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Geburten Sachsen-Anhalt fehlen Hebammen

Viele Kliniken melden Hebammen-Notstand. Sachsen-Anhalt hat keinen Überblick über die Versorgung. Eine Studie soll das ändern.

Von Elisa Sowieja 04.12.2017, 00:01

Magdeburg l Die Zahl der Krankenhäuser, die in Sachsen-Anhalt Geburten anbieten, ist binnen 15 Jahren um ein Drittel geschrumpft. Anfang 2018 werden es nur noch 20 sein. Die jüngsten Fälle: In Weißenfels schließt die Entbindungsstation zum Jahresende, in Haldensleben ist sie seit 2016 bei der Rettungsstelle abgemeldet. Ein Hauptgrund für Schließungen ist in letzter Zeit meist der Hebammenmangel. Der Landeshebammenverband beklagt schon länger eine Unterversorgung – nicht nur in Kliniken, auch in der Vor- und Nachsorge. Doch wo und in welchem Ausmaß es den tatsächlich gibt, dazu hat niemand Daten.

Eine Studie im Auftrag des Sozialministeriums soll nun Licht ins Dunkel bringen. Sie soll ermitteln, wie viele feste und freiberufliche Hebammen wo im Land arbeiten, was sie machen, wie sich die Personalsituation künftig entwickelt, wie es um die Ausbildung steht. Hierzu werden alle Hebammen im Land – geschätzt mehr als 350 – sowie Absolventinnen und Geburtskliniken befragt, zudem wertet man Statistiken und Gutachten aus.

Petra Chluppka vom Hebammenverband ist sich sicher, dass die Studie viele Versorgungsengpässe zutage fördern wird, vor allem in Kliniken. „Ich werde ständig gefragt, ob ich jemanden vermitteln kann“, berichtet sie. Dass Stellen nicht besetzt werden können, liegt ihrer Beobachtung zufolge daran, dass sich immer mehr Hebammen aus den Kliniken zurückziehen. Sie arbeiten dort zum Beispiel nur noch halbtags und gehen ansonsten in die Vor- und Nachsorge, oder sie wechseln gleich den Beruf. Grund sei vor allem die Belastung: „Sie arbeiten oft am Limit, weil die Aufgaben immer mehr werden. Außerdem müssen sie teils vier Geburten gleichzeitig betreuen.“

Auch Professor Serban-Dan Costa, Chef der Universitätsfrauenklinik in Magdeburg, beobachtet, dass viele Hebammen wegen der Arbeitsbedingungen lieber in die Vor- und Nachsorge gehen als in Kliniken. „Die Bürokratie nimmt zu. Die Dokumentation einer Geburt dauert heute 45 Minuten – es gibt Geburten, die dauern zehn Minuten. Da kann man sich den Frust der Hebammen vorstellen.“ Zudem sei die Bezahlung zu gering. Einen Personalmangel gibt es ihm zufolge eher im ländlichen Raum: „In einer Region zu arbeiten, in der wenige Menschen Kinder bekommen, ist nicht sehr attraktiv.“

Die Studie soll nicht nur Zahlen zur Hebammenversorgung liefern, sondern auch Vorschläge, wie man sicherstellen kann, dass der Bedarf künftig gedeckt ist. Chluppka zufolge müsste man in den Kliniken den Personalschlüssel erhöhen und den Hebammen mehr Mitspracherecht im Kreißsaal geben. Mehr Personal hält auch Costa für sinnvoll, genau wie ein höheres Gehalt. Das Problem bei beiden Punkten: Die Mehrkosten müssten die Krankenkassen den Kliniken erstatten. Und das Ringen um Finanzen ist schon jetzt zäh.

Aber noch etwas anderes, meint Costa, könnte mehr Personal in die Kliniken locken: die geplante Umstellung der Ausbildung. Nach einer Vorgabe des Bundes sollen ab 2020 alle angehenden Hebammen studieren. „Die Arbeit im Krankenhaus könnte so für den Nachwuchs interessanter werden, weil man hier sehr viel aus der Theorie anwenden kann.“ Wichtig sei, dass auch Sachsen-Anhalt so einen Studiengang bekommt. Bisher sieht es danach aus: Das Wirtschaftsministerium teilt auf Anfrage mit, dass es bereits erste Planungen gebe. Zudem soll die große Erhebung auch ermitteln, wie viele Studienplätze nötig wären. Der Ort ist noch offen. Costa zufolge eignet sich Halle am besten, da dort schon die Pflegewissenschaften angesiedelt sind.

Die Erhebungen sollen noch dieses Jahr starten, Ergebnisse werden im Frühjahr erwartet.