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Geschichte Ein Pionier der Forstwirtschaft

Vor 300 Jahren wurde Hans Dietrich von Zahnthier geboren. Ein Pionier Nachhaltiger Forstwirtschaft.

Von Bertha Grosz-Rastenburg 16.09.2017, 14:47

Sophienhof l Der 17. September 1717 war ein aufregender Tag für die Familie von Zanthier. An ihm brachte die 34 Jahre alte Christine Anna Eleonore von Zanthier ihr achtes Kind zur Welt. Schon vor Wochen war sie der Ruhe wegen von Salzfurtkapelle auf das elterliche Rittergut in Görzig gereist. An diesem Freitag war es nun soweit. Endlich verkündeten Arzt und Hebamme den hinter der Tür des Wöchnerinnenzimmers Wartenden – dem Vater Heinrich Dietrich von Zanthier und den Schwiegereltern von Bodenhausen: „Es ist ein Junge“. Für diesen Fall hatten die Eltern bereits vor einiger Zeit den Namen bestimmt, Hans Dietrich.

Den Chronisten des Jahres 1717 waren allerdings andere Geburten wichtiger: Die von Maria Theresia beispielsweise, der baldigen Kaiserin von Österreich, auch die von Marie-Anne de Mailly Nesle, der späteren Mätresse des französischen Königs Ludwig XV., aber auch die Geburt des Stendalers Johann Joachim Winkelmann, der später die wissenschaftliche Archäologie aus der Taufe heben sollte.

Auch in alten Lexika muss einige Zeit geblättert werden, bevor sich ein paar Worte über die – 1717 noch künftigen – Taten Hans Dietrich von Zanthiers finden lassen. Unterm Stichwort „Forstakademie“ vermerkt Pierer‘s Universallexikon von 1857: „Lehranstalt für künftige Forst- u. Jagdbeamte ... Die erste stiftete der gräflich Stollbergische Oberforstmeister v. Zanthier in Ilsenburg“.

Wer heute auf eine Karte schaut, findet Salzfurtkapelle, den früheren Wohnort der Familie von Zanthier, und Görzig, den Geburtsort des kleinen Hans Dietrich, leicht in Sachsen-Anhalt. Das eine ist heute ein Ortsteil von Zörbig, das zweite gehört zu einer Stadt mit dem etwas seltsam anmutenden Namen Südliches Anhalt.

Hans Dietrich von Zanthier wurde in eine anders geordnete Welt hineingeboren, eine mit vielen Herren und vielen Ländern. Wer damals beispielsweise von Magdeburg nach Dessau reiste, fuhr gewissermaßen ins Ausland. Er musste zwischen dem Herzogtum Magdeburg und den anhaltischen Ländern Grenzen passieren. Auch kursächsische, braunschweigische oder brandenburgische Landesteile gab es damals zwischen Arendsee und Zeitz.

Das erklärt, weshalb Hans Dietrich von Zanthiers Vater sein Brot nicht nur mit seinen Ländereien, sondern auch auch als kursächsischer Land- und Kreissteuereinnehmer verdiente.

Nur ein Jahr nach der Geburt ihres jüngsten Kindes starb Christine Anna Eleonore von Zanthier. Elf Jahre später verlor Hans Dietrich von Zanthier auch seinen Vater. Die Familie seiner Mutter kümmerte sich um ihn. In Burgkemnitz wuchs er zusammen mit seinem Vetter von Bodenhausen auf.

Für sein Leben wichtige Impulse erhielt er mit 15 Jahren. Auf Empfehlung des sächsischen Hofmarschalls von Polenz wurde er Leibpage an dem Hof des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel. Der Herzog schickte ihn zu einem seiner Jäger in die Lehre.

