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Hasskriminalität Polizisten sollen im Netz auf Streife gehen

Pöbeleien gegen Flüchtlinge und Menschen, die Flüchtlingen helfen: Sachsen-Anhalt will rechtsradikale Äußerungen sollen stärker verfolgen.

14.06.2016, 04:52

Magdeburg (dpa) l Die Hasskriminalität im Internet nimmt in Sachsen-Anhalt immer mehr zu. Bis Ende Mai wurden bereits 201 dieser Straftaten erfasst, teilte das Innenministerium mit. Im kompletten vergangenen Jahr waren es noch 152 Delikte, 2014 nur 41. Es handele sich dabei überwiegend um rechtsradikale Hetze. Die Landesregierung will dagegen nun verstärkt vorgehen und hat die Einführung einer "Internetstreife" in den neuen Koalitionsvertrag geschrieben.

Denn das Innenministerium geht sogar noch von einer weitaus höheren Hasskriminalität im Netz aus, als die Zahlen zeigen. Das Dunkelfeld sei groß – auch wenn die Aufklärungsquote derzeit bei 70 Prozent liege. Doch nicht nur das: Hass-Postings könnten auch für "Radikalisierungsverläufe" mitverantwortlich sein. So "stehen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte vielfach nicht am Anfang einer kriminellen Karriere, sondern sind oft das Ergebnis einer Radikalisierung, die auch über soziale Netzwerke verläuft."

Die Hass-Postings "treffen alle, die sich sichtbar mit Flüchtlingen solidarisieren", sagte der Grünen-Politiker Sebastian Striegel. Er sei selbst schon mehrfach Opfer solcher Angriffe geworden – von wüsten Beleidigungen bis hin zu Todesdrohungen. Doch im Gegensatz zu ihm trauten sich viele nicht, auch Anzeige zu erstatten. "Ich erwarte, dass die Landesregierung in Deutschland eine Vorreiterrolle einnimmt."

"Die Täter müssen merken, dass das Internet kein rechtsfreier Raum ist", sagte der SPD-Innenexperte Rüdiger Erben. Es habe eine Verlagerung des Tatorts gegeben – von der verbalen Attacke auf der Straße in die sozialen Medien. "Es wird immer brutaler. Das Internet enthemmt." Die Internetstreife solle in Zukunft verstärkt ermitteln und die Polizei dafür auch mit mehr Personal ausgestattet werden.

Die oppositionelle Linke-Fraktion im Landtag unterstützt das Vorhaben der Landesregierung. "Es ist ein wichtiges staatliches Zeichen, das stark machen kann", sagte die Abgeordnete Henriette Quade. Doch neben der notwendigen Strafverfolgung müssten "dem engagierten Widersprechen und Reagieren jedes Einzelnen ein weitaus höherer Stellenwert beigemessen werden." Die AfD als zweite Oppositions-Partei war für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Ab wann die Polizisten das Netz durchstreifen ist noch unklar. Derzeit arbeitet eine Expertengruppe an einem Konzept zur "Bekämpfung von Hass-Postings", teilte das federführende Bundeskriminalamt mit. Mit einem Ergebnis sei im vierten Quartal 2016 zu rechnen. Bund und Länder sollen dann auf diesem Feld enger zusammenarbeiten: So soll der Kriminalitätsentwicklung und der gesellschaftlichen Bedrohung, die aus dem Internet-Phänomen Hass-Postings erwächst, wirksam entgegen getreten werden. Dabei wird auch ein Best-Practice-Leitfaden "zur Bekämpfung von strafrechtlich relevanter, rechtsradikaler Hetze im Internet" entwickelt, erklärte das Innenministerium.