsitz gegeben habe. Stattdessen soll sich dort ein Baumhaus oder ein Kinderspielhaus stehen. Das neue Beweismittel könnte Aufschluss darüber geben, seit wann es sich dort befindet und ob die Angaben des Kronzeugen glaubwürdig sind.

Finzelberg wittert eine Verschwörung. Am Mittwoch hätten Polizisten die Anwohner in Genthin nochmals zu der Sache befragt, sagte er. Dies alles komme vor dem erwarteten Urteil sehr plötzlich, so der Ex-Landrat. "Bei so einer Aktion stellt sich die Frage, ob man nicht Angst davor hat, dass dieser Prozess nicht das gewünschte Ergebnis hervorbringt", sagte Finzelberg der Volksstimme nach der Verhandlung.

Die Sitzung am Donnerstag war bereits der 55. Verhandlungstag. Die Staatsanwaltschaft hatte Anfang März in ihrem Schlussvortrag eine Haftstrafe von vier Jahren und sieben Monaten gefordert. Die Verteidigung beantragte Freispruch. Aus ihrer Sicht gibt es keine Beweise, dass Finzelberg Bestechungsgelder angenommen hat. Sie griff im Prozess mehrfach die Glaubwürdigkeit des Kronzeugen an.

Durch das neue Beweismittel wird sich der Prozess weiter verlängern. Ihre Plädoyers müssen Staatsanwaltschaft und Verteidigung nach dem Ende der Beweisaufnahme erneut halten. Mit einem Urteil ist nun frühestens Mitte Mai zu rechnen.