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Fraktionsvorsitz Lippmann folgt bei Linken auf Knöchel

Wechsel an der Spitze der Linken-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt: Thomas Lippmann soll die Nachfolge von Swen Knöchel antreten.

Von Jens Schmidt 20.10.2017, 19:54

Magdeburg l Um 11 Uhr piepen bei den Fraktionsmitgliedern der Linken die Smartphones. Eine neue Whats-App-Nachricht ist da. Gemeldet hat sich ihr Fraktionschef Swen Knöchel. Mit der Nachricht: Ich trete zurück. Knöchels Ton ist bitter. Er fühlt sich zutiefst verletzt.

Die Nachricht schlägt im politischen Landesbetrieb eine wie eine Bombe. Landesparteichef Andreas Höppner sagt: „Das habe ich nicht erwartet.“

Wirklich nicht? Vor einer Woche hatte Höppner den Fraktionschef zur Seite genommen. Und ihm gesagt, was läuft und was nicht. Das Negative überwog. Das ganze mündete in der Aufforderung, er möge bei den anstehenden Fraktionsvorstandswahl im November besser nicht wieder antreten. Eine Mehrheit sei ungewiss. Doch Knöchel verzichtete nicht erst im November auf die Kandidatur. Gestern schmiss er hin. Die Kritik hatte ihn tief ins Mark getroffen. Knöchel schreibt im Internet auf Facebook: „Kritik, die ich annehmen muss, die mich aber in der massiven Form des Vortrags überrascht und teilweise auch verletzt hat.“

Knöchel übernahm im März das Amt von Wulf Gallert. Dass die Stiefel des rhetorischen Naturtalents und Generalisten Gallerts groß sein würden, war klar. Doch Knöchel war Gallerts Wunschnachfolger. Aber so sehr sich Knöchel mühte, beeindrucken konnte er weder Freund noch Gegner. Seine mitunter aufbrausende Art und seine gespielte Ironie bei seinen Landtagsreden wirkten meist verstörend. Knöchel, lange Zeit Finanzer, zerpflückte gern den Haushaltsentwurf der Koalition, doch zu selten führte er den großen, gesellschaftspolitischen Angriff. Doch genau den wünscht sich die Fraktion Partei wieder. Zumal die Linke Tausende Wähler in Sachsen-Anhalt an die AfD verloren hat. Erst bei der Landtagswahl 2016, jetzt bei der Bundestagswahl.

Knöchel sagt, Meinungsverschiedenheiten hätten selten über die politische Ausrichtung der Fraktion bestanden, sehr oft aber in Fragen der Organisation und der Kommunikation. „Die Debatten waren nervenaufreibend und für mich nur schwer zu bewältigen.“ Sie hätten zu „Grabenkämpfen“ geführt. „Und ja, sie haben mich teilweise überfordert und aufgerieben.“

Landeschef Höppner bedankt sich in seinem offiziellen Statement bei Knöchel - wie das bei Rücktritten so üblich ist. „Swen Knöchel hat in einer schwierigen Zeit die Verantwortung als Fraktionsvorsitzender übernommen und hat seine ganze Kraft dafür eingesetzt, die Landtagsfraktion in ein ruhiges Fahrwasser zu bringen und auf die inhaltliche Arbeit zu konzentrieren.“ Neben Erfolgen habe es in der Fraktion und in der Partei aber auch Kritik gegeben. „Darüber haben wir in einem ehrlichen Prozess diskutiert – und zwar intern und nicht über Dritte.“

In den Stunden nach dem Rücktritt wird über die Nachfolge spekuliert. Kommt der alte Kämpfer Gallert zurück? Wären Fraktionsvize Eva von Angern oder Parlamentsgeschäftsführer Stefan Gebhardt geeignet? Doch die Magdeburgerin von Angern genießt nicht den breiten Rückhalt, den eine Fraktionschefin braucht. Und Gebhardt bleibt Fraktionsmanager.

Um 18.14 Uhr kommt eine Presseerklärung von Fraktionsvorstand und Landeschef. Thomas Lippmann wird einstimmig als neuer Fraktionschef vorgeschlagen. Er setze politische Schwerpunkte genau dort, wo der Sozialabbau im Land gravierende Konsequenzen zeige, heißt es.

Zwar ist der 55-Jährige erst 2016 in die Partei eingetreten und erst seit anderthalb Jahren im Landtag: Doch als langjähriger Lehrer-Gewerkschaftschef ist er kampferprobt. Und als Bildungspolitiker führt Lippmann eine scharfe Klinge. Rhetorisch stets im Angriffsmodus ist er derzeit die auffälligste Figur in der Fraktion.

Zum Kommentar von Christopher Kissmann.