Zwei Jahre später musste er wieder Koffer packen und nach Blankenburg reisen. Die kleine Stadt war damals eine Residenz des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel. Die Verwaltung der herzoglichen Wälder rund um Blankenburg lag in den Händen von Johann Georg von Langen. Bei ihm sollte der Schützling des Herzogs seine Ausbildung vollenden. Der nun 17 Jahre alte Hans Dietrich von Zanthier war anfangs ziemlich enttäuscht. Zu Unrecht, wie er später in seinen Erinnerungen einräumte: „Als ich das Glück hatte, bei einem großen würdigen Forstmann zu lernen, so hielt ich es in der Zeit für Strenge, wenn man mich von dem Jagen, wozu ich mehr Begierde und Lust hatte, abhalten zu wollen. Ich konnte kaum glauben, daß es nötig sei, das beschwerliche Forstwesen der lustigen Jagd vorzuziehen.“

1737 folgte von Langen einem Ruf nach Norwegen, um dort im Auftrag des dänischen Königs das Forstwesen zu fördern. Auch Hans Dietrich von Zanthier war dabei. Eine lehrreiche Zeit begann. Er lernte, Land zu vermessen, zu kartieren und einzuteilen, Wälder abzuschätzen und planmäßig zu nutzen.

Er war wissbegierig. Und offenbar war man am Hof von Christian VI. auf den begabten Begleiter von Langens aufmerksam geworden. 1740 wurde Zanthier Holzförster und königlich-dänischer Jagdjunker. Ein großer Karriereschritt.

Sieben Jahre blieb er in Dänemark. Dann ging es zurück nach Deutschland. Graf Ernst zu Stolberg-Wernigerode hatte den nun 30 Jahre alten Zanthier als Forst- und Jagdmeister verpflichtet. Für ein Jahr hatte er seinen Dienstsitz im bereits erwähnten Sophienhof. Für mehrere Reviere war er nun allein verantwortlich. Schon nach einem Jahr wurde er Oberforst- und Jägermeister sämtlicher gräflicher Forsten. Sein neuer Dienstsitz: Ilsenburg.

Sein Auftrag war es, eine bessere Nutzung der gräflichen Wälder zu ermöglichen. Dabei setzte er den von seinem Lehrherren von Langen begonnenen Anbau von schnellwachsenden Nadelhölzernen fort.

Oberforstmeister von Zanthier erkannte, dass Wirtschaftlichkeit der Wälder auch heißen muss, sie nachhaltig nutzbar zu machen. Anna Arndt von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig hat Zanthier zum Thema einer Arbeit gemacht. Sie schreibt: „Mit der Überzeugung, dass ,alles auf das Zukünftige gehen‘ würde und den Nachkommen kein Schaden durch unbestockte Flächen entstehen dürfe, war Zanthier seiner Zeit voraus.“

Deshalb habe er der Wiederaufforstung der Wälder besondere Aufmerksamkeit geschenkt. „Zu diesem Zwecke wurden die Samengewinnung, die Saat und die Einführung standortgemäßer und schnellwachsender Baumarten intensiviert.“ Dazu passen die von Zanthier geplante und durchgeführte Neubepflanzung kahler Waldflächen , beispielsweise am Brocken.

Wann Hans Dietrich von Zanthier seine Forstlehranstalt gründete, ist in der Wissenschaft und in der Literatur umstritten: 1763, 1765 oder 1772? Fest steht, die Schule war das erste Institut ihrer Art in Deutschland, möglichweise sogar weltweit.

Unstrittig ist auch ihre Wirkung. Forstfachleute späterer Jahre würdigten, dass „wir Zanthiers Schule eine Menge guter und mehrere unserer besten Forstmänner zu danken haben.“ Seiner Zeit voraus war Zanthier auch in der Verbindung von Theorie und Praxis. Am Vormittag wurden theoretische Vorlesungen abgehalten; am Nachmittag folgten praktische Demonstrationen im Walde. Zu den Lehrfächern gehörten Mathematik, Geometrie, Physik, Botanik und Ökonomie.

Das Lehrprogramm bewältigte Hans Dietrich von Zanthier als Solist: Er war die einzige Lehrkraft seiner Schule. Als er am 30. November 1778 auf Schloss Wernigerode an einem Brustleiden starb, wurde auch die Schule geschlossen. Neben dem Gebäude der ersten Forstakademie erinnert heute ein Gedenkstein an diesen Pionier der Forstwirtschaft.