Evangelische Pfarrer müssen künftig bis 67 predigen und taufen Gottes Bodenpersonal soll länger arbeiten
Magdeburg l Ihren wahren Lohn sammeln sie im Himmel, nicht auf Erden. Ihre Pension aber erhalten die gut 1000 Pfarrer der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM) aus der kirchlichen Ruhestandskasse. Und für die gelten demnächst andere Regeln: Auch für Gottes Bodenpersonal kommt der Ruhestand künftig wohl erst mit 67.
Seit Donnerstag berät sich in Erfurt die Landessynode, das Kirchenparlament. Am heutigen Sitzungstag wird es auch um die Frage gehen, wie viel die Gläubigen ihren Geistlichen abverlangen können. Auf dem Tisch liegt ein Kirchengesetz, das die Ruhestandsgrenze für die Pfarrer zwischen Salzwedel und dem thüringischen Sonneberg um zwei Jahre anhebt. Die Regelung gilt für alle Geburtsjahrgänge ab 1964. Für die Älteren sind Zwischenstufen vorgesehen. Es ist der gleiche Einschnitt, den die Große Koalition im Bundestag für die gesetzliche Rentenversicherung bereits 2007 beschlossen hat - und der bis heute herzlich unpopulär ist.
Bei den Pfarrern ist die Stimmung nicht anders. Selbst die Bibel vermag da keinen rechten Trost zu spenden. "Unser Leben währet siebenzig Jahr und wenn es hoch kommt, so sind es achtzig Jahr, und wenn es köstlich gewesen ist, so ist es Mühe und Arbeit gewesen", heißt es in Psalm 90. Mühe und Arbeit jedenfalls haben in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen.
Mancher Pfarrer betreut heute ein Gebiet, in dem früher zwei oder drei Kollegen ihren Dienst verrichtet haben. "Köstlich" finden das viele schon lange nicht mehr. "Die Pfarrer sind permanent überlastet", warnt Martin Michaelis, Vorsitzender der mitteldeutschen Pfarrvertretung. Diese hat sich gegen die längere Lebensarbeitszeit ausgesprochen.
Die größten Pfarrbezirke gibt es im Kirchenkreis Salzwedel, mancher Geistliche betreut dort 20 Kirchen. Neben Gottesdiensten, Beratungen im Gemeindekirchenrat, Seelsorgebesuchen sind es vor allem die sogenannten Kasualien, die viel Zeit kosten: Taufen, Trauungen und - gerade jetzt im Herbst - Beerdigungen.
Die katholischen Brüder arbeiten sogar bis 70
"Wenn Gemeindeglieder schwere familiäre Belastungen erleben, dann muss man als Pfarrer Zeit haben", sagt Michaelis. Geregelte Arbeitszeiten gibt es nicht, die Gefahr der Überlastung ist groß.
Das Kirchenamt, aus dem das Gesetz zur längeren Lebensarbeitszeit stammt, verweist hingegen auf den Mammon. Denn die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat den Ruhestand mit 67 längst beschlossen. Verabschiedet eine Landeskirche ihre Pfarrer bereits vorher, muss sie die Mehrkosten für die Pension selbst tragen. "Das Maß an Erschöpfung bei den Pfarrern ist sicher erheblich, aber aus finanziellen Gründen gibt es keine Alternative", sagt Michael Lehmann, Personaldezernent der EKM.
Voraussichtlich morgen werden die 58 Synodalen entscheiden. Beobachter gehen davon aus, dass der Einspruch der Pfarrer gewürdigt, aber überstimmt wird. Künftig würden dann Männer und Frauen, die auf die 70 zugehen, mit 13-Jährigen zur Konfirmandenfreizeit fahren. Dabei lag die Pensionierungsgrenze in Thüringen zuletzt noch bei 63 Jahren. Vorruhestandsregelungen gab es obendrein, um Personal abzubauen. Jetzt geht es in die entgegengesetzte Richtung.
Noch mehr verlangt die katholische Kirche von ihren Priestern: Nach kanonischem Recht dürfen sie erst mit 70 in den Ruhestand gehen, vorher nur mit ärztlichem Attest.
Das Kirchenamt der EKM grübelt unterdessen, wie es altgediente Pfarrer vor dem Burn-out bewahren kann. Details will Personaldezernent Lehmann noch nicht nennen. "Aber wir wissen, dass wir das Feuer, das in einem engagierten Pfarrer brennt, ab und zu neu anfachen müssen."
Bislang sind Theologen jenseits des 65. Lebensjahres vor allem an einem Termin im Einsatz: Heiligabend. Wenn auch die Kirchenfernen in die Christvespern drängen, wird jeder gebraucht, der noch die Kanzel erklimmen kann.