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Gewalt Mehr Übergriffe auf Retter in Sachsen-Anhalt

Rettungsdienstmitarbeiter und Feuerwehrleute in Sachsen-Anhalt werden zunehmend Opfer von Gewalt. Sanitäter sind am häufigsten betroffen.

Von Matthias Fricke 28.03.2019, 00:01

Magdeburg l Als der Oschersleber Vize-Kreisbrandmeister Ralf Lange mit seinen Einsatzkräften wegen ausströmenden Gases am Dienstag vergangener Woche aufgrund akuter Explosionsgefahr den Unglücksort absichern wollte, erntet er pure Anfeindungen. „Sie sind doch wohl bescheuert“, soll der Ehemann eines Seniorenpaares gebrüllt haben. Lange: „Er drohte uns sogar Schläge an, weil er nicht gleich in seine Wohnung kam.“ An einer anderen Stelle habe eine Frau versucht, die Absperrung mit ihrem Auto zu umfahren. Sie konnte gerade noch gestoppt werden. Lange: „Das haben wir hier so noch nicht erlebt.“ Die Stadt Oschersleben habe inzwischen Anzeige gegen das ältere Ehepaar erstattet.
Insgesamt stieg die Zahl solcher Übergriffe, von der Beleidigung, Bedrohung bis zur Körperverletzung, gegenüber dem Vorjahr laut Innenministerium von 88 auf 122. Im Vergleich zum Jahr 2013 haben sich die Zahlen sogar mehr als verdoppelt. Vor allem Rettungssanitäter sind häufig betroffen. Der Ärztliche Leiter des Magdeburger Rettungsdienstes, Christian Iser: „Die verbalen Attacken haben gegenüber unseren Mitarbeitern deutlich zugenommen. Es fehlt häufig der Respekt und es gibt ein mangelndes Verständnis, dass wir eigentlich helfen wollen.“ Tätliche Angriffe seien hingegen noch selten.
„Aber der Schritt dorthin ist nicht weit.“ Notfallsanitäter Thomas Pötzsch vom DRK-Kreisverband Merseburg-Querfurt gibt seinen Kollegen seit drei Jahren sogar Kurse in Deeskalation und Selbstverteidigung. „Ich bin selbst schon im Einsatz gewürgt und geschlagen worden. Das war auch der Grund für den Kurs“, sagt der Kampfsportler. Er arbeitet seit 30 Jahren als Rettungssanitäter und sagt: „Der Respekt gegenüber unserer Arbeit als Helfer ist weg. Die Aggressionen nehmen zu.“
Auch der Landesvorsitzende des Feuerwehrverbandes, Kai-Uwe Lohse, spricht vom „zunehmend raueren Ton“ auf der Straße. Er sagt: „Das ist ein Phänomen, das zwar noch nicht alltäglich vorkommt. Aber die Intensität hat zugenommen.“ Die Statistik sei vermutlich nur die Spitze des Eisberges.
Das Phänomen Gewalt gegenüber Rettungskräften sei nach Angaben des niedersächsischen Kriminologen Christian Pfeiffer „leider noch nicht ausreichend erforscht“. Seit 2017 können tätliche Angriffe auf Retter und Polizisten mit Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren geahndet werden. Auch wer eine Person behindert, die Hilfe leistet, muss im schlimmsten Fall mit einer Freiheitsstrafe rechnen.