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Güssau Erst entspannt, dann angespannt

Landtagspräsident Güssau hat sich CDU und SPD gestellt. Einen Rücktritt lehnt er weiter ab. Beobachtungen vom Donnerstag.

04.08.2016, 23:01

Magdeburg l Er ist pünktlich. Um 9.59 Uhr trifft Hardy Peter Güssau (CDU) zur Sondersitzung der CDU-Fraktion im Landtag ein. Einziger Tagesordnungspunkt: die Rolle des heutigen Landtagspräsidenten in der Stendaler Wahlaffäre. Grauer Anzug, schwarz-weiß-grau gestreifte Krawatte, schwarze Aktentasche: Güssau wirkt – wie immer – selbstsicher. Entkräften könne er die Vorwürfe, sagt er vor der Sitzung. „Ich habe gar keinen Grund zurückzutreten.“

Als er den Sitzungsaal betritt, richten sich die Blicke seiner CDU-Freunde auf ihn. Hardy Peter Güssau geht ruhig, demonstrativ entspannt, zu seinem Platz auf der linken Seite des großen U-Tisches. An der Stirnseite sitzt der Fraktionsvorstand. Und der fordert Klarheit – wie die Koalitionspartner.

Noch während der CDU-Sondersitzung versenden die Grünen eine Pressemitteilung. „Das Handeln des heutigen Landtagspräsidenten, Hardy Peter Güssau von der CDU, im Stendaler Wahlfälschungsskandal wirft täglich neue Fragen auf“, heißt es darin. Wenn es zutreffe, dass Güssau den Stadtwahlleiter in Stendal beeinflusst habe, auf eine Nichtwiederholung der Stadtratswahl 2014 hinzuwirken, müsse die Landesregierung die Akten „unverzüglich dem Landtag und der Staatsanwaltschaft Stendal zugänglich machen“, fordert Fraktionschefin Cornelia Lüddemann. Offene Fragen müssten geklärt werden – „mit oder ohne Hardy Peter Güssau“.

Der verlässt nach 140 Minuten die CDU-Sondersitzung. „Ich sage heute nichts mehr“, raunt er im Gehen. Erst am Freitag will er sich öffentlich erklären. An Güssaus Stelle tritt CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt vor die Presse und stellt sich hinter hin. Er spricht von der der „sogenannten Stendaler Briefwahlaffäre“.

Nach der Sitzung sickert durch, wie Borgwardt Güssau stützt. Er lenkt die Gespräche und hat schon vorab eine Pressemitteilung vorbereitet. Tenor: Es gebe überhaupt keinen Grund für einen Rücktritt des Landtagspräsidenten. Erst als Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) interveniert, wird der Text abgeschwächt. Die CDU-Fraktion spricht ihm aber dennoch „in seiner Funktion das Vertrauen aus“.

Bei der SPD, die nur wenige Minuten später zusammenkommt, sorgt aber selbst das für Kopfschütteln. „Wie auch immer die CDU zu dieser Einschätzung gekommen ist“, sagt Rüdiger Erben vor der Sitzung. Was Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) von dem Gespräch mit Güssau erwartet? „Nicht viel“, sagt sie. Auch Fraktionschefin Katja Pähle wird deutlich. Sie spricht von einem immensen Schaden für das Parlament, der durch die Güssau-Affäre entstanden ist. Während die Journalisten diese Sätze notieren, schleicht sich Güssau hinter ihnen in den Sitzungssaal – Glück gehabt, in diesem Moment bleiben ihm weitere, unangenehme Fragen erspart.

Laut Teilnehmerangaben wirkt Güssau „gut vorbereitet“. Er meint, seine Aussagen seien aus dem Zusammenhang gerissen worden. Die Volksstimme hatte aus der WhatsApp-Gruppe „CDU intern“ zitiert. Dieser gehörten neben Güssau CDU-Kreischef Wolfgang Kühnel und ihr damaliger Vertrauter Wolfgang Gebhardt an. Den Vorwurf, dass er versucht habe, die Wiederholung der Briefwahl und eine Strafanzeige wegen Wahlfälschung zu verhindern, weist Güssau zurück. Nach 88 Minuten verlässt er die SPD-Sitzung. Kommentarlos, die Miene versteinert, angespannt.

Die Genossen diskutieren weiter. Sie haben weiter Zweifel an Güssaus Erklärung. Im Anschluss daran spricht Pähle von „weiteren offenen Fragen“, auf die man „schnell“ eine Antwort haben möchte.

Dass die Affäre inzwischen eine Belastungsprobe für die Koalition von CDU, SPD und Grünen ist, wird am späten Nachmittag deutlich. SPD-Chef Burkhard Lischka fordert den Rücktritt des Landtagspräsidenten. „Herr Güssau sollte sein Amt niederlegen“, sagt er. Es sei „leider nichts erkennbar, was Herrn Güssau entlasten würde. Nur auf der Presseberichterstattung herumzuhacken, reicht mir da nicht aus.“

Lischka wählt klare Worte. Wahlfälschungen seien ein „Anschlag auf die Demokratie“, sagt er. „Da muss aufgeklärt und nicht unter den Teppich gekehrt werden.“ Am Dienstag will der SPD-Landeschef den Vorgang im Koalitionsausschuss thematisieren. In den CDU-Reihen ahnt man bereits, dass dies die nächste Krisensitzung werden dürfte. Einer sagt: „Das wird einen großen Knall geben.“