Innenminister Holger Stahlknecht will für seine Idee, eine Reiterstaffel zu etablieren, werben / Gewerkschaften sind skeptisch Hoch zu Ross in den Polizeieinsatz: Nur etwas für junge Kommissare?
Magdeburg l Innenminister Holger Stahlknecht (CDU) will möglichst ab 2014 Polizisten auch hoch zu Ross einsetzen: Ob bei Fußballspielen, Krawallen oder als Streife etwa in Magdeburger Parkanlagen - jedenfalls dort, wo man mit dem Streifenwagen nicht so leicht hinkommt. Stahlknecht verweist auf positive Erfahrungen - wie etwa in Niedersachsen oder Hamburg.
Zu Hause aber erntet der Minister viel harsche Ablehnung, Häme und missgelaunte Töne. Auch im Polizeiorchester. Dort, so erzählen Musiker, leide man seit Jahren an Geld- und Nachwuchsmangel, so dass des Öfteren schon Gastmusiker in eine Polizeiuniform gesteckt werden mussten, um alle Instrumente zu besetzen. Kommen teure Pferde, befürchtet man noch mehr Einsätze mit Papp-Kameraden.
Am vergangenen Wochenende wollte Stahlknecht Polizei-Reiter aus Sachsen beim Naumburger Weinfest (Burgenlandkreis)einsetzen, um die Wirkung zu testen. Doch die Probe fiel ins Wasser. Nachdem ein überraschter Minister vom Veranstalter zornige Anrufe erhalten haben soll, sagte er der Einsatz ab. Und seinen Besuch vor Ort.
Stahlknecht meint: "Mich erschreckt, mit welcher Unkenntnis und Unsachlichkeit über den Einsatz von Reiterstaffeln diskutiert wird. Dass dies bis hin zu massiven persönlichen Angriffen geht, hat mich wirklich überrascht."
SPD-Innenpolitiker Rüdiger Erben eher nicht. "Der Minister weiß seit einem Jahr, dass ihn die SPD in dieser Frage nicht mitträgt." Die SPD ist Koalitionspartner. Erben kommt aus dem Burgenlandkreis. Er steht bei der CDU unter Verdacht, die Naumburger aufgescheucht zu haben. "Ich habe damit nichts zu tun", beteuert Erben.
Stahlknecht hingegen schätzt die Tugenden und Vorzüge der Reiter-Polizei: Beweglichkeit, Schnelligkeit, Ausdauer und Übersicht zählt er dazu. In den nächsten Tagen will er nun verstärkt für seine Idee werben und die Debatte mit Argumenten versachlichen. Da hat er viel zu tun.
Beide Polizei-Gewerkschaften im Land sind äußerst skeptisch. Da bis 2020 mehr als 5000 Stellen gestrichen werden, haben die Kollegen andere Sorgen. Uwe Petermann, Landeschef der GdP: "Ich bezweifle, dass die Reiterstaffel als Einsatzmittel in unserem Lande notwendig ist." Petermann erinnert an die Fahrradstaffel Magdeburg oder die Motorrad-Truppe: Die wurden auch erst mit viel Tamtam gegründet und verschwanden dann sang- und klanglos - wegen Personalmangels. Petermann: "Die Krafträder stehen in den Garagen, weil die Kollegen dringend woanders gebraucht werden."
Andere zeigen auf das heruntergewirtschaftete Haus des Polizeireviers Nord in der Landeshauptstadt - keine 600 Meter vom Innenministerium entfernt. Nun laufen zwar erste Arbeiten und Anfang Juli soll ein Antrag für den Umbau gestellt werden: Doch noch prangt am gelben Backsteinbau ein Schild mit der Aufschrift "Das schlechteste Dienstgebäude Deutschlands".
Ablehnend äußern sich auch Innenpolitiker anderer Parteien. Gudrun Tiedke (Linke) nennt die Idee "völligen Unfug": "Das Geld sollte man besser beim Personalzuwachs ansetzen." Sebastian Striegel (Grüne) hält die Debatte für eine Phantomdiskussion. FDP-Landeschef Veit Wolpert erzählt: "Ich bin auf einem Gestüt aufgewachsen. Ich weiß, wie Pferde wirken können. Ob aber die Wirkung die Kosten rechtfertigt, daran habe ich Zweifel." In der Union ist das Stimmungsbild gemischt. Während Agrarminister Hermann Onko Aeikens hellauf begeistert ist, da er sich so auch neue Aufgaben für das Landesgestüt Prussendorf verspricht, äußert sich Innenpolitiker Jens Kolze etwas zurückhaltender: "Dass der Minister prüft, ob die Reiterstaffel gewinnbringend sein könnte, halte ich für legitim. Aber man muss auch fragen: Ist das wirtschaftlich?"
Mehr Rückendeckung bekommt Stahlknecht von Außerhalb. Und ausgerechnt von der Gewerkschaft. Joachim Lenders, Bundesvize der Polizeigewerkschaft, sagt: "Aus unserer Sicht sind Pferdstaffeln grundsätzlich zu befürworten." Präventiv bei Streifen - als auch bei harten Einsätzen. Und gerade in Zeiten knapper werdender Ressourcen sollte man die Wirkung nicht unterschätzen: "15 Reiter ersetzen 50 Beamte zu Fuß und zwei Wasserwerfer", meint Lenders. Es sei schon ein Unterschied, ob eine Polizeihundertschaft anrückt oder eine Reiterstaffel: "600 Kilo Lebendgewicht flößen einen gewaltigen Respekt ein", sagt Lenders. "Wenn die auf Randalierer zureiten, fliehen die meist."
Ein Pferd kostet zwischen 8000 und 20 000 Euro. Für Stall, Futter, Pflege, Tierarzt müssen pro Pferd auch mehr als 20 000 Euro pro Jahr kalkuliert werden, ergaben Nachfragen in Hamburg und Niedersachsen. Lenders sagt: "Aber ein Wasserwerfer kostet mehr als eine Million."
SPD-Fraktionsvize Erben aber glaubt nicht an die Rentabilität der Pferde. "Das ist purer Luxus." Der ehemalige Innen-Staatssekretär behauptet: "Außer ein paar jungen Kommissarinnen, die sich stolz auf einem Pferd sitzen sehen, kenne ich keinen Polizisten, der das gut findet. Im Gegenteil: Die schlagen die Hände über dem Kopf zusammen."