1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Jetzt wird es ernst für die Gemeinschaftsschule: Am Montag wird verhandelt

Jetzt wird es ernst für die Gemeinschaftsschule: Am Montag wird verhandelt

Von Martin Rieß 21.04.2012, 05:16

Magdeburg/Tangerhütte l Was soll die Gemeinschaftsschule bringen? In Tangerhütte ist von der Stärkung der Sekundarschule und vom Standortvorteil die Rede. Zuvor muss aber die CDU-SPD-Regierungskoalition Details klären und das Gesetz festzurren.

Die nächste Beratungsrunde zur Gemeinschaftsschule der Koalition aus Christdemokraten und Sozialdemokraten ist für Montag angesetzt. Mit der neuen Schulform soll die Möglichkeit geschaffen werden, dass Schüler möglichst lange in ihrem Klassenverband gemeinsam lernen und an ihrer Schule alle Abschlüsse erlangen können, die in Sachsen-Anhalt an allgemeinbildenden Schulen möglich sind.

Das Projekt der Gemeinschaftsschule wird gerade im ländlichen Raum mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Beispiel Landkreis Stendal. "Die Kreisverwaltung steht der Idee für die neue Schule sehr offen gegenüber", gibt Ulrike Bergmann, Leiterin des Schulverwaltungs- und Kulturamts, zu Protokoll. Auch im Ausschuss für Bildung, Kultur und Sport des Kreistages habe es bislang "keine negativen Wortmeldungen" in Sachen Gemeinschaftsschule gegeben.

Solange allerdings die genauen gesetzlichen Regelungen ausstehen, könnte noch nicht über Einzelheiten entschieden werden.

Ein Baustein in den Überlegungen in der Magdeburger Regierungskoalition ist die Wahlfreiheit: Die Familien sollen darüber entscheiden können, ob der Nachwuchs eine Schule des bisherigen gegliederten Schulsystems besucht oder eine neue Gemeinschaftsschule. "Die Frage der Schülerbeförderung mit Bus und Bahn ist daher für uns eine überaus interessante Frage", sagt Ulrike Bergmann. Müssten die Schulbusse in Zukunft doch eine Schulform mehr ansteuern. Allerdings ließe sich die logistische Herausforderung meistern, sagt die Amtsleiterin.

In ihrem Landkreis gibt es bislang eine Schule, von der eine eindeutige Interessensbekundung in Sachen Gemeinschaftsschule vorliegt. Es handelt sich dabei um die Wilhelm-Wundt-Sekundarschule in Tangerhütte. Ulrike Bergmann: "Wir freuen uns darüber, dass wir damit einen Vorreiter haben."

Norbert Grewatsch ist Schulleiter der Tangerhütter Schule. Bevor er sich mit den Detailfragen auseinandersetzen möchte, will er aber ebenso wie Amtsleiterin Ulrike Bergmann die Vorlage in Form eines Gesetzes abwarten und sagt: "Wir müssen den Ball jetzt erst einmal flach halten." Keinesfalls dürften Eltern oder Schüler zur Zukunft der Schulen verunsichert werden.

Der aktuelle Auftrag für den Schulleiter lautet: Sobald das Gesetz aus dem Landtag und die Bestimmungen zu dessen Umsetzung aus dem Magdeburger Kultusministerium vorliegen, soll er sich genau mit den Modalitäten auseinandersetzen und dann ein pädagogisches Konzept erarbeiten. "Und das ist mir ganz wichtig: Es geht mir um den Ausbau der Sekundarschule und auf keinen Fall darum, hier ein neues Gymnasium aufzubauen." Ein Gymnasialzweig sieht Grewatsch vor allem für eine "nicht unbeträchtliche Zahl" an Schülern, die trotz einer gymnasialen Empfehlung an die Tangerhütter Sekundarschule wechseln.

Bis zum Jahr 2007 konnten Schüler aus der südöstlichen Altmark am Altmärkischen Gymnasium in Tangerhütte ihr Abitur ablegen. Das Gymnasium fiel allerdings den sinkenden Schülerzahlen und damit den Schulschließungen zum Opfer. Birgit Schäfer ist Bürgermeisterin der Einheitsgemeinde und sagt: "Wir würden natürlich begrüßen, wenn es in Tangerhütte wieder die Möglichkeit geben würde, das Abitur abzulegen. Ganz ehrlich: Wir sehen das auch als Standortvorteil." Die Einheitsgemeinde werde deshalb den Landkreis und die Schule unterstützen - sobald diese nach Veröffentlichung der Regelungen seitens des Landes mit ihrem Vorhaben richtig loslegen können. Auf jeden Fall, so die Bürgermeisterin, hätten viele Tangerhütter ihr Interesse an einer Gemeinschaftsschule in der Stadt bekundet.

Ein paar Monate werden sie sich aber mindestens noch gedulden müssen. Zwar gibt sich Katrin Budde, SPD-Fraktionsvorsitzende im Magdeburger Landtag, optimistisch: "Kultusminister Stephan Dorgerloh wird einen guten Gesetzentwurf ins Kabinett einbringen." Thema wären aber in den Anhörungen "viele Anregungen aus den Verbänden zu Detailfragen".

Einer der Interessenverbände ist der Landesverband der Philologen - der die Gemeinschaftsschule grundsätzlich ablehnt. Denn bereits jetzt seien gemeinsames Lernen und der Wechsel zu Schulen mit anderen Abschlüssen möglich. Jürgen Mannke, Landesvorsitzender der Philologen: "Eine gymnasiale Oberstufe setzt mindestens 50 Schüler voraus, eine solche Grenze darf nicht nur für eine neue Schulform gesenkt werden, sondern sollte für alle Schulformen identisch sein." Zudem müssten die Standards für die Mittlere Reife und das Abitur auf gar keinen Fall gemindert werden.

Neben den Verbänden, so Katrin Budde, habe auch die CDU konkrete Vorschläge angemeldet. Einen Eindruck von deren Wünschen gibt Hardy Güssau, bildungspolitischer Sprecher der Christdemokraten im Landtag: "Zum einen möchten wir ein Gesetz auf die Beine stellen, in dem möglichst viel klar geregelt ist und nicht auf später zu erlassende Verordnungen verwiesen wird." Dies sei ein Ausdruck von solidem Handwerk, das den Akteuren vor Ort Rechts- und Planungssicherheit bringen soll.

Zum anderen geht es darum, dass die neue Gemeinschaftsschule gegenüber anderen Schulformen - die es aus Sicht der Koalitionäre auch in Zukunft im Land noch geben soll - ein Prinzip der Gleichbehandlung herrscht. "Gleichbehandlung bedeutet beispielsweise, dass aus Sicht unserer Fraktion eine Gemeinschaftsschule nicht automatisch den Status einer Ganztagsschule bekommen sollte." Vielmehr sollte in deren Konzepten genau erläutert werden, wie sich der Gedanke des Ganztagsunterrichts in das Schulleben integriert. Genau geklärt werden sollte zudem, ob die Schulen das Abitur nach zwölf Jahren - beispielsweise in Zusammenarbeit mit einem Gymnasium - oder nach 13 Jahren - zum Beispiel in Zusammenarbeit mit einem Fachgymnasium - anbieten.

Im Sinne der Gleichbehandlung der Schulformen möchten die Christdemokraten zudem auch festgeschrieben bekommen, dass die Gemeinschaftsschulen finanziell und mit Material und Personal nicht bessergestellt werden als die anderen. Güssau: "Allerdings wollen wir damit auch festschreiben, dass sie nicht schlechtergestellt werden."

Grundsätzlich sollten nur jene Schulen Gemeinschaftsschulen werden, an denen alle Beteiligten - also die Gesamtkonferenz, die Träger der Planung und die Schulträger - diese Schulform mehrheitlich wollen, so Hardy Güssau.

Katrin Budde entgegnet: "Wir sind natürlich offen und gesprächsbereit." Am Ende solle schließlich ein gemeinsames Ziel erreicht werden: das längere gemeinsame Lernen und ein praktikables Gemeinschaftsschulmodell.