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Streit um Prüfrechte des Rechnungshofes / Kultusministerium: "Rote Linie wurde überschritten" Jetzt droht auch dem Landesverband jüdischer Gemeinden eine Klage

Von Michael Bock 08.09.2012, 05:26

Kultus-Staatssekretär Jan Hofmann (SPD) hat "uneingeschränktes Prüfrecht" des Landesrechnungshofs bei der jüdischen Gemeinde zu Halle und dem Landesverband gefordert.

Magdeburg/Halle l Nach dem Volksstimme-Bericht zur Klage des Kultusministeriums gegen die jüdische Gemeinde zu Halle war für gestern eine "kurzfristige Pressekonferenz" anberaumt worden. Kultus-Staatssekretär Hofmann sprach von einer "politisch komplizierten und brisanten Materie". Den am 31. August erfolgten Gang vor das Verwaltungsgericht Halle begründete er mit dem Satz: "Es ist eine rote Linie überschritten worden."

Im Kern geht es darum, dass die jüdische Gemeinde zu Halle und auch der Landesverband die Prüfer des Rechnungshofes nicht so tief in ihre Bücher gucken lassen will wie diese es fordern. Hofmann sagte, im Staatsvertrag mit den jüdischen Gemeinden vom März 2006 sei ein "uneingeschränktes Prüfrecht" des Landesrechnungshofes verankert.

Max Privorozki, Vorsitzender der jüdischen Gemeinde zu Halle und auch des Landesverbandes, sieht das anders. Er sagte der Volksstimme, dass die obersten Kassenprüfer zwar die Verwendung der staatlichen Leistungen prüfen dürften, nicht aber die der eigenen Gemeindemittel wie Spenden, Mieteinnahmen oder Mitgliedsbeiträge. Dass jetzt ein Gericht im Streit entscheide, sei "gar nicht schlecht". Bislang habe das "Recht des Stärkeren" gegolten.

Rückblick: Schon im Dezember 2011 hatte der Landesrechnungshof der Jüdischen Gemeinde Halle seinen Plan mitgeteilt, auf Ordnungsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit zu prüfen. Die Prüfbehörde habe Rücksicht auf religiöse Belange zugesichert, Veranstaltungen oder die Anschaffungen religiöser Gegenstände sollten nicht beurteilt werden, sagte Hofmann. Die Religionsgemeinschaft habe aber Vorbehalte geäußert.

Es folgten viele Gespräche, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. Auch der Zentralrat der Juden in Deutschland wurde eingeschaltet. Generalsekretär Stephan Kramer - er war gestern nicht zu erreichen - habe "Verständnis" für die Haltung des Landes gezeigt, sagte der Staatssekretär. Zuletzt wurde in einem Sondierungsgespräch am 23. Juli versucht, doch noch auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen - vergeblich. Mit Schreiben vom 29. August teilte die jüdische Gemeinde Halle mit, sie halte an ihrer Position fest. Zwei Tage später reichte das Ministerium Klage beim Verwaltungsgericht ein. Die Gemeinde hat bis zum 15. Oktober Zeit für eine Stellungnahme.

Hofmann kündigte an, dass das Land auch gegen den Landesverband jüdischer Gemeinden klagen werde, wenn dieser ebenfalls - wonach es derzeit aussieht - das vollumfängliche Prüfrecht verweigere. Die Klage werde dann voraussichtlich bis zum Jahresende eingereicht. "Ich glaube, es ist ein guter Weg, diese Frage auf rechtsstaatlicher Grundlage von einem ordentlichen Gericht klären zu lassen", sagte Hofmann. Mittelkürzungen seien momentan nicht vorgesehen. Derzeit zahlt das Land 1,26 Millionen Euro jährlich an die Jüdische Gemeinschaft, die in Sachsen-Anhalt rund 2000 Mitglieder hat.

Rechnungshofpräsident Ralf Seibicke sagte gestern: "Ich halte es in höchstem Maße für anrüchig, wenn jemand in einem Vertrag geregeltes Prüfrecht verweigert, zugleich aber öffentliche Gelder haben will. Daher ist das Handeln des Kultusministeriums konsequent." Besonders kritikwürdig sei, dass nur Privorozki die Prüfungen verweigere. Alle anderen jüdischen Gemeinden hätten sich nicht gesperrt. Seite 6