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Gesundheit Männer sterben in Sachsen-Anhalt am frühesten

Nirgendwo in Deutschland sterben Männer früher als in Sachsen-Anhalt. Das liegt vor allem an mangelnder Vorsorge.

Von Massimo Rogacki 03.11.2018, 00:01

Magdeburg l Das Auto ist scheckheftgepflegt, der Körper ist es eher nicht. Sachsen-Anhalts Männer werden im Schnitt nur 76 Jahre und drei Monate alt (Bundesdurchschnitt: 78 Jahre, vier Monate). Nirgendwo in Deutschland sterben die Herren der Schöpfung früher. Woran liegt das? „Viele Männer gehen erst zum Arzt, wenn der Schmerz nicht auszuhalten ist oder Angehörige nachhelfen“, argumentiert Axel Wiedemann, Landesgeschäftsführer von Barmer in Sachsen-Anhalt.

Bei Frauen sieht das anders aus: „Frauen gehen traditionell frühzeitig zum Gynäkologen. Sie werden für eine differenzierte Früherkennung besser konditioniert und haben ein besseres Empfinden für ihren Körper, sagt Professor Dr. med. Martin Schostak, Direktor der Urologischen Universitätsklinik in Magdeburg.

Und die gestandenen Kerle? Suchen den Urologen erst auf, wenn es nicht mehr anders geht. Zahlen der AOK Sachsen-Anhalt ergeben, dass Männer bei der Vorsorge etwas zu unaufgeregt sind: So nehmen 35- bis 69-Jährige deutlich weniger Vorsorgeleistungen in Anspruch als Frauen. Nach 69 kehrt sich das Verhältnis um. Laut Fehlzeitenreport 2018 des Wissenschaftlichen Instituts der AOK zeigen sich bei den häufigsten Krankheitsgruppen Unterschiede zwischen den Geschlechtern: Die Männer im Land fehlen am häufigsten am Arbeitsplatz wegen Krankheiten des Muskel- und Skelettsystems und aufgrund von Unfällen, bei Frauen überwiegen die psychischen Erkrankungen.

Laut Barmer auf der Liste der Männer-„Mängel“ ganz oben: Die Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Auch bei Krebserkrankungen wie Darm- oder Lungenkrebs sind Männer stärker gefährdet als Frauen. Nach Zahlen des Gemeinsamen Krebsregisters (GKR) der ostdeutschen Bundesländer sowie Berlins erkranken jedes Jahr rund 1240 Männer und 500 Frauen im Land an Lungenkrebs. Hauptrisikofaktor: das Rauchen.

In Sachen Alkoholkonsum sind die Männer im Land auch ganz weit vorn: Der Alkoholatlas 2017 verzeichnet 65,8 Todesfälle je 100 000 Einwohner aufgrund von ausschließlich durch Alkohol bedingten Erkrankungen. In Bayern oder Baden-Württemberg sind es nur 19,9 Fälle.

Viele andere Erkrankungen lassen sich im Übrigen aber immer besser frühzeitig erkennen. Beispiel: Darmkrebs.

Dennoch bleiben die Angebote nach Angaben der AOK von 2017 häufig ungenutzt. Unter ihren Versicherten im Land nahmen nur fünf Prozent der Männer (und neun Pro­zent der Frauen) ab 50 Jahren das Angebot einer Untersuchung auf Blut im Stuhl wahr. Ab 55 nehmen sich Männlein und Weiblein bei der Darmspiegelung anscheinend nichts: Gerade einmal ein Prozent nutzten laut AOK diese effektive Methode der Darmkrebs-Diagnose.

Rund 41 Prozent aller Männer in Sachsen-Anhalt erkranken im Laufe ihres Lebens an Krebs. Die häufigsten Diagnosen: Prostatakrebs (19 Prozent), Lungenkrebs (17 Prozent) und eben Darmkrebs (14 Prozent). Das ergeben Zahlen des Krebsregisters von 2016.

Dabei haben sich die Möglichkeiten der Früherkennung, etwa bei Prostatakrebs, gerade in den letzten Jahren entscheidend weiterentwickelt, sagt Mediziner Martin Schostak. Dass die Herrenwelt hier in Sachen Vorsorge besonders zögerlich ist, hat einen besonderen Grund: Das Schreckgespenst Impotenz. „Die Angst, dass man bei einer Vorsorgeuntersuchung Krebs entdecken könnte und dass die Diagnose oder eine Therapie das Sexualleben stören könnten, führt bei sehr vielen zu einer Vogel-Strauß-Haltung“, so Schostak.

Dabei gilt: Je früher ein Karzinom erkannt wird, desto besser ist es behandelbar. Jeder Mann sollte sich ab 45 beim Facharzt für Urologie untersuchen lassen und seinen PSA-Wert bestimmen lassen. Das sollte je nach Wert alle ein bis acht Jahre wiederholt werden. Liegt eine erbliche Vorbelastung vor (Prostatakrebs bei Vater und/oder Bruder), wird bereits ab 40 Jahren zur Untersuchung geraten.

Ist der PSA-Wert erhöht, muss man genauer nach der Ursache forschen. Dabei spielt die genaue Entwicklung des Wertes eine wichtige Rolle. „Zu hohe Werte bedeuten nicht automatisch, dass etwas Krankhaftes dahintersteckt. Mithilfe einer besonderen Bildgebung, der Kernspintomographie (mpMRT), können wir vielen Betroffenen heutzutage die Probenentnahme ersparen“, sagt Schostak.

Das MRT helfe auch, wenn die Biopsie nötig wird. Mit der sogenannten Bildfusion ist sie genauer. Durch den Einsatz von MRT und Fusionsbiopsie werden in Kombination mit dem PSA-Test überflüssige Entnahmen vermieden. Und: Die Treffsicherheit der Biopsie wird deutlich erhöht. Darüber hinaus sieht der Mediziner vor allem die Männer in der Verantwortung. Sie müssten sich fragen, was ein gesunder Lebenstil sei. Denn: Sachsen-Anhalt ist nach Sachsen nicht nur das zweitdickste Bundesland, es werde auch mit am meisten geraucht und getrunken, so Schostak. Der Appell des Mediziners: Sachsen-Anhalts Männer sollten sich gesünder ernähren und sich sportlich betätigen. „Wir Ärzte können nicht wirklich vorsorgen. Das kann nur jeder selbst.“