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Gesundheit Corona-Risiko bei Männern höher

Experten der Magdeburger Uniklinik über ihre Erfahrung mit Covid-19

Von Steffen Honig 03.04.2020, 01:01

Die Uniklinik Magdeburg ist ein Zentrum im Kampf gegen die Coronavirus-Pandemie im Land. Wesen und Heilungschancen der Covid-19-Krankheit erklären Prof. Dr. Jens Schreiber, Direktor der Klinik für Pneumologie, und PD Dr. Jochen Weigt, Komm. Direktor der Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, im Volksstimme-Interview.

Volksstimme: Eine einfache und zugleich schwierige Frage: Woher weiß ich, dass ich infiziert bin?

PD Jochen Weigt: Das ist die wohl häufigste Frage, die uns Ärzten derzeit gestellt wird. Zu erkennen ist das einzig an einem positiven Testergebnis. Das heißt, dass es den direkten Erbgutnachweis von dem Virus aus einem Nasen- und Rachenabstrich gibt. Die Tests wurden anfangs nach den Risikokriterien des Robert-Koch-Instituts gestaffelt vollzogen, angefangen von Risikobereichen wie China oder Italien über direkte Kontakten zu bekannten Covid-Positiven bis zu den Kardinalsymptomen wie Fieber und Husten. Durch die Verbreitung des Virus hat sich das aufgeweicht. Es braucht immer noch klinisches Gespür, nicht jeder der Husten oder Fieber hat, hat auch eine Covid-19-Erkrankung.

Prof. Jens Schreiber: Husten, Halsschmerzen, Atemnot können auf Corona hinweisen. Es gibt aber kein klinisches Symptom, was die Erkrankung beweisen oder ausschließen kann. Es können sehr leichte und sehr schwere Verläufe sein, die auch andere Erkrankungen oder andere Erreger verursacht sein können.

Was die Diagnose erschwert ...

Jens Schreiber: Es gibt sehr viele Erreger, die Atemwegserkrankungen verursachen können, die klinisch ein sehr ähnliches Bild haben können. Man muss daher zwingend testen.

Wie funktioniert der Corana-Test?

Jochen Weigt: Der Patient kommt zur Teststelle, wo ein Nasen-Rachen-Abstrich erfolgt. Im Labor kann dann über Erkennungsmerkmale im Erbgut der Erreger nachgewiesen werden. Das ist beim Coronavirus in China zum ersten Mal geschehen.

Jens Schreiber: Coronaviren sind aber nichts Neues. Es gibt sie seit ewigen Zeiten. SARS und MERS sind Beispiele dafür. Die Gruppe der Coronaviren gab es auch schon vor der Pandemie bei uns. Jetzt ist aber ein verändertes Corona-Virus aufgetreten, primär in Wuhan, dass sich über die ganze Welt verbreitet hat. Wegen der Veränderung kann es in der Bevölkerung auch keine Immunität geben.

Bei der Krankheit ist mal von leichten Verläufen die Rede, andere Patienten kommen auf die Intensivstation. Was bedingt diese Unterschiede?

Jens Schreiber: Wesentliche bekannte Risikofaktoren sind ein Lebensalter ab 60 Jahren, wobei auch jüngere Menschen nicht hundertprozentig geschützt sind. Aber auch das Immunsystem des Menschen altert, die Abwehrkräfte schwinden. Männer scheinen anfälliger für eine Corona-Infektion zu sein. Die Ursache dafür ist noch nicht geklärt. Besonders gefährdet sind zudem Menschen mit einer Vorerkrankung. Wenn jemand eine chronische Bronchitis hat und es kommt eine Viruserkrankung drauf, ist die Wahrscheinlichkeit einer schweren Lungenschädigung größer, als wenn jemand ansonsten gesund ist.

Welche Vorerkrankungen erhöhen außerdem das Corona-Risiko?

Jochen Weigt: Da sind etwa Diabetes, Bluthochdruck sowie Lungen- und Bronchialerkrankungen zu nennen. Auch Dialyse-Patienten tragen ein höheres Risiko.

Wie ist es bei Asthma?

Jens Schreiber: Es gab Verunsicherung, ob Asthma-Patienten ihre Inhalationstherapie fortsetzen sollen. Es gibt klare Empfehlungen der Fachgesellschaften, die inhalativen Medikamente weiter zu nehmen. Ein Absetzen der Medikamente würde ein zusätzliches Risiko darstellen.

Jochen Weigt: Ähnliches wird bei chronisch-entzündlichen Darmentzündungen empfohlen, die Medikamente sollten auch hier beibehalten werden.

 

Wenn ein Patient seine Covid-19-Erkrankung zu Hause kuriert, gilt dann für die Familie automatisch eine Quarantäne?

Jens Schreiber: Das hängt vom Einzelfall ab und wird letztlich vom Gesundheitsamt entschieden. In der Regel werden die Haushalte quarantänisiert.

Kann die Krankheit zu Hause ausgeheilt werden?

Jens Schreiber: Generell gilt: Die Erkrankung heilt letzten Endes alleine aus. Wir haben kein Medikament, dass das Virus abtöten könnte.

Ist das mit einer Grippe-Behandlung vergleichbar?

Jens Schreiber: Das ist eine gute Parallele. Bettruhe ist nicht zwingend, der Körper sollte jedoch geschont werden. Bei einer fortgeschrittenen Covid-19-Erkrankung können aber auch andere Organsysteme wie Herz oder Nieren betroffen sein. Dafür kann ein breites Spektrum an Behandlungsmöglichkeiten nötig sein. Die Elimination des Virus erfolgt letzten Endes durch das Immunsystem und nicht durch eine medikamentöse Therapie.

Jochen Weigt: Einfach gesagt: Das Immunsystem wehrt sich solange gegen das Virus, bis es die Vermehrung des Virus im Körper verhindern kann.

Stellt die Intensivbehandlung neue Herausforderungen?

Jens Schreiber: Neu ist die Erkrankung im Sinne einer schweren, durch eine Virusinfektion bedingte Lungenentzündung keineswegs. Deren Behandlung inklusive Beatmung ist für uns Alltag. Der Intensivmediziner weiß genau, was zu tun ist, egal ob die Schocklunge durch ein Coronavirus oder ein Influenzavirus hervorgerufen wird.

Wann muss ein Patient mit Covid-19 ins Krankenhaus?

Jochen Weigt: Wir haben dafür medizinische Kriterien. Wenn hohes Fieber oder niedriger Blutdruck vorliegen oder auf dem Röntgenbild Zeichen einer Lungenentzündung zu erkennen sind, ist eine stationäre Aufnahme angezeigt. Bei älteren Menschen werden die Kriterien großzügiger ausgelegt. Wir geben wenig Flüssigkeit, weil zu viel davon die Atemprobleme verstärken kann. Die Patienten erhalten normale Nahrung und angepasste Sauerstoffgaben.

Nach welcher Zeit ist eine Intensivbehandlung nötig?

Jochen Weigt: Schwere Symp- tome treten meist ab dem vierten bis fünften Tag der Erkrankung auf, eine Intensivbehandlung tritt am häufigsten, wenn notwendig zwischen dem siebenten und neunten Tag ein.

Nun gibt es für Laien verstörende Bilder von Patienten, die in Bauchlage beatmet werden.

Jens Schreiber: Das hat nichts mit Covid-19 zu tun. Durch die Bauchlage kommt es zu einer Umverteilung der Durchblutung. Schwerstkranke Patienten lassen sich so einfach besser beatmen. Das ist intensivmedizinischer Standard und ein Zeichen einer besonders schweren Lungenschädigung.

Wie sind die Heilungschancen bei einer Intensivbehandlung?

Jens Schreiber: Die Aussichten einer Intensivtherapie sind nicht automatisch hoffnungslos. Vereinfacht ist das Ziel der Beatmung, den Körper so lange mit Sauerstoff zu versorgen, bis sich dieser erholt hat. Das Beatmungsgerät ersetzt somit eine Funktion, die der Körper eine zeitlang nicht gewährleisten kann. Der Körper hat so die Chance, den Virus zu beseitigen und die Entzündung der Lunge ausheilen zu lassen.

Heiß debattiert wird, ob der Patient danach immun ist oder nicht. Was ist die Experten-Meinung?

Jens Schreiber: Es gibt Hinweise darauf, dass der Körper Abwehrstoffe, so genannte Antikörper bildet, die vor einer Infektion mit diesem Corona-Virus schützen. Es sind aber viele Fragen offen. Sicher ist, wenn es zur Immunität bei vielen Patienten kommt – wofür viel spricht – schützt das vor nur diesem Virus.

Bleibt durch die Corona-Bekämpfung die gesundheitliche Versorgung im Uniklinikum gewährleistet?

Jens Schreiber: Ja, trotz Corona gibt es alle anderen ernsten und potenziell lebensbedrohlichen Erkrankungen immer noch, die korrekt behandelt werden müssen. Es wäre fatal, wenn die Menschen aus Angst vor Corona einen beispielsweise Herzinfarkt oder andere ernste Erkrankungen nicht adäquat behandeln würden.

Die Möglichkeiten haben Sie?

Jens Schreiber: Das gibt der Landes-Pandemieplan vor und das tun wir.

Jochen Weigt: Wir betreiben eine so genannte Prätriage an den Eingängen der Uniklinik. An diesen Punkten werden Mitarbeiter kontrolliert und Besucher auf Symptome hin befragt und nötigenfalls untersucht. So können wir steuern, wer sich einer Diagnostik bezüglich SARS CoV2 unterziehen muss und wer „normal“ die Klinik betreten kann. Zudem führen wir auch einen Besucherstopp durch, der in speziellen Fällen wie bei Kindern und oder bei Sterbenden gelockert werden kann. Die Schutzmaßnahmen an unseren Eingängen zeigen nicht an, dass dahinter ein Seuchenbereich beginnt. Wir zeigen damit vielmehr: Hier ist ein sicherer Hafen.