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  5. Jahrhundertflut: Tausende Sandsäcke sollen die Stadt Schönebeck vor dem Elbwasser schützen

Heute vor zehn Jahren stand der Elbscheitel kurz vor Schönebeck / Telefonleitungen ins städtische Rathaus zusammengebrochen Jahrhundertflut: Tausende Sandsäcke sollen die Stadt Schönebeck vor dem Elbwasser schützen

Von Olaf Koch 15.08.2012, 05:18

Die Lage in der Region wird immer dramatischer. In Magdeburg und Schönebeck sollen heute vor zehn Jahren 20000 Menschen evakuiert werden. Wer Zeit hat und noch keine Blasen an den Händen, füllt Sandsäcke.

Schönebeck l In der Schönebecker Altstadt herrscht konzentrierte Betriebsamkeit. Kleintransporter stauen sich in den Straßen, Geschäftsleute bringen ihre Waren in Sicherheit, Kellerfenster werden zugemauert, auf dem Gelände des Busbahnhofes werden Sandsäcke gefüllt. In unmittelbarer Elbnähe hat man damit begonnen, alle Häuser bestmöglich abzudichten. Erst wird eine Wand aus Folie hochgezogen, anschließend werden dafür mehrere Lagen Sandsäcke gestapelt. Schaufenster bekommen mit großen Holzplatten Schutz.

Im Rathaus ist von Beschaulichkeit keine Spur. Dort laufen die Fäden aller Maßnahmen zusammen. Schönebecks Oberbürgermeister Hans-Jürgen Haase (damals noch Mitglied der CDU) erwartet "eine noch nie dagewesene Katastrophe" für die Stadt mit ihren gut 35000 Einwohnern. Wie die Volksstimme damals schreibt, sind die Telefonleitungen in das Rathaus überlastet; Bürger kommen zu Fuß in die Verwaltung, sie fühlen sich nicht ausreichend informiert.

Es wird die Entscheidung gefällt, dass von morgen an der Unterricht an den Schulen vorerst ausfällt, weil für die nächsten Tage der Scheitelpunkt erwartet wird. Für den Krisenstab im Rathaus sind Ausweichräume vorbereitet. In einigen Teilen der Stadt kommt es bereits zu Stromabschaltungen. Katastrophenschutzexperten empfehlen, sich zu bevorraten - nicht nur mit Lebensmitteln und Getränken, sondern auch mit Kerzen und Batterien für Radios, um die aktuelle Nachrichtenlage mitverfolgen zu können.

Große Hilfe erwarten die Schönebecker unterdessen aus dem flutgeprobten Nordrhein-Westfalen. Konkret aus Köln. Von dort kommt eine 1600 Meter lange Wasserschutzwand an, die nahe am Elbufer errichtet werden soll. Geschätzte 150000 Sandsäcke müssen allein für diesen innerstädtischen Wall gefüllt werden.

Konkret geplant ist auch die Evakuierung der ersten Bürger der Stadt. Betroffen sind vor allem Ältere, Behinderte und andere Hilfsbedürftige. Auf dem Markt und in Frohse sollen Busse bereitstehen, die die Menschen zunächst in eine Turnhalle bringen. Dort erwarten sie Betten und Lebensmittel. Weitere Unterbringungsmöglichkeiten sind in Vorbereitung.

In verschiedenen Straßen, die nicht unmittelbar zu den gefährdeten Gebieten gehören, sind die Menschen aufgerufen, ihre Keller zu räumen. In den Stadtteilen Elbenau und Grünewalde sowie in der Gemeinde Ranies scheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt - heute vor zehn Jahren - eine komplette Evakuierung nicht ausgeschlossen. Sie wird notwendig, wenn sich die Hochwassersituation in der Region weiter dramatisch verschärft. Die Volksstimme ruft auf: "Wer die Möglichkeit hat, solle sich jetzt schon um eine Unterkunft bei Verwandten oder Freunden bemühen."

Das zu drohende Hochwasser wird in den nächsten zwei bis drei Tagen erwartet und soll voraussichtlich bis zu einer Höhe von bis zu 50 Metern über Normalnull (NN) vordringen. Wie die Stadtverwaltung verweist, ist man bei den ersten Erkenntnissen mit Überflutungen bis zu einer geografischen Höhenlinie von 52,91 Meter ausgegangen. Ein leichtes Aufatmen also ...

Wegen der drohenden Flut und der Stromabschaltungen in der Kreisstadt stellt auch der Elbekanal seinen Sendebetrieb ein. Betroffen ist vorerst die Stadt Calbe, weil die Kollegen sich vorrangig um die Elbestadt als Sendepunkt kümmern wollen. Für Schönebeck selbst haben sich die Fernsehmacher einen provisorischen Sendebetrieb eingerichtet, um die Einwohner - wie die Volksstimme auch - mit allen wichtigen Informationen rund um das Hochwasser zu versorgen.

Hochberieb herrscht in diesen Tagen nicht nur in den Privathaushalten und Geschäften, sondern auch im Landratsamt, das damals noch auf dem Cokturhof untergebracht ist. Die Keller und die komplette erste Etage sind bereits geräumt. Alle 380 Mitarbeiter der dortigen Verwaltung müssen nochmals an ihren Arbeitsplatz zurück, um letzte Sicherungsmaßnahmen vor dem Flutscheitel vorzunehmen. Dazu gehört, alle Akten umzulagern und die Computer in höhere gelegene Räume zu bringen.

Mitarbeiter der Straßenmeisterei füllen bereits seit Tagen Sandsäcke. Sie sind schon bei der Zahl 25000 angekommen.