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Gartenschau Die Goldgräberin

Seit 18 Jahren reist Andrea Marchand als Hallengestalterin auf Bundesgartenschauen. 2018 in Burg gestaltet sie heimische Gärten.

Von Juliane Just 10.10.2017, 01:01

Berlin/Burg/Magdeburg l Kleine Farbkleckse zieren ein Beet, auf dem bis vor kurzem noch dunkles Gestrüpp sich seinen Weg bahnte. Dazwischen, in einem grünen Pullover kaum zu erkennen, sitzt Andrea Marchand. Nur die Hände, in roten Handschuhen versteckt, leuchten aus dem Grün. „Das sieht aber schön aus“, rufen die Besucher des Marktes auf dem Burger Magdalenenplatz ihr zu. Manche freuen sich auch einfach nur, sie zu sehen – dachte man doch, die Gärtnerin sei weggezogen. Kein Wunder, denn in letzter Zeit war Andrea Marchand nur selten in ihrer Heimatstadt.

Ihr zweiter Wohnsitz auf Zeit war in diesem Jahr Berlin, wohin sie die Internationale Gartenschau verschlug. Als Blumenhallengestalterin konzipierte sie dort sieben Themenbereiche und pendelte zwischen Burg und Berlin. „Es gibt böse Zungen, die behaupten, mein Auto sei ein Wohnwagen“, sagt die Gärtnerin und schmunzelt. Dabei habe sie nur ab und zu in ihrem Auto genächtigt, die meiste Zeit hatte sie nahe der Gartenschau ein Dach über dem Kopf.

Müßiggang und Sommerfrüchte, Wellen aus wogenden Blüten oder Tropenfahrt zur Orchideenbucht – nur einige Themen der riesigen Blumenhalle, mit denen Andrea Marchand sich in Berlin floral auseinandersetzen musste. „Manchmal muss man über die Themen doch ein wenig grübeln“, sagt die Gärtnerin.

Sieben Mal krempelte sie mit ihrem Team die 700 Quadratmeter große Halle der Internationalen Gartenschau um. Um das zu schaffen, braucht sie viele fleißige Hände und eine gute Planung – immerhin hat sie nur knapp fünf Tage Zeit, um die glatt geharkten, tristen Beete wieder mit Farbklecksen zu übersäen und den Besucher mit einem neuen Konzept zu überraschen.

Ihre Arrangements sind überzeugend, zahlreiche Goldmedaillen kann sie bereits stolz vorzeigen. Diese werden von der Bundesgartenschau-Gesellschaft an teilnehmende Gärtner und Floristen vergeben – für ganze Hallen, für einzelne Themen, für spezielle Arrangements. „Ich hänge die Medaillengewinne nie an die große Glocke“, sagt Andrea Marchand. Ihre robusten Gärtnerhände stehen beim Erzählen nie still. Seit 1999 gestaltete sie unzählige Blumenhallen – in Koblenz, Schwerin, Rostock. Doch begonnen hat alles in Sachsen-Anhalt.

Die Bundesgartenschau in Magdeburg, 1999. Die Veranstaltung wurde von vielen Einheimischen mit Freude, aber auch mit Angst erwartet. Für die Gärtnerin und Agraringenieurin aus Burg war es der Beginn ihrer Medaillensammlung. Als Präsidentin des Fachverbandes Deutscher Floristen Sachsen-Anhalt wurde sie vor 18 Jahren angefragt, ob sie nicht die Halle mitgestalten will. Sie wollte. „Wir hatten so viel Spaß daran, dass wir fortan auf jeder Bundesgartenschau präsent waren“, erzählt sie.

Auch in diesem Jahr konnte sie sich wieder mit ihrer Heimat beschäftigen, denn Sachsen-Anhalt zeigte sich in Berlin mit einer Blumenschau. Mit beleuchteten, kreisrunden Holzarrangements wurden die Besucher begrüßt – das Lieblingsmotiv für die Handykamera der Besucher. „Sundowners auf der Saxonia“ hieß das gewöhnungsbedürftige Thema.

Umgesetzt wurde eine Abendstimmung auf dem Meer mit warmen Tönen und herbstlichen, verspielten Ensembles – ohne dabei jedoch kitschig zu wirken. „Das ist immer die Herausforderung: die einzelnen Pflanzen und Ideen der mitgestaltenden Gärtner zu einer Einheit zu verbinden“, sagt Marchand. Für diese Halle erhielt sie eine Handvoll Goldmedaillen. Das Lieblingsfotomotiv der Besucher wurde ebenfalls mit Gold ausgezeichnet.

Eine Genugtuung für die Hallengestalterin, denn das Bundesland wurde vorab in Sachen Floristik belächelt. Das bekam Andrea Marchand in den vergangenen Jahren oft zu spüren: „Wenn zum Beispiel die Gärtner aus Baden-Württemberg ihre 40 000 Weinfässer abgebaut hatten und wir kamen mit unseren zierlichen Pflänzchen, hat man einen deutlichen Qualitätsunterschied bemerkt.“ In diesem Jahr wollten die Gärtner aus Sachsen-Anhalt aus der unliebsamen Ecke heraus. Sie gestalteten größere Ensembles, mit Holz verziert und regionsbezogen – und sammelten Goldmedaillen.

Nach einem halben Jahr der Pendelei ist der Einsatz von Andrea Marchand auf der Internationalen Gartenschau zu Ende. Am 15. Oktober schließen sich die Tore für Besucher, die letzten Pflänzchen werden ausgegraben, die Blumenhalle abgebaut. Nun kann sich Andrea Marchand vom „Florawerk“, wie das Unternehmen für die Hallengestaltung heißt, wieder dem „Floralakzent“ widmen. Den Blumenladen betreibt sie zusammen mit ihrem Sohn Max Marchand und einer weiteren Mitarbeiterin in Magdeburg. Anstatt 700 Quadratmeter bewirtschaftet sie hier 80 Quadratmeter.

Doch nun die Beine hochzulegen, kommt für die Gärtnerin nicht infrage – auch im Blumenladen stehen die Kunden Schlange. Im September gestaltete das Team an einem Arbeitstag Blumenschmuck für insgesamt neun Hochzeiten. „Man muss sich ständig übertreffen und neu erfinden. Dabei stößt man aber manchmal an Grenzen“, sagt Andrea Marchand. Die Bestellungen geben ihrem Konzept recht: Die Pflanze in ihrer Naturbelassenheit so zu nehmen, wie sie ist, und am Ende ein individuelles Kunstwerk daraus zu gestalten.

Viel Zeit bleibt ihr für die kleinen Arrangements nicht, denn die Ausschreibung für die Landesgartenschau in Burg 2018 startet dieser Tage. Und es ist eine Ehrensache, dass Andrea Marchand dort die Gestaltung übernehmen will. „Es wäre schon traurig, wenn man jahrelang auf sämtlichen Gartenschauen präsent ist und dann in der eigenen Stadt nichts macht“, sagt sie.

Die Pendelei würde dann im kommenden Jahr für sie wegfallen, wenn die Landesgartenschau direkt vor ihrer Tür stattfindet. Und dann, anno 2019, steht schon wieder die nächste Bundesgartenschau in den Startlöchern. Dort will die 60-Jährige, wenn es die Gesundheit zulässt, wieder die Hallengestaltung übernehmen. Ihr nächster Wohnort auf Zeit: Heilbronn.