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Landtag Güssau, der Steuermann

Was ist Hardy Peter Güssau für ein Mensch und Politiker? Eine Spurensuche in der Heimatstadt des Landtagspräsidenten.

05.08.2016, 23:01

Stendal l Der 12. April dieses Jahres war für Hardy Peter Güssau die Krönung seiner politischen Laufbahn. Mit seiner Wahl zum Landtagspräsidenten ist der Stendaler Sachsen-Anhalts oberster politischer Repräsentant. „Primus inter Pares“ – „Erster unter Gleichen“ bezeichnet er diesen Status auf seinem WhatsApp-Profil. Ein typischer Güssau: Elitär ist er nicht, eher gerne ein Kumpeltyp.

Ersterer ist der 53-Jährige nicht nur im Land, sondern auch in seiner Heimatstadt. In Stendal ist der CDU-Stadt- verbands- und Fraktions- vorsitzende seit Jahren der maßgebliche Strippenzieher in der Kommunalpolitik. Oberbürgermeister Klaus Schmotz ist nicht nur sein Parteifreund, sondern ihm auch persönlich und dienstlich sehr nahe.

In der Stadt ist es ein offenes Geheimnis, dass keine richtig wichtige Entscheidung der Rathaus-Spitze ohne die Beteiligung des heimlichen Steuermanns fällt.

Güssau lenkt nicht nur gerne in der Politik. Er ist passionierter Motorradfahrer und fährt zur Entspannung auch gerne mit seinem Motorboot und Lebensgefährtin Heike durch die Brandenburger Seenlandschaft.

Wer immer Tempo macht, lässt auch Menschen zurück. Güssau polarisiert – man mag ihn oder wendet sich von ihm ab. „Klare Kante“ ist sein Prinzip. Um einen Spruch ist er selten verlegen. Und seine Sprüche haben oft eine gute Pointe, müssen selbst Kritiker anerkennen.

Der ehemalige Gymnasiallehrer für Geografie und Sport besitzt die Gabe, äußerst kommunikativ zu sein und auf Menschen zugehen zu können. Güssau punktet damit nicht nur bei allen Altersgruppen, sondern auch bei Kritikern. Dabei hilft ihm zuweilen sein pädagogisches Geschick.

Doch das ist es nicht nur. Er kann verbindlich sein und ist ein Kümmerer. Für ein an ihn herangetragenes Anliegen scheut der Christdemokrat nicht, auch höchste Stellen einzuschalten, dranzubleiben und das Thema in die gewünschte Richtung zu lenken.

Das ist die eine Seite Güssaus, den in Stendal viele nur „Hardy“ nennen. Den Zweitnamen Peter hat er zu Beginn seiner Politik-Karriere gezielt eingesetzt, es ist aber auch eine Referenz an seinen Vater, mit dem er eng verbunden ist – Peter Güssau ist eine Stendaler Fußball-Legende, der mit Lok Stendal zeitweise in der DDR-Oberliga kickte und es zu zwei B-Länderspielen brachte.

Hardy Güssaus Spielfeld war und ist neben dem Landtag, dem er seit 2006 angehört, seit 1999 die Kommunalpolitik. Dort beherrscht er nahezu alle Positionen – ob Sturm oder Verteidigung.

In Stendal sind die politischen Fronten nicht erst seit dem Briefwahlskandal verhärtet. In der Stadt wird viel von Seilschaften, von Cliquen und von Klüngelwirtschaft geraunt. Doch offen darüber reden möchte so recht niemand. Irgendwo kennt unter knapp 40 000 Einwohnern dann doch jeder jeden, der einmal wichtig sein könnte.

Es ist ein politisches Biotop mit einem seltsamen Eigenleben. So wundert es kaum einen Kenner, dass der langjährige Stendaler Sparkassenchef Dieter Burmeister wie ein Sonnenkönig walten konnte – unter der nicht wirklich vorhandenen Kontrolle einer Verwaltungsratsspitze von zwei prominenten örtlichen Christdemokraten. Die Folgen werden seit drei Jahren juristisch aufgearbeitet.

Die Stadtratswahl im Mai 2014 ist für die Stendaler CDU und Güssau in mehrfacher Hinsicht ein Einschnitt. Im Zuge der Gemeindereform war es dem Stendaler CDU-Chef zu Beginn des Jahrzehnts gelungen, mit Vertretern von mehr als zehn eingemeindeten Dörfern die Fraktion CDU/Landgemeinden deutlich zu verstärken.

Ein echter Coup: In der größten Stadt der Altmark, die in den 90er Jahren nahezu fest in SPD-Hand war, gab es nun nicht nur einen CDU-Oberbürgermeister, sondern fast die Mehrheit im Stadtrat.

So kam es bei der Wahl 2014 auf jede Stimme an. Die Christdemokraten und allen voran Güssau strotzten im Wahlkampf vor Selbstbewusstsein. Als selbst ernannte „Stendal-Partei“ fuhren sie traumhafte 40,7 Prozent ein – fünf Prozentpunkte mehr als fünf Jahre zuvor.

Wie sich inzwischen herausgestellt, lief die Stimmenwerbung auch abseits der gültigen Kommunalwahlordnung. Das hat Güssau im Juni zeitig gewusst. Doch er steuerte strikt auf den Kurs, die Wahl trotzdem für gültig zu erklären. Das Ergebnis war schließlich zu gut für die CDU und ihren Steuermann.

Dass es von seinem damaligen engsten Vertrauten Holger Gebhardt sogar gefälschte Stimmen gab, dürfte ihm zunächst wohl nicht klar gewesen sein. Kurz vor der entscheidenden Abstimmung im Stadtrat lagen indes die ersten deutlichen Hinweise dafür vor. Doch Güssau stieg nicht auf die Bremse. Vielmehr hielt er seine Reihen geschlossen zusammen.

Wie schwierig dieses Thema jedoch für einen Landtagspräsidenten sein kann, mag der CDU-Politiker unterschätzt haben. Mit dem ihm eigenen Selbstbewusstsein machte er noch vor der Landtagswahl geltend, dass die Altmark bei der Union auch einmal wieder mit einem hochrangigen Posten vertreten sein müsse und wer diesen zu bekommen habe. Schon frühzeitig hat er sich dabei auf das Präsidentenamt festgelegt. Er warb fraktionsübergreifend für sich. Auf die Frage, ob im „Fall Stendal noch was komme“, sagte er stets: „Da ist nichts.“

Strafrechtlich ist das korrekt. Politisch hat ihn seine damalige Vergangenheit des Taktierens zwischen Trickserei und Täuschen jedoch eingeholt. In diesem Fall hat er den Lenker verrissen und ist abseits der Piste im Kiesbett gelandet.

Die Situation ist festgefahren. Und auch hier ist Güssau typisch Güssau: Rücktritt – das ist für ihn ein Fremdwort. Doch sein von Angela Merkel entliehener Spruch „Dann ist das nicht mehr mein Land“ passt hier nicht, sondern löste Kopfschütteln und Unverständnis aus.

Ein Stendaler Stadtrat drückt es sehr bildhaft aus: „Der Mont Blanc ist erreicht, Hardy Peter Güssau aber tritt erst zurück, wenn der Mount Everest erreicht ist.“

Eigentlich wollte der Landtagspräsident in seiner eigenen Sache diese Woche für Klarheit sorgen. Das ist ihm nicht gelungen.

Die Frage ist also offen: Bleibt Güssau auf dem Gipfel seiner Karriere oder stürzt er ab?