1. Startseite
  2. >
  3. Sachsen-Anhalt
  4. >
  5. Trabi knattert 60 Jahre durch Sachsen-Anhalt

Jubiläum Trabi knattert 60 Jahre durch Sachsen-Anhalt

Vor 60 Jahren rollte in Zwickau der erste Trabi vom Band. Heute fasziniert die Rennpappe Liebhaber wie die "IFA-Freunde Sachsen-Anhalt".

Von Bernd Kaufholz 05.11.2017, 05:00

Magdeburg l Schnell bildet sich ein kleiner Menschenauflauf, als acht Trabis des Vereins „IFA-Freunde Sachsen-Anhalt“ auf den Fußweg vor der „Württemberg“ im Magdeburger Stadtpark rollen, um sich vor der Domkulisse von ihrer besten Seite zu zeigen.

Der Veteran ist ein 1959er Trabant 500 mit einem seltenen Einachshänger. Oliver Bechtloff hat das blau-weiß lackierte Schmuckstück vor zwölf Jahren gekauft. „Ich wollte unbedingt einen Trabi mit Faltschiebedach haben. Es war ein glücklicher Zufall, dass ich ihn entdeckt habe.“ Das Besondere an einem Trabant sei, dass er „den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubert“. Mit 17 habe er seinen ersten „Plastikbomber“ aufgebaut. Da habe er sich wohl mit dem „Trabi-Virus“ infiziert, schmunzelt er 30 Jahre später.

Und was es mit dem ebenfalls zweifarbig lackierten Hänger auf sich hat, weiß er ebenfalls ganz genau: „Es gab viele Jahre keine Hängerproduktion. Man war somit auf Unfallwagen angewiesen.“ Die Rest-Trabis seien dann von den erfinderischen DDR-Bürgern zu Hängern umgerüstet worden.

Ein Blick ins spartanische Innere des P50 zeugt vom Hang seines Besitzers zum Originären. Auf der Hutablage fehlen weder ein „Wackeldackel“ noch die im typischen DDR-Strick-Schick ummantelte Toilettenrolle. Natürlich im Ton passend zur Zweifarbenlackierung.

Doch nicht nur der Junior ist Zweitakter-Fan, Vater Georg teilt seine Leidenschaft. „1985 war ich endlich mit meiner Trabant-Bestellung dran. Doch beim IFA-Vertrieb in Magdeburg-Sudenburg hatten sie nur noch einen gelben.“ Den wolle er nicht, habe er dem Auto-Verteiler gesagt. „Wenn ich da das Fenster auflasse, stecken mir die Leute doch bei dieser Farbe ihre Briefe durch den Schlitz.“

Das Gegenstück zum „Oldie“ ist der Trabant 1.1 von Uwe Firle aus Rogätz im Landkreis Börde. Der Viertakter wurde im März 1991 gebaut und war somit eines der letzten 39474 Fahrzeuge dieses Auslaufmodells. „In den Verkehr kam mein Auto sogar erst 1996. Es stand irgendwo als vergessener Neuwagen herum, bis sich jemand an ihn erinnerte.“

Mit 125 Stundenkilometern sei die offizielle Spitzengeschwindigkeit angegeben“, sagt Firle, „ich bin aber schon 145 km/h gefahren.“ Im Gegensatz zu seinen älteren Geschwistern kann man das jüngste Mitglied der Trabi-Familie am charakteristischen schwarzen Tankdeckel über dem rechten Hinterrad, der etwas runder geformten Motorhaube und der Kunststoffstoßstange erkennen.

Einziger Nachteil: „Das typische Trabi-Motorgeräusch macht der 1.1-er nicht mehr.“

Frank Schuster ist der Vorsitzende des Vereins der IFA-Freunde Sachsen-Anhalt. Die 42 Mitglieder pflegen die Tradition aller Fahrzeuge, die über den Industrieverband Fahrzeugbau (Zusammenschluss von Unternehmen des DDR-Fahrzeugbaus) vertrieben wurden. Unter den Fahrzeugen darf natürlich das „Flaggschiff“ Trabi nicht fehlen.

„Wenn wir unterwegs sind, werden wir oft angesprochen: So einen haben wir auch mal gehabt“, charakterisiert er die Reaktionen der Menschen auf der Straße. „Die Zeit kurz nach der Wende, als fast alle die Nase gerümpft haben, wenn sich ein Trabant in die Schlange der West-Karossen eingereiht hat, ist längst vorbei.“

Ziel sei es, nicht nur die Fahrzeuge zu pflegen und zu erhalten, „wir wollen sie auch der Öffentlichkeit präsentieren. Zum Beispiel beim Highlight, das jährlich im September stattfindet, das Ost Mobil Meeting Magdeburg (OMMMA) und dem Sachsen-Anhalt-Tag.

Der Verein sorge so dafür, dass die Menschen „ihre alten Wegbegleiter nicht vergessen. Wir halten damit ein bisschen Ost-Kultur aufrecht.“

Ingo-Uwe Speckmann hat sein Hobby zum Job gemacht. Er bietet Fahrten mit seinem „Zwickauer“ an, den er mit Hilfe einer Spezialfirma aus Osnabrück zum Cabrio umgerüstet hat. „Beim sogenannten Ostermann-Umbau wird das Dach abgetrennt und die Metallverstärkungen eingeschweißt“, erzählt der 55-Jährige. Nach dem „Vollgutachten“ der Dekra kann das neue Fahrgefühl kommen. „Hochzeiten, Firmenfeier, selbst eine Handballmannschaft aus Hamburg haben mich schon gebucht. Oft sind es Ausländer, die das spezielle Fahrgefühl kennenlernen wollen.“

Allerdings gebe es einen Haken: „Ich darf nicht in die Innenstädte. Ich kann zwar jedes Mal eine Sondergenehmigung beantragen, aber die frisst ein Gutteil meines Honorars.“ Abgaswerte des Trabants seien nicht bekannt und ein Gutachten würde 4000 Euro kosten.

Der „600er“ von Andreas Mattheka aus Möckern (Jerichower Land) kommt in gedecktem Grau daher, wurde am 27. November 1962 ausgeliefert und ist nicht aufgearbeitet. „Alles ist original“, schwärmt sein 50 Jahre alter Besitzer. „Jeder Kratzer, jede Unebenheit.“ Ein aufgearbeiteter Trabant sei „wie ein gelifteter Mensch - Selbstbetrug“.

Dann kommt doch noch ein „Aber“. Das Radio, einst nur mit Mittel- und Langwelle ausgerüstet, hat nun auch UKW mit versteckter Antenne.

Während die "IFA-Freunde Sachsen-Anhalt" ihre Trabis möglichst originalgetreu aufbereiten, gibt es aber auch Fans, die aus den DDR-Autos im wahrsten Sinne des Wortes eine Rennpappe machen, die beispielsweise Tobias Voß aus Salzwedel.