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Harbke Ein Park, der entdeckt werden will

Warum in die Ferne schweifen? Spannende, lustige und interessante Orte gibt es auch hierzulande. Heute: Der Schlosspark Harbke.

Von Peter Ließmann 10.09.2020, 01:01

Harbke l Er muss entdeckt werden, der Schlosspark in Harbke. Und wenn man sich darauf einlässt, ist sich Katja Binroth sicher, dann entfaltete die Anlage ihre ganze Schönheit. Die Helmstedterin hat sich auf den Park eingelassen. Das allerdings auf eine ganz besondere Weise: Sie leitet zusammen mit ihrem Mann den „Harbker Ruheforst“. Davon aber später.

Der Harbker Schlosspark ist ein dendrologisches Schwergewicht. Das heißt, auf diesem weitläufigen Gelände am nördlichen Ortsrand der Gemeinde dreht sich in erster Linie alles um Bäume. Der Park gehört zum Harbker Schloss, dessen wechselvolle Geschichte bis ins erste Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts reicht. Erst war die Anlage eine Wasserburg, die zwischen 1572 und 1586 durch ein Renaissance-Schloss ersetzt wurde. 1731 brannte das Schloss zum größten Teil nieder. Die Schlossherren derer von Veltheim ließen es im Stil des Barock wieder aufbauen. Zu dieser Zeit entstand auch der Park, der im damals beliebten Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegt wurde. Im Zentrum der Idee für diesen Park lag die Kultivierung ausländischer Baumarten. Baumsamen und Setzlinge aus der ganzen Welt wurden nach Harbke geholt.

Im Park waren einst rund 300 seltene Gehölzarten zu bestaunen, von denen noch heute etwa 100 Arten vorhanden sind. Die „Harbkesche wilde Baumzucht“ des Botanikers Johann Philipp Du Roi war damals eine der wichtigsten dendrologischen Abhandlungen Europas, die seinerzeit sogar Johann Wolfgang von Goethe zu einem Besuch nach Harbke lockte. „Ein 1758 gepflanzter Ginkgobaum ist der älteste in Deutschland“, sagt Katja Binroth.

Sie kennt sich mittlerweile gut aus im Harbker Schlosspark. Während eines Spaziergangs präsentiert Katja Binroth beispielsweise die restaurierte Orangerie. „Das Gebäude hat ebenfalls eine wechselvolle Geschichte.“ Am Anfang war es ein Gewächshaus, in dem sich die europäischen Botaniker des 18. und 19. Jahrhunderts trafen. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Orangerie auch mal als landwirtschaftliche Lagerhalle, zu DDR-Zeiten waren dort dann örtliche Kindereinrichtungen zu finden. Seit Anfang der 1990er Jahre wurde das Kleinod restauriert und ist jetzt ein beliebter Veranstaltungsort der Gemeinde, „in dem auch ein Standesamt eingerichtet ist“, sagt Katja Binroth.

Und natürlich die Bäume im Park. Neben alten, knorrigen Eichen sind auf dem sechs Hektar großen Gelände viele Exoten zu finden, die unter anderem aus Nordeuropa, Amerika, Kanada, dem Orient und dem Ural stammen. Entsprechend bekamen verschiedene Bereiche des Parks ihre Namen: „Florida“, „Libanon“ oder „Ukraine“.

„Genauer zu erkennen ist davon noch das Floridatal“, sagt Katja Binroth. Der Spaziergang führt dorthin und zu einer weiteren Schönheit des Parks: zum Ruinenturm. „Er ist ein Turm, der so aussieht, als sei er der Rest einer zerstörten und längst vergessenen Burg. Viele Besucher fragen auch entsprechend danach“, erklärt Katja Binroth das ungewöhnliche Erscheinungsbild des Bauwerks. Im 17. und 18. Jahrhundert waren solche nachgebauten Ruinen Bestandteil vieler Schlossparks. „Das sollte den Parks eine gewissen Romantik verleihen – was ja auch funktionierte.“ Tatsächlich sieht der Turm mitten im Wald schon sehr romantisch aus.

Katja Binroths Familie, die einen Teil des Harbker Forsts bewirtschaftet, hat den Turm mit Hilfe von Fördermitteln res­taurieren lassen. Im Turm, zu dem dem Betrachter unweigerlich das Märchen vom schönen Rapunzel einfällt, ist eine sehenswerte Ausstellung über die „Harbkesche wilde Baumzucht“ zu sehen. Er ist einmal im Monat sonntags geöffnet und das Ziel von Führungen durch den „Ruheforst“. Und an dieser Stelle kommt der Grund ins Spiel, warum es Katja Binroth nach Sachsen-Anhalt verschlagen hat. In die Region gekommen ist sie wegen der Liebe zu ihrem Mann. Katja Binroth stammt aus Hamburg, hatte dort unter anderem eine Galerie und einen „Waldstücke-Laden“. Und dann bot sich die Gelegenheit, mit Unterstützung der Gemeinde in Harbke einen Waldfriedhof einzurichten. „Ich habe mich sofort dafür interessiert und in die Arbeit gestürzt.“

Dazu gehörte nicht nur der geschäftliche Teil des Harbker Ruheforsts und der würdevolle Umgang mit den Gefühlen von Menschen in Beerdigungssituationen, sondern auch Wald- und Baumkunde. „Der Harbker Ruheforst ist deshalb etwas Besonderes, weil er eine sehr enge Verbindung mit dem Schlosspark hat. Das ,Floridatal‘ mit seinen seltenen Bäumen ist ein Bestandteil des Ruheforsts“, sagt Katja Binroth. Und wenn man mit ihr durch den Wald geht, bekommt man den Eindruck, sie kennt jeden Baumexoten persönlich. „Ich habe mich richtig reingekniet und mit Dendrologie beschäftigt, um zu verstehen, was das Besondere an diesem Wald ist.“

Obwohl der Harbker Ruheforst ein Waldfriedhof ist, bleibt er dennoch Bestandteil des Schlossparks. „Wir wünschen uns sogar, dass die Menschen durch den Park und durch den Ruheforst spazieren, um sich von der Atmosphäre inspirieren zu lassen und vielleicht auch ein wenig zur Ruhe kommen“, lädt Katja Binroth dazu ein.

Der Besucher kann den Harbker Schlosspark und den Ruheforst direkt ansteuern (beides ist im Ort ausgeschildert), er kann sich dem Ganzen aber auch in Wanderschuhen nähern. Der „Räuberhauptmann-Rose-Wanderweg“ ist rund 18 Kilometer lang, startet am Ruheforst, führt durch den Lappwald und Harbkes Nachbargemeinden Marienborn und Sommerschenburg. Am Wegesrand gibt es unter anderem zwei richtige Räuberhöhlen, eine Marienkapelle, eine alte Brauerei, eine Gneisenau-Gedenkstätte, das Liebesnest des Räuberhauptmanns und am Ende natürlich den Schlosspark zu entdecken. „Dieser Wanderweg lohnt sich wirklich“, schwärmt Katja Binroth.

Wer sich für Kirchen interessiert, sollte, gleich an der Schlossruine, St. Levin besuchen. Dort ist auch der berühmte Ginkgobaum zu finden. Ganz im Gegenteil zum Ruinenturm ist das Harbker Schloss tatsächlich eine Ruine. Es ist fast komplett zerstört, nur wenige Ornamente lassen noch auf die Schönheit der Anlage schließen.