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Fluggesellschaft Mit Interflug über die Ackerböden Magdeburgs

Die DDR-Fluggesellschaft Interflug wurde vor 60 Jahren gegründet. Als Flugkapitän in Magdeburg absolvierte Peter Hildebrand 66.000 Starts.

21.09.2018, 23:01

Magdeburg l Erst Landwirt, dann Agrarflieger: Peter Hildebrand hatte immer eine besondere Beziehung zum Boden. Über diesem schwebte er bei 66.000 Starts rund 10.000 Stunden über den Ackerböden des früheren Bezirkes Magdeburg. Der Flugkapitän hat da genaue Aufzeichnungen. Die Schere zwischen Starts und Stunden erklärt sich damit, dass ein Agrarflug in der Regel nur drei bis vier Minuten dauerte.

Der Job Hildebrands und der seiner rund 70 Kollegen der Agrarflugstaffel Magdeburg der Interflug war es, aus der Luft die Nutzflächen mit Stickstoff zu düngen und die Schädlinge auszumerzen. „Ende der 1970er Jahre gab es dafür in jedem Kreis ein Flugzeug. In Halberstadt, Staßfurt und Wanzleben waren es zwei – in der Börde konnte jeder Hektar beflogen werden.“

Die Agrarflieger waren von Mitte Februar bis Ende Oktober in der Luft. Sie erfüllten auch Extrawünsche: In nassen Jahren halfen sie im Herbst bei der Weizenaussaat. Als Ersatz für die Sämaschinen, die im aufgeweichten Acker eingesunken wären.

Zur Fliegerei kam der Bauernjunge Peter Hildebrand bei seinem Studium zum Diplom-Landwirt 1967 in Jena: „Da hielt ein Avio-Agronom aus Berlin-Schönefeld einen Vortrag bei uns. Agrarflieger wurden damals gesucht.“ Hildebrand fing Feuer. Es folgten anderthalb Jahre Ausbildung in der Fliegerschule in Leipzig-Mockau.

Anschließend kehrte der heute 75-Jährige ins Magdeburger Land zurück, das ihm zur Heimat geworden war. Mit der Familie war Hildebrand im Januar 1945 aus der Posener Gegend im heutigen Polen nach Lüttgenziatz bei Möckern geflohen.

Die Eltern waren Landwirte und übernahmen einen Neubauernhof. Nach dem Tod des Vaters 1952 musste die Mutter mit 33 Jahren ihre beiden Kinder allein großziehen. Die Bauernjungen wurden Tierarzt und Flugkapitän.

Zum Flugzeugpark der gelb lackierten DDR-Agrarflotte gehörten zu Anfang die russische AN 2 und die tschechoslowakische L 60. Ebenfalls aus der CSSR kam die Z-37 A „Cmelak“ (Hummel). Von 1980 an wurde das Fluggerät mit der polnischen PZL-106 „Kruk“ (Rabe) ergänzt.

Hildebrand sagt, er habe die „Hummel“ und den „Raben“ gleichermaßen gern geflogen. Die polnische Maschine sei allerdings mit 1000 PS wesentlich stärker motorisiert gewesen als die „Hummel“ mit nur 300 Pferdestärken. Dafür hätten die „Raben“ aber auch deutlich mehr Treibstoff geschluckt.

Schon bald nach der Flugschule wurde Hildebrand 1972 selbst zum Ausbilder: Als Lehrpilot bei der Magdeburger Staffel brachte er Agrarfliegern das Einmaleins des Berufes bei. Sein eigenes Einsatzgebiet war der Kreis Burg.

Fotos aus seiner Fliegerzeit hat Peter Hildebrand kaum: Es herrschte striktes Foto-Verbot im Cockpit: „Staatliche Sicherheit kam vor der Flugsicherheit“, erklärt der frühere Agrarflieger. Ein Thüringer Kollege hätte schmerzlich erfahren müssen, wie ernst das gemeint war, berichtet er. Auf Bitten eines Skatfreundes habe dieser dessen Grundstück von oben abgelichtet.

Die Kamera sei jedoch aus dem Flugzeug gefallen. Sie wurde entdeckt, der Finder entwickelte den Film, auf den Fotos war die Nummer des Flugzeuges zu sehen. Die Aufnahmen gelangten an die zuständigen Organe, die nicht lange suchen mussten  ... Resultat: Ein Jahr Flugverbot für den Thüringer Kollegen.

Magdeburg war Grenzbezirk. Mit den Maschinen war es ein Klacks, aus der DDR zu fliehen. Hildebrand: „In meiner Zeit als Flieger haben das acht bis neun Leute ausgenutzt. In zehn Minuten waren sie im Westen. Die Flugzeuge hingen ja nicht an einer Schnur.“ Für ihn selbst sei das nie in Frage gekommen – die Familie sollte nicht zerrissen werden. Demnächst feiert der Flugkapitän, der Vater zweier Töchter ist, seine goldene Hochzeit: „Meine Frau hat mir stets den Rücken frei gehalten“, sagt er dankbar.

„Zwölf Millionen Tonnen Getreide habe die DDR pro Jahr für die Ernährung der Bevölkerung und Tierfutter gebraucht“, sagt Hildebrand. Dafür leisteten seine Kollegen und er ihren Beitrag aus der Luft. Die Dauerberieselung der Felder mit giftigen Stoffen durch die „Mistbomber“ brachte sie auch in Verruf. Flieger Hildebrand ficht das nicht. „Ich bin mit der Ladung in Berührung gekommen. Trotzdem ist mir nichts passiert.“

Es gab auch naturfreundliche Kniffe: Zur Schädlingsbekämpfung beim Raps habe es zwei Mittel gegeben. Eines war gefährlich für Fische in feldnahen Gewässern, aber nicht für Honigbienen. Beim zweiten war es umgekehrt. Also wurde das fischfreundliche Mittel am frühen Morgen ausgebracht und dann gewechselt. Hildebrand: „Denn Bienen fliegen erst ab acht Grad Celsius.“