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Flüchtlinge Traumata durch Gewalt

Viele Flüchtlinge erlebten Krieg, Folter und Gewalt. In Sachsen-Anhalt wurden 2016 Hunderte Asylsuchende pschychologisch behandelt.

26.07.2017, 13:25

Magdeburg (dpa) l Mindestens 280 Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt sind im vergangenen Jahr wegen psychischer Probleme oder Traumata behandelt worden. Im ersten Halbjahr 2017 wurden bereits mindestens 140 solcher Behandlungen registriert, geht aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linke-Abgeordneten Henriette Quade hervor. Allerdings werden die Zahlen in rund der Hälfte der Landkreise nicht statistisch erfasst. Hinzu kommen Gespräche und Therapien in den Psychosozialen Zentren des Landes in Magdeburg und Halle.

Die meisten Flüchtlinge wurden wegen psychischer Probleme in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber (Zast) in Halberstadt behandelt. Dort wurden im vergangenen Jahr 74 Betroffene gezählt, in den ersten sechs Monaten 2017 bereits 38. In Magdeburg bekamen 73 Asylsuchende psychologische Hilfe, in diesem Jahr sogar bereits 57. Es folgen der Salzlandkreis (2016: 60), der Landkreis Wittenberg (39) und der Landkreis Stendal (25).

Flüchtlinge, die Opfer von Folter, Vergewaltigung oder anderer Formen von psychischer, physischer oder sexueller Gewalt geworden sind, haben Anspruch auf die Behandlung ihrer Verletzungen. Nach Angaben des Innenministeriums bietet deshalb seit November 2016 ein Psychologe Sprechstunden in der Zast sowie in den Landesaufnahmeeinrichtungen in Magdeburg und Klietz an. In der Zast wurde zudem eine Arbeitsgruppe "Psychosoziale Betreuung" geschaffen, zu der auch Vertreter des Gesundheitsamtes sowie Sozialarbeiter gehören.

Allerdings kommt es laut Ministerium immer wieder zu Verständigungsschwierigkeiten zwischen Flüchtlingen und Helfern. Das könne zu Missverständnissen, Fehldiagnosen und Fehlbehandlungen führen. Medizinisch-psychologisch geschulte Dolmetscher seien deshalb unverzichtbar. In den psychiatrischen Krankenhäuser des Landes werden deshalb nach den Angaben auch zunehmend multikulturelle Teams unter Ärzten und Pflegern zusammengestellt.

Auch in den Psychosozialen Zentren stellt die Sprache oft eine Hürde dar. "Es gibt nach wie vor viel zu wenig Dolmetscher", sagte Frieder Weigmann von der Diakonie Mitteldeutschland, die Träger der Zentren ist. Sie sind Anlaufstellen für Traumatisierte und Überlebende von Folter, Krieg und Gewalt – unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus. Angeboten werden unter anderem psychologische Beratung, Therapie und begleitende Sozialberatung. Laut Diakonie wurde im vergangenen Jahr 381 Migrantinnen und Migranten geholfen.

Probleme gebe es auch wegen kultureller Unterschiede, berichtete Weigmann. "Vor allem bei Frauen, die Gewalt erlebt haben, ist die Hemmschwelle groß, sich auf eine Beratung einzulassen." In ihren Heimatländern sei es etwa oft üblich, dass andere Familienmitglieder bei dem Gespräch dabei sind. "Unsere Beratungspraxis passt häufig nicht dazu, wie die Betroffenen mit ihren Problemen umgehen." Die Mitarbeiter der Psychosozialen Zentren seien nach wie vor stark ausgelastet. "Bis eine Therapie zustande kommt, ist es oft ein langer Weg", sagte Weigmann.