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GrundrenteGucken 46.000 Senioren in die Röhre?

Mehr als 175.000 bekommen in Sachsen-Anhalt nur Mini-Renten. Bei der neuen Grundrente gingen allerdings mehr als 46.000 Menschen leer aus.

Von Jens Schmidt 18.11.2019, 00:01

Magdeburg l Wer zwar lange gearbeitet aber wenig verdient hat, bekommt nur eine kleine Rente. Die Bundesregierung will das schmale Geld ab 2021 mit der Grundrente aufbessern. Beispiel: Eine Verkäuferin hat 35 Jahre lang nur den halben Durchschnittslohn bekommen. Monatsrente heute: Etwa 560 Euro. Mit der neuen Grundrente wären es 854 Euro.

Das Gesetz ist noch nicht beschlossen, aber über den Daumen gepeilt kann man für den Osten sagen: Wer zwischen 330 und 850 Euro Rente im Monat bezieht, hat grundsätzlich eine Chance auf gebesserte Grundrente. (Wer noch weniger erhält, bleibt in der Grundsicherung – der Sozialhilfe). Doch jetzt kommt das große Aber: Grundrente sollen nur jene haben, die mindestens 35 Jahre gearbeitet haben. Wer auf weniger Beitragsjahre kommt, fällt heraus. Das sind in Sachsen-Anhalt nicht wenige: 46.000 Frauen und Männer hätten demnach Pech. Am stärksten betroffen wären Frauen.

Mit 35 Jahren drin – mit 34 Jahren und elf Monaten draußen? „Das kann man niemandem erklären“, sagt Jork Beßler, Chef der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland der Volksstimme. „Das ist eine zu harte Grenze.“ So sieht das auch Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD): „Harte Abbruchkanten müssen vermieden werden.“ Das meinen auch einige in der Unios-Bundestagsfraktion, wenngleich es dort die stärksten Bedenken gegen einen zu lockeren Umgang damit gibt. „Gerade für den Osten brauchen wir eine Gleitzone“ sagt der Magdeburger Bundestagsabgeordnete Tino Sorge. Rentenexperten befürchten, dass hier künftig die Zahl der Betroffenen mit weniger als 35 Beitragsjahren steigt.

 Noch entwickeln sich die Durchschnitts-Renten gut in Sachsen-Anhalt. Das liegt auch daran, dass viele Senioren recht stabile Erwerbs-Lebensläufe aus DDR-Zeiten vorweisen. Doch das ändert sich im kommenden Jahrzehnt, wenn die geburtenstarken Jahrgänge aus den 60ern ins Rentenalter kommen. Die meisten starteten erst nach der Wende in den Beruf, und viele rutschten immer wieder in Phasen von Arbeitslosigkeit. „Der große Bruch steht uns wohl noch bevor", sagt Jork Beßler, Chef der Deutschen Rentenversicherung Mitteldeutschland.

Daher pochen vor allem ostdeutsche Politiker darauf, dass auch Rentner mit weniger als 35 Beitragsjahren von einer aufgebesserten Grundrente profitieren. Andernfalls bliebe ihnen oft nur die Grundsicherung: Bei dieser Sozialhilfe müssen Betroffene aber alle Taschen umstülpen, ehe sie Geld bekommen. In Sachsen-Anhalt beziehen 7600 Rentner Grundsicherung; die Größe ist seit Jahren in etwa konstant. Experten schätzen, dass die Zahl der Armuts-Rentner deutlich höher liegt, diese aber den Gang zum Amt scheuen. Die neue Grundrente würde vielen diese Prozedur ersparen, da sie ohne Tiefenprüfung automatisch gezahlt würde. Die Linke fordert daher eine gestaffelte Grundrente für alle. „Für alle, die eingezahlt haben, deren Alterseinkünfte aber ein bestimmtes Niveau verfehlen", sagt Sachsen-Anhalt Frakionschef Thomas Lippmann. Nächstes Jahr entscheidet der Bundestag. 2021 soll die Grundrente starten.