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Grenze Sieben DDR-Todesfälle in Magdeburg

Sieben von 63 Todesfällen gab es an der innerdeutschen Grenze im Bezirk Magdeburg zwischen 1949 und 1988.

Von Wolfgang Schulz 19.02.2019, 23:01

Magdeburg l An der 343 Kilometer langen Grenze im heutigen Sachsen-Anhalt kamen mindestens 63 Menschen bei Fluchtversuchen ums Leben. Dokumentiert sind sie im Buch „Die Todesopfer des DDR-Grenzregimes an der innerdeutschen Grenze 1949–1989“ von Klaus Schroeder und Jochen Staadt. Einige Beispiele:

In den Nachmittagsstunden des 21. Dezember 1949 befand sich Otto Kirchberg mit dem Rad auf dem Rückweg aus dem Westen, wo er Lebensmittel und Weihnachtsgeschenke besorgt hatte. Das gehörte zum Alltag im Grenzgebiet. Eine Grenzstreife entdeckte den 46-Jährigen nahe Walbeck/Seggerde und forderte ihn zum Stehenbleiben auf. Da er weiter mit seinem Rad fuhr, gab der Grenzer einen Warnschuss und dann einen gezielten Todesschuss ab.

Die 49-jährige Käthe Arndt und ihre zwei Jahre jüngere Freundin Marianne Rogge aus Magdeburg machten sich am 31. Mai 1952 auf den Weg in Richtung Helmstedt, wo sie möglicherweise Alltagsgüter kaufen wollten. Um die DDR-Grenzposten zu umgehen, gingen sie in der Nacht durch den unwegsamen Lappwald. Sie waren nur noch 350 Meter von der niedersächsischen Grenze entfernt, als sie einen Steilhang übersahen. Sie stürzten mehrere Meter tief in ein Wasserloch, verloren das Bewusstsein und ertranken.

Der 21-jährige Reinhard Brudöhl, Optiker aus Mühlhausen, patrouillierte am 22. August 1965 als Grenzsoldat mit seinem Postenführer Unteroffizier Wieland K. in einem Waldstück bei Sommersdorf die Grenze. Gegen 21.45 Uhr brachten beide nach einem Geräusch in dunkler Nacht ihre schussbereiten Waffen in Anschlag. Laut Grenztruppen-Meldung habe Reinhard Brudöhl plötzlich völlig unvermittelt die Maschinenpistole auf seinen Postenführer gerichtet und ihn zur gemeinsamen Fahnenflucht aufgefordert.

Wieland K. warf sich blitzartig auf den Boden und schlug im Fallen Brudöhls Maschinenpistole zur Seite. Dabei löste sich ein Schuss. Der am Boden Liegende gab nun seinerseits drei Schüsse auf seinen Kameraden ab, die ihn tödlich in die Brust trafen. Für die erfolgreiche Verhinderung der Fahnenflucht erhielt Wieland K. die Verdienstmedaille der NVA in Bronze. 1970 flüchtete er selbst aus der DDR.

Nach einem Besuch der Magdeburger Gaststätte „Zum Neustädter Bahnhof“ bestiegen am 28. Oktober 1970 gegen 23 Uhr Burkhard Fischbock (17), Joachim Zepernick (19) und ihr 17-jähriger Freund H. einen Doppelstockzug zum Grenzbahnhof Oebisfelde. Sie hatten sich spontan entschieden, zu fliehen. Etwa zehn Kilometer vor dem Ziel öffneten sie ein Fenster im oberen Abteil und schwangen sich auf das Zugdach. Dort würden sie von der Transportpolizei nicht entdeckt werden, hofften sie. Als H. versuchte, die Lücke zwischen zwei Waggons zu überspringen, stürzte er und konnte sich auf einem Puffer abfangen. Er hangelte sich zurück ins Abteil. Das rettete ihm das Leben. Seine beiden Freunde prallten wenig später auf dem Dach gegen einen Brückenbogen und starben.

Heidi Schapitz aus Schönebeck versuchte als 16-Jährige am 7. April 1972 gemeinsam mit ihrem Verlobten Siegfried K. und Gunnar J., einem Freund, die streng bewachten Grenzanlagen südlich von Oebisfelde zu überwinden, um nach Westdeutschland zu flüchten. Als in der Dunkelheit einer aus der Gruppe die Signalanlage vor dem Grenzzaun auslöste, wurde vom nahe gelegenen Grenzturm eine rote Leuchtkugel in den Himmel geschossen.

Gleich darauf erhellte ein Scheinwerfer die Szene, und Grenzsoldaten eröffneten das Feuer aus Maschinenpistolen. Die drei Flüchtlinge rannten zum Metallgitterzaun. Während Siegfried K. den Zaun überwinden konnte, brach seine Verlobte im Kugelhagel zusammen. Heidi Schapitz starb wenig später. 37 Schüsse waren auf die drei Flüchtlinge abgegeben worden. Bei der Obduktion in Magdeburg am 10. April 1972 stellte sich heraus, dass Heidi Schapitz schwanger war.

In Bernburg kletterten am 2. Juli 1977 Frank R. und seine Verlobte in den Kofferraum eines schrottreifen Opel Rekord. Mit dabei hatten sie ihren halbjährigen Sohn Emanuel Holzhauer. Ein westdeutscher Verwandter hatte einer Fluchthilfeorganisation 25 000 DM für die Flucht überwiesen. Um das Baby ruhig zu stellen, flößten ihm die Eltern ein codeinhaltiges Betäubungsmittel ein. Kurz vor Marienborn streikte das Auto, Kühlwasser verdampfte. Der Dunst drang in den Kofferraum, wo sich die Hitze staute. Der Säugling erstickte.

Klaus-Dieter Felsch aus Wolmirstedt starb am 23. Mai 1988 in der Grenzübergangsstelle Marienborn. Der 24-jährige Kraftfahrer aus dem Starkstrom­anlagenbau Magdeburg hatte versucht, mit seinem Skoda die Grenze zu durchbrechen. Mit 60 bis 70 km/h war er gegen einen Sperrschlagbaum gerast, der das Auto völlig zertrümmerte und ihn tötete.