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Gedenkstätte  Nicht-Ort Marienborn

Die Gedenkstätte Marienborn wurde vor 20 Jahren eröffnet. Reiner Haseloff will vermehrt Schüler begeistern.

Von Massimo Rogacki 15.08.2016, 01:01

Marienborn l „Das ist schon erdrückend“, sagt Reiner Haseloff und blickt hinüber zu den Containern, in denen früher die Pässe von Transitreisenden kontrolliert wurden. In einem großen Tross bewegt sich der Ministerpräsident zum 20-jährigen Bestehen der Gedenkstätte Deutsche Teilung in Marienborn über das Gelände. Zahlreiche Besucher nutzten ebenfalls die Gelegenheit bei kostenlosen Führungen Teile des einst 30 Hektar umfassenden, seit 1990 denkmalgeschützten Areals zu erkunden. Im Besucherzentrum ist eine Ausstellung des Berliner Fotografen Nikolaus Becker zu sehen.

„Beeindruckend“ findet Reiner Haseloff dessen reduzierte Aufnahmen von der Gedenkstätte. Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt bekommt die Schau als einer der Ersten zu sehen. Von der Leiterin der Gedenkstätte, Susan Baumgartl, wird Haseloff anschließend über das Areal des einst bedeutendsten Grenzübergangs an der innerdeutschen Grenze geführt.

Wie Haseloff in diesem Moment hätten rund drei Millionen Besucher das Gelände in den vergangenen 20 Jahren erkundet, erklärt Baumgartl. In Zukunft soll die Einrichtung einer neuen, an veränderte Rezeptionsgewohnheiten angepasste Dauerausstellung angeschoben werden. Zudem wünscht sich die Gedenkstättenleiterin ein Besucherleitsystem und eine App zur besseren Erschließung des weitläufigen Areals.

Nachdenklich stimmen den Ministerpräsidenten die Besucherzahlen. Nur 20 000 Schüler jährlich wollen die ehemalige GÜSt besichtigen, die meisten davon aus den alten Bundesländern. Bei insgesamt 320 000 Besuchern im Jahr sei das zu wenig, sagte Haseloff. In seiner Rede auf der Festveranstaltung nahm der Ministerpräsident darauf Bezug. Ziel müsse es sein, die Gedenkstätte zu erhalten und zusätzlich vor allem nachwachsende Generationen anzusprechen.

Haseloff: „Jeder junge Mensch, der in Sachsen-Anhalt die Schule besucht, sollte mindestens einmal in seiner Schulzeit in der Gedenkstätte gewesen sein.“ Die Voraussetzungen wolle man in Kürze bei der Aufstellung des Haushalts schaffen, versprach Haseloff. Abschließend mahnte er: „Ein Ort wie dieser darf nie in Vergessenheit geraten, weil er sehr authentisch ist. Er ist in dieser Form einzigartig in Europa.“

Dazu beitragen soll in Zukunft vermehrt die Stasi-Unterlagenbehörde. Deren Leiter Roland Jahn trat nach Haseloff ans Rednerpult unter dem Dach der früheren Lkw-Abfertigungshalle. „Die Stasiunterlagen sind Zeugnisse, die vom Freiheitswillen der Menschen erzählen“, sagte Jahn. Als Basis für zukünftige Ausstellungen seien sie von großem Wert. Marienborn sei für die meisten DDR-Bürger ein „Nicht-Ort“ gewesen, an dem sich das Schicksal von Menschen entscheiden konnte, befand der Chef der Stasiunterlagen-Behörde. Er äußerte die Hoffnung, dass all jene Besucher, die bei einem Aufenthalt in Marienborn den Blick in die Vergangenheit richteten, „ihre Sinne für die Zukunft schärfen“ könnten.

Die Festrede hielt der ungarische Schriftsteller und Historiker György Dalos. Vorgestellt wurde Dalos von André Merten von der Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt als „europäischer Intellektueller und Zeitzeuge“, und als Vertreter jenes Landes, das maßgeblich an der Öffnung der Mauer beteiligt gewesen war. Dalos erinnerte an Reiseverbote und versuchte Grenzübertritte. Er sei zeitweise eine „unerwünschte Person“ gewesen, sagte der Autor.

Mit Genugtuung habe er nach der Grenzöffnung die „verwaisten Grenzposten“ registriert. Am Ende, so Dalos, sei die DDR an ihren „inneren Grenzen gescheitert“. Das wird in Marienborn auch viele Jahre nach der Maueröffnung noch heute greifbar